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Verflechtung von Lingerie und Mode: Salon International de la Lingerie feiert 60-jähriges Bestehen

Von Rachel Douglass

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Messen
Die Januar-Ausgabe des Salon International de la Lingerie in Paris. Bild: WSN

In den vergangenen 60 Jahren haben einschneidende Veränderungen die Welt und damit auch die Modeindustrie bewegt. Auch Lingerie, die heute aus der Garderobe einer Frau nicht mehr wegzudenken ist, hat ihre eigene Revolution erlebt. Obwohl Mode und Wäsche untrennbar miteinander verbunden zu sein scheinen, ist diese Verflechtung doch nur ein weiteres Merkmal einer langen und manchmal distanzierten Beziehung.

Die Pariser Fachmesse Salon International de la Lingerie hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, den dynamischen Unterwäschemarkt zu repräsentieren und sich ausschließlich dieser Kategorie zu widmen. In den 60 Jahren ihres Bestehens hat sie sich stetig weiterentwickelt: Die jüngste Messe, die vom 20. bis 22. Januar stattfand, präsentierte neue Sparten, eine erweiterte Auswahl und ein breiteres Angebot, das die heutige Zeit widerspiegeln sollte.

60 Jahre Lingerie

Das Jubiläumsjahr der Messe bot Gelegenheit, auf entscheidende Momente zurückzublicken. Die vergangenen Jahrzehnte wurden mit einer Dessous-Show gefeiert, bei der berühmte Models eine Vielzahl von Looks präsentierten, die die Branche entscheidend geprägt haben. Ein Vortrag von Führungskräften der französischen Wäschekonzerne Chantelle und Simone Pérèle diskutierte die sozialen Bewegungen, die den Wandel des Marktes beeinflusst haben.

Die Januar-Ausgabe der Salon International de la Lingerie in Paris. Bild: WSN

In den letzten Jahren haben gesellschaftliche Diskussionen die Bedeutung von Unterwäsche neu definiert. „All die Jahre zielte Lingerie hauptsächlich auf den männlichen Blick ab“, sagte Direktor Matthieu Pinet, der während der feministischen #MeToo-Bewegung zur Organisation stieß, im Gespräch mit FashionUnited. „Jetzt tragen Frauen Dessous für sich selbst. Wäsche wird Teil der Silhouette. Nicht alle haben sich auf diese neue Welt eingelassen, aber die meisten Marken haben es verstanden.“

Ein weiterer Wendepunkt für die Messe war die letztjährige Übernahme durch den französischen Organisator WSN Développement, der Modemessen wie Who's Next, Impact und Bijorhca betreibt. Zuvor leitete Pinet den ‘Exposed’-Bereich der Salon International de la Lingerie, der sich ausschließlich Marken widmete, die Lingerie als Modeaccessoire betrachten. Als er die Position des Direktors übernahm, stellte er jedoch fest, dass dieser Trend nahezu die gesamte Messe beeinflusste und nicht nur bei jungen Marken, sondern auch bei den etablierten Namen zu finden war. „Für mich ist es eher ein Neustart, der Beginn einer neuen Geschichte. Eine Geschichte, in der Lingerie Mode ist“, so Pinet über die Neuheiten der diesjährigen Januar-Ausgabe.

Wellness im Mittelpunkt der Nachfrage

Im Mittelpunkt dieses Wandels stehen die Anforderungen der sich ständig verändernden Verbraucher:innen. Pinet hat daher bewusst darauf geachtet, die Messe ständig an das aktuelle Umfeld anzupassen. Die Idee eines integrierten Wellnessbereichs war das Ergebnis. „Die Aufgabe einer Messe ist es, Dinge vorwegzunehmen, und Wellness ist eine Möglichkeit, die Wäschebranche noch weiter zu öffnen“, sagte Pinet. „Wir haben derzeit zwölf Marken, ich könnte mir aber auch 40 vorstellen. Das ist eine Chance für uns, zu wachsen, sowie für Betriebe, die eine größere Produktauswahl anbieten. Ich behaupte nicht, dass morgen alle Wellnessprodukte in jedem Geschäft zu finden sein werden, aber ich kann garantieren, dass bestimmte Artikel in fünf Jahren überall angeboten werden.“

Der Wellness-Bereich der Salon International de la Lingerie. Bild: WSN

Zu den Repräsentant:innen der Wellness-Kategorie gehörte Gisele, eine internationale Beratungsfirma, die eine Reihe von an der SIL beteiligten Marken betreut, darunter das US-amerikanische Gleitmittel-Label Überlube und der britische Sexspielzeughersteller Love Not War. Nachdem Überlube zuvor auf medizinischen Fachmessen vertreten war, bedeutete die SIL ein neues Unterfangen. Da das Verständnis von Gesundheit und Wellness zunimmt, stellten die Vertreter:innen fest, dass sie auf ähnliche Klientel trafen, nur in einem anderen Umfeld.

„Wellness entwickelt sich weiter, weil sich die Branche weiterentwickelt hat“, sagte Überlube-Brand Managerin Cheryl Sloane. „Historisch gesehen ist diese Branche eine, in der Frauen die meisten Produkte verwenden, sie jedoch von Männern entwickelt wurden. Heutzutage sind mehr Frauen an der Entwicklung beteiligt. Eine weitere Veränderung ist, dass Männer früher die Produkte kauften, obwohl Frauen sie benutzten. Jetzt fühlen sich Frauen beim Kauf wohler, weil es mehr Aufklärung gibt.“

„Wir haben immer gesagt, dass weibliches Vergnügen weibliches Wohlbefinden ist.“

Lucy Litwack, Inhaberin von Coco de Mer

Auch bei den Wäschemarken selbst ist Wellness inzwischen ein fester Bestandteil des Sortiments. Ein Vorbild dafür ist das britische Label Coco de Mer, das seit der Gründung 2001 eigene Produkte verkauft. 2021 brachte es seine ‘Pleasure Collection’ auf den Markt. Aufgrund der steigenden Nachfrage bietet die Marke die Linie nun auch über Drittanbieter:innen wie den britischen Handelskonzern John Lewis, Goop, dem Unternehmen der US-amerikanischen Schauspielerin Gwyneth Paltrow und der französischen Kosmetikkette Sephora an.

„Diese Produkte sind zum Mainstream geworden, obwohl sie vor ein paar Jahren noch ein Tabu waren“, sagte Lucy Litwack, Inhaberin von Coco de Mer. „Man hätte sie nie in den Geschäften gesehen. Wir haben immer gesagt, dass weibliches Vergnügen weibliches Wohlbefinden ist, und jeder hat das verstanden. Das Coronavirus hat dies beschleunigt, weil die Leute Selbstpflege ganz oben auf ihre Prioritätenliste gesetzt haben.“

Die Januar-Ausgabe der Salon International de la Lingerie in Paris. Bild: WSN

Für Litwack sind die Veränderungen der Kundschaft der Marke sogar noch größer, da sich die Kaufgewohnheiten stärker an der ‘Empowerment’-Botschaft der Marke orientieren. „Wir hatten schon immer sehr aufgeklärte Kund:innen, aber bei Lingerie gibt es einen wesentlichen Unterschied. Viel mehr Frauen kaufen für sich selbst. Selbst Luxusdessous, die früher von Männern als Geschenk besorgt wurden, werden jetzt das ganze Jahr gekauft. Weibliche Kundinnen sind auch viel experimentierfreudiger und können ihre Wünsche besser äußern.“

Reifende Märkte einer selbstbewussten Frau

Die Ansprüche der selbstbewussten Frauen sind in der Arbeit der Messe allgegenwärtig, wo neue Märkte und aufstrebende Marken die Erwartungen an Lingerie in die Höhe treiben. Menstruationswäsche ist eine der Kategorien, die in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle spielen. Sie wird vor allem von jungen, von Frauen geführten Marken vorangetrieben, die das Bedürfnis erkannt haben, sich zu jeder Zeit des Monats wohlzufühlen. Khelida Andjorin, Communication Manager der 2021 gegründeten französischen Marke Lövane, stellte fest, dass die Akzeptanz solcher Produkte erst im vergangenen Jahr spürbar geworden ist.

Die Januar-Ausgabe des Salon International de la Lingerie in Paris. Bild: WSN

„Als wir letztes Jahr auf der SIL über Periodenunterwäsche sprachen, waren viele Menschen skeptisch. Bei solchen Produkten muss man sich die Zeit nehmen, aufzuklären. Einige [Anm. d. Red.: Einzelhändler:innen], die wir gesehen haben, sind zurückgekommen und haben nun Interesse an einer Zusammenarbeit mit uns“, sagte Andjorin. Die Nachfrage ist so groß, dass es immer mehr Konkurrenz auf dem Markt gibt. Auch große Namen wie Chantelle stellen ihre eigenen Versionen vor – für kleinere Unternehmen erschwert dies, wahrgenommen zu werden. Andjorin merkte jedoch an, dass Lövane sich von der Masse abhebt, indem es mit sexuellen Produkten Grenzen überschreitet und in neue Kategorien wie Bademode expandiert.

Ein Schwerpunkt auf funktionellen Produkten war auf der gesamten Messe zu spüren. Das niederländische Unternehmen Bye Bra beabsichtigte, seine wachsende Präsenz auf dem internationalen Markt zu übertragen. Bereits zum zwölften Mal nahm die Marke an der Messe teil und verzeichnete seit dem Coronavirus eine steigende Nachfrage seiner selbstklebenden Unterwäsche, die immer vorrätig ist und saisonunabhängig produziert wird. „Wir ergänzen das Outfit der Frauen“, sagte Arlette Wagenaar, Leiterin Einkauf und Produktentwicklung. „Vor Covid war die Nachfrage etwas höher, aber jetzt boomt sie. Viele Einzelhändler:innen bekommen Anfragen nach selbstklebenden BHs in ihren Geschäften. Dies zeigt, Kund:innen suchen wirklich nach uns als Marke. Selbstklebende Lösungen werden immer mehr zum Mainstream, was eine große Veränderung für Lingerie im Allgemeinen bedeutet.“

Modisch orientierte Marken wie das südafrikanische Label Nette Rose aus Kapstadt stehen auf der anderen Seite. Mit seiner ausgefallenen, geblümten Wäschelinie hat es die Aufmerksamkeit eines breiten SIL-Publikums auf sich gezogen. Obwohl der Plan darin besteht, ein noch breiteres Spektrum an Körpern anzusprechen, richten sich die Produkte vor allem an europäische und asiatische Käufer:innen, wo kleinere Einzelhändler:innen Vorrang haben. „Der südafrikanische Markt ist sehr vielfältig und wir haben ihn noch nicht erschlossen“, sagte Nette Rose-Gründerin Meg Miller. „Wir sind auf dem Weg dorthin, und es wird sehr spannend. Im Moment konzentrieren wir uns auf kleinere Körbchengrößen, die in Asien und Europa stärker verbreitet zu sein scheinen. Wir sind zum Beispiel bereits in Taiwan und Hongkong vertreten.“

Der Nette Rose-Stand auf der SIL in Paris. Bild: WSN

Lingerie als internationaler Machtfaktor

Asiatische Länder werden für die Wäschebranche immer interessanter, da der Markt dort zu reifen beginnt und die Nachfrage weiter steigt. Neben Einkäufer:innen aus Japan und Korea bemerkte Pinet, dass China seine Präsenz verstärkt, obwohl es einen ganz anderen Zugang zum Markt hat. „Was wirklich interessant ist, ist, dass wir uns vor zehn Jahren nicht vorstellen konnten, chinesische Marken in unserem ‘Exposed’-Bereich zu haben, aber das hat sich geändert“, so der Messedirektor. „Ich war überrascht, wie sich der Markt in China entwickelt hat. In der Vergangenheit gab es negative Assoziationen mit chinesischem Design, aber es gibt eine neue Welt, die so kreativ ist und so viel Energie hat. Es ist ein besonderer, aufstrebender Markt, aber wir beobachten ihn sehr genau.“

„Es gibt eine neue Welt, die so kreativ ist und so viel Energie hat.“

Matthieu Pinet, Direktor des Salon International de la Lingerie

Der Posie-Stand auf der SIL in Paris. Bild: WSN

Ein Vertreter Chinas ist das vier Jahre alte Label Her Senses aus Shanghai, das vor Ort produzierte Wäsche anbietet und sich selbst als ‘Fashion Lingerie’-Label versteht – daher auch der Platz im 'Exposed'-Bereich. Unterstrichen wird dies durch die Einbindung von Konfektionskleidung, die schon immer zum Angebot gehörte, in jüngster Zeit aber auf wachsendes Interesse gestoßen ist und zu einer Erweiterung geführt hat. Es ist das zweite Mal, dass Her Senses an der Messe teilnimmt, um den europäischen Markt weiter zu ergründen. Dort kommt das Unternehmen eher mit Einzelhändler:innen und Concept Stores in Kontakt, die sich für seine ästhetische Linie interessieren. In China setzt man den Fokus hauptsächlich auf E-Commerce.

„In China gibt es so gut wie keine Lingerie-Läden, sondern nur Concept Stores. Der Kauf von Wäsche findet auch größtenteils online statt und ist sehr wettbewerbsintensiv. Der Einzelhandel wächst nicht erfolgreich. In Europa gibt es einen größeren Markt für Wäschegeschäfte, deshalb wollen wir diese Möglichkeiten erkunden“, sagte Quina Huitao Zhou, Projektmanagerin von Her Senses in Übersee, und fügte hinzu, dass es auch einen Unterschied in der internationalen Verbraucher:innennachfrage gibt. „Die große Mehrheit der Menschen in China sucht nach einfachen, funktionellen und stützenden Modellen. Unsere BHs sind eher im französischen Stil gehalten – sexy, durchsichtig und nicht gepolstert – es gibt also definitiv einen Nischenmarkt. Jedoch haben wir einen treuen Kundenstamm. Wir konzentrieren uns nach wie vor auf den E-Commerce, erkunden aber auch Offline-Möglichkeiten. Außerdem entwickeln wir derzeit eine globale Website, die im Februar online gehen wird.“

Bildmaterial der Her Senses-Kampagne. Bild: Her Senses.

Was kommt auf die Salon International de la Lingerie und den Lingerie-Markt zu?

Die Messe hat sich im Laufe ihres Bestehens immer wieder verändert, angepasst und verlagert. Litwack beobachtete, dass der Salon International de la Lingerie in den letzten Jahren ein praktischeres Format angenommen hat. Dies kommt Einkäufer:innen zugute, da sie immer mehr zu einem Ort wird, an dem die gesamte Branche unter einem Dach versammelt ist. „Die Salon International de la Lingerie wird wieder zu dem, was sie einmal war. Wir haben einige Jahre mit dem Coronavirus verpasst, und als sie zurückkam, hatte sie an Schwung verloren. Jetzt ist die Messe wieder in vollem Gange und wir haben viele Besucher:innen aus verschiedenen Ländern. Ich habe das Gefühl, dass die Branche endlich wieder zu sich kommt und die Menschen wieder Vertrauen in den stationären Handel haben.“

Der Club Tonic-Stand auf der SIL in Paris. WSN

Diese Einschätzung kommt trotz eines leichten Zögerns in Bezug auf das Wohlergehen des Wäschemarkts, der ebenso wie der Bekleidungsmarkt finanziell leidet, laut Pinet jedoch nicht so stark. Aufkommende Kategorien wie Activewear und Bademode würden dazu beitragen, diese Seite der Branche zu stärken. Dies veranlasst die Marken dazu, neue Stabilitätskräfte zu suchen. Ein weiteres Element, das sich ändern wird, ist die Nachhaltigkeit im Hinblick auf die kommenden EU-Verordnungen. „In dieser Hinsicht entwickelt sich die Konfektionskleidung endlich weiter, die Lingerie hinkt ein wenig hinterher“, so Pinet. „Wir würden uns eine schnellere Entwicklung wünschen, aber die Richtung stimmt und ich bin zuversichtlich für die Zukunft.“

Zu den Zukunftsaussichten der Messe sagte Pinet, dass Paris zwar der Hauptstandort der Veranstaltung bleiben werde, er sich aber auch größere Veranstaltungen in anderen Ländern vorstellen könne, insbesondere in den USA und in China. Da Pinet in beiden Regionen bereits Messen organisiert hat – Curve New York in den USA und Interfilière Shanghai in China – hat er ein gutes Gespür für die Bedürfnisse dieser Märkte. In den USA hoffe er, die sehr geschäftsorientierte Denkweise in eine Richtung zu lenken, die eine Verschmelzung von Mode und Lingerie in Betracht zieht. „Meine Strategie ist es nicht, viele kleine Veranstaltungen in der ganzen Welt zu entwickeln. Ich ziehe es vor, wenige, aber dafür starke Veranstaltungen zu entwickeln.“

Die Januar-Ausgabe des Salon International de la Lingerie in Paris. Bild: WSN
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Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.uk. Übersetzt und bearbeitet von Heide Halama.

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