HW24 in den Sozialen Medien: Zwischen Modemüdigkeit, K-Pop-Dominanz und “Tradition”
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Wenn nach der Herrenmodewoche und der Couture die Herbst-/Wintersaison für Damen anbricht, liegt oftmals eine gewisse Modemüdigkeit in der Luft. Die Sozialen Medien wurden bereits wochenlang mit einer Flut von Inhalten überschwemmt, und so stellt sich die Frage, was eine Marke tun kann, um aus der Masse hervorzustechen. Im letzten Jahr lag der Schlüssel hierfür bei geballter Starpower aus Hollywood, Designer:inne-Debüts und viraler Effekthascherei, doch für Herbst/Winter 2024 hat sich die Branche – in gewisser Weise – wieder auf das Wesentliche besonnen.
Inwiefern sich dieser schleichende Wandel auf die Strahlkraft der Modehäuser in den Sozialen Medien auswirkte, hat die PR- und Imageagentur Karla Otto nun in einem Report analysiert.
K-Pop-Dominanz
Laut der Influencer:innen-Marketing-Plattform Lefty, mit der Karla Otto für den Report zusammenarbeitete, generierte Herbst/Winter 2024 einen Earned Media Value (EMV) von mehr als 527,5 Millionen US-Dollar (488,9 Millionen Euro). Im Vorjahresvergleich entspricht das einer Steigerung von 26 Prozent, liegt jedoch mit rund 30 Prozent weniger EMV immer noch deutlich unter der Frühjahr/Sommer-Saison, die in der ein EMV von mehr als 829 Millionen US-Dollar (783,18 Millionen Euro) erzielte.
Earned Media Value:
- Um die herausragendsten Schauen dieser Saison zu definieren, analysierte die Lefty und Karla Otto Instagram-Posts und TikTok-Videos von Influencenden mit mehr als 10.000 Follower:innen. Hierbei betrachtete die Plattform, insbesondere die jeweiligen Impressionen und das Engagement der Fashion-Week-Postings der Influencer:innen. Daraufhin berechnete Lefty das sogenannte Earned Media Value (EMV) der jeweiligen Beiträge beziehungsweise der Brands. Earned Media Value, ist ein Schlüsselindikator für Brands und Influencenden, um die Wirkung ihrer Veröffentlichung nachzuvollziehen. Als Teil des Reports definiert Lefty das Earned Media Value als das Äquivalent der Werbeausgaben, die eine Marke normalerweise für die gewonnenen Impressionen tätigen müsste. Für Instagram und TikTok wurde hierbei mit einem Preis von 100 US-Dollar (92 Euro) pro Cost-per-Mille (CPM), auch Tausend-Kontakt-Preis (TKP) genannt, kalkuliert.
Das EMV war jedoch nicht der auffälligste Unterschied zwischen den Saisons, denn auch in den Front-Rows, auf den Laufstegen und in der gewählten Kommunikation gab es einschneidende Veränderungen.
Earned Media Value der Fashion Weeks im Überblick:
- New York Fashion Week: 42,8 Millionen US-Dollar (39,6 Millionen Euro); Wachstum von 8 Prozent im Vorjahresvergleich (FW23)
- London Fashion Week: 21 Millionen US-Dollar (19,4 Millionen Euro); Wachstum von 2,7 Prozent im Vorjahresvergleich (FW23)
- Milan Fashion Week: 149 Millionen US-Dollar (137,7 Millionen Euro); Wachstum von 18,4 Prozent im Vorjahresvergleich (FW23)
- Paris Fashion Week: 315 Millionen US-Dollar (291,1 Millionen Euro); Wachstum von 35,2 Prozent im Vorjahresvergleich (FW23)
Während die vergangene Saison noch von dem Einfluss Hollywoods geprägt war, vor allem aufgrund des damals andauernden SAG-AFTRA-Streiks, wurde die EMV-Performance der Marken nun vor allem durch die Faszination für K-Pop vorangetrieben. Der Bericht stellt zwar fest, dass sich die Teilnahme von K-Pop-Musiker:innen an Modeschauen von einer innovativen Talentstrategie zu einem Industriestandard entwickelt hat, jedoch ist es unbestreitbar, dass sich die Wahl nach wie vor mehr als auszahlt.
Die K-Pop-Stars alleine erzielten in dieser Saison einen EMV von 123 Millionen US-Dollar (etwa 114 Millionen Euro). Damit machte die südkoreanische Prominenz etwa 23 Prozent des gesamten EMV für die Saison aus und war 103 Prozent höher als noch im Vorjahr. Auch wenn K-Pop derzeit an der Spitze steht, ist der Einfluss des asiatisch-pazifischen Raums (APAC) nicht alleine auf ihn zurückzuführen.
Basierend auf den Top 200 Influencer:innen der HW24-Shows generierte niemand mehr EMV als diejenigen, die aus dem asiatischen-pazifischen Raum kamen. Während die Bedeutung der Gäste aus Europa, Afrika, dem Mittleren Osten und den USA stark zurückging, war die APAC-Region für 64 Prozent des EMVs verantwortlich und verzeichnete mit 164 Millionen US-Dollar (um die 151,85 Millionen Euro) einen Anstieg von 24 Prozent gegenüber der Vorsaison.
Ausschließlich Lateinamerika verzeichnete einen größeren Anstieg im Saisonvergleich, wobei das EMV um 77,9 Prozent wuchs und bei 23,13 Millionen US-Dollar (etwa 21,42 Millionen Euro) lag. Grund hierfür war vor allem Georgina Rodríguez, argentinische Influencerin und Partnerin des Fußballspielers Cristiano Ronaldo, die für das Modelabel Vetements über den Laufsteg stolzierte. Rodríguez schaffte es mit diesem Auftritt auf Platz vier der Top-Influencer:innen der Saison und erzielte ein EMV von 8,2 Millionen US-Dollar (7,59 Millionen Euro).
Ein geografischer Blick auf Influencende und das Earned Media Value der HW24 Saison:
- Asiatisch-Pazifischer-Raum: 65 Prozent des EMVs mit 164 Millionen US-Dollar
- Nordamerika: 24 Prozent des EMVs mit 35,06 Millionen US-Dollar
- Europa: 14 Prozent des EMVs mit 29,06 Millionen US-Dollar
- Lateinamerika: 9 Prozent des EMVs mit 23,13 Millionen US-Dollar
- Naher Osten: 1 Prozent des EMVs mit 570.000 US-Dollar
- Afrika: 1 Prozent des EMVs mit 437.000 US-Dollar
Rückkehr der ‘traditionellen Medien’
Die geografische Verschiebung des Earned Media Values war jedoch nicht die einzige auffällige Veränderung in dieser Saison. In den letzten Jahren entwickelte sich die Modebranche zu einer Art Unterhaltungs-Maschine, bei dem Influencende als Marktschreier:innen fungierten und Aufmerksamkeit auf die jeweiligen Marken lenkten. Referenzen und Fachwissen spielte dabei häufig nur bedingt eine Rolle und so verschwanden traditionelle Medien Stück für Stück von der Bildfläche.
Herbst/Winter 2024 hat jedoch ein Wiederaufleben der "traditionellen Institutionen" gesehen, wobei die Social-Media-Profile der wichtigsten Medienpublikationen mit 31,1 Prozent der Beiträge den größten
Share of Voice
Share of Voice (SOV) ist im Online-Marketing ein Maß für die Sichtbarkeit eines Unternehmens.
Karla Otto erklärt das Wiederaufleben der traditionellen Medien, wenn auch auf Sozialen Plattformen, nicht unbedingt nur mit deren Autorität, sondern vor allem mit dem Zugang zu allen Bereichen der Branche, was dem Bericht zufolge eine "perfekte Formel für Social Success" sei. Als Beispiel für diese perfekte Formel nannte der Bericht die Videoreihe ‘Backstage Pass’ des Branchenmagazins Business of Fashion, das Zuschauer:innen Einblicke hinter die Kulissen von großen Modenschauen wie Designer Sean McGirrs Debüt bei Alexander McQueen bot sowie Miu Mius Zusammenarbeit mit Julia Hobbs, Acting Fashion Features Directorin der britischen Vogue. Hobbs filmte eine Reihe an TikTok-Videos mit den Models der Miu Miu Show und generierte dabei insgesamt 9,16 Millionen Aufrufe, die dazu beitrugen, den Medienwert der Marke im Vergleich zum Vorjahr um 79 Prozent zu steigern.
Top-Medienprofile im Herbst/Winter 2024, gemessen am EMV
- Media: 31,9 Prozent des gesamten EMV
- Musiker:innen: 29,35 Prozent des gesamten EMV
- Schauspieler:innen: 14,37 Prozent des gesamten EMV
- Influencer:innen: 13,9 Prozent des gesamten EMV
- Models: 6,99 Prozent des gesamten EMV
- Kreative, Athlet:innen, Branchengrößen und TV-Persönlichkeiten des gesamten EMV: 3,49 Prozent des gesamten EMV
Kann Luxus tatsächlich still sein?
Einen Versuch, die Zeit zurückzudrehen und die „guten alten Zeiten“ wieder ins Hier und Jetzt zu bringen, gab es auch anderswo. The Row beschloss, jegliche Form von Sozialen Medien bei ihrer Herbst/Winter-Show schlichtweg zu verbannen, konfiszierte Handys und stattete die anwesenden Gäste stattdessen mit Block und Stift aus.
Das Ergebnis? Während die Vorfreude auf die Veröffentlichung und ein mögliches Durchsickern von Bildern zunahm, stiegen die Online-Suchanfragen nach der US-Marke um 138 Prozent. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass viele Marken eine so strikte Strategie wie The Rows einschlagen werden, doch es ist nicht zu leugnen, dass der leicht kontroverse Ansatz der Marke die Menschen – und das Internet – tagelang zum Reden brachte und damit bewies, dass es, wie der Bericht es ausdrückte, so etwas wie stillen Luxus unterm Strich nicht gibt.
Top-Marken der Herbst/Winter 2024 gemessen am EMV
- Dior: 45,88 Millionen US-Dollar (42,48 Millionen Euro); Wachstum von 61 Prozent im Vorjahresvergleich (FW23)
- Louis Vuitton: 30,40 Millionen US-Dollar (28,14 Millionen Euro); Wachstum von 11 Prozent im Vorjahresvergleich (FW23)
- Saint Laurent: 29,98 Millionen US-Dollar (27,75 Millionen Euro); Wachstum von -0,2 Prozent im Vorjahresvergleich (FW23)
- Loewe: 27,60 Millionen US-Dollar (25,55 Millionen Euro); Wachstum von 112 Prozent im Vorjahresvergleich (FW23)
- Versace: 19,90 Millionen US-Dollar (18,42 Millionen Euro); keine Angaben zum Wachstum im Vorjahresvergleich (FW23)