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Wie Gesellschaftstrends Mode-Konsum, Einzelhandel und Innenstädte in den 2020ern verändern

Von Gastautor:in

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Einzelhandel

Die gerade angebrochenen 20er Jahre könnten ein Jahrzehnt voller disruptiver Umbrüche und viel Optimismus sein, auch für die Modeindustrie, den stationären Handel und sogar das Klima. Das zumindest glaubt Ulrich Köhler, Geschäftsführer des Trendbüros. Die „Trends to Watch in the 2020s“ fasst er hier zusammen.

Mit meinem Team habe ich vor kurzem die wichtigsten Trends für das kommende Jahrzehnt zusammengestellt. Dabei stießen wir auf ein Dilemma: Einerseits zeigen Zukunftsszenarien oft Chancen für Unternehmen von heute und ganz neue mögliche Geschäftsfelder auf. Zumal bis zum Ende des Jahrzehnts mit der als Generation Alpha betitelten Kohorte eine völlig neue Zielgruppe ins konsumfähige Alter kommt.

Andererseits sind die aktuellen Medien, Trend-Reports und selbst Expertenmeinungen dominiert von dystopischen Szenarien fortschreitender Umweltzerstörung, allwissender und -mächtiger Technologiekonzerne, und negativen politischen Entwicklungen. Indem wir diese Voraussagen systematisch auf Anknüpfpunkte und Möglichkeiten für Unternehmen abklopften, entstand daraus eine Liste von fünf Trendfeldern, die auch der Konsumgüterindustrie und dem Handel Hoffnung machen kann.

Zur Hilfe können dabei die großen neuen Technologien kommen: Meist unter dem Akronym DARQ zusammengefasst bieten Distributed Ledger à la Blockchain, Artificial Intelligence, Mixed Reality und Quantum Computing derzeit noch wenig genutztes Potenzial hin zu vernetzteren Geschäftsmodellen. Diese werden konsequenter an tatsächlichen Kundenbedürfnissen ausgerichtet sein, als das heute der Fall ist.

Net Zero Lifestyles

Spätestens seit große Finanzinvestoren wie Blackrock eine Abkehr klassischer Unternehmensbewertungen hin zu nachhaltigen Investmentkriterien verkündeten, ist klar, dass der Konsumentendruck hin zu CO2-armen Lebensstilen langfristig zu einem neuen Wirtschaftssystem führen wird. Aufgrund ihres hohen Ressourcenverbrauchs und den immer kürzer werdenden Kollektionszyklen hat sich die Modebranche heimlich zu einer der klimaschädlichsten Industrien entwickelt.

In Zukunft werden sowohl im Handel als auch an den Kapitalmärkten nur solche Hersteller Erfolge feiern, die jenseits von Greenwashing echte Lösungen für den Klimawandel anbieten: Gerade erst hat Sarah Burton für Alexander McQueen Upcycling zum Thema gemacht. Zirkuläre Geschäftsmodelle, ressourcenschonende und langlebige Materialien, Abkehr von raschem Kollektionswechsel werden die Modebranche in den kommenden Jahren dominieren.

Urban Transformation

Bereits heute wandeln sich die Innenstädte: Einzelhändler polarisieren sich zunehmend in erfolgreiche Niedrigpreisanbieter und exklusive Luxusanbieter. Angetrieben von einem radikalen Umbau der globalen urbanen Zentren hin zu autofreien, perfekt vernetzten Zonen entstehen dort neue Räume – Co-Working Spaces, Urban Gardening, neue soziale Treffpunkte – wo bislang Autos parkten.

Retailer wie IKEA planen neue Märkte bereits ohne das (bislang) obligatorische Parkhaus. Marken und angestammte Retailer können hier den öffentlichen Raum entscheidend mitgestalten und Begegnungs- und Erlebnisräume um das Handelsmodell herum bauen und gleichzeitig neue Vertriebs- und Lieferservices für die Konsumenten von morgen entwickeln. So ist der Belstaff London Store mittlerweile ein Reparatur- und Socializing Hub inklusive Café und Barbereich.

IRL Experiences

Hier setzt das nächste Trendfeld an: In einer zunehmend digitalisierten Welt sehnen wir uns zunehmend nach echten Erlebnissen (IRL = „in real life“). Um das sogenannte Experience-Gap zwischen Unternehmens- und Konsumentenwahrnehmung zur Qualität des Kundenerlebnisses zu schließen, werden Marken in den kommenden Jahren stark in das Kundenerlebnis und neuartige erlebnisbasierte Marketing- und Vertriebsformate investieren. Zwar dominiert auch in der Modebranche zunehmend der Online Retail, doch Konzepte wie das GU-Style-Studio von Uniqlo-Eigner Fast Retailing in Tokio zeigen, wie außergewöhnliches Einkaufserlebnis mit reibungslosem digitalem Service kombiniert werden kann.

New Interfaces

Auch technologisch werden die nächsten Jahre für uns spannend: Sprach- und Gesichtserkennung sind längst etabliert; wir sind längst auf dem Weg in Richtung Gehirnwellenerkennung (siehe Facebooks Übernahme von CTRL-Labs) und komplett interfacefreie („Zero Interface“) Kommunikation.

Schon heute bietet Louis Vuitton Horizon Kopfhörer und Tambour Smart Watches an und etliche Luxus-Brands bieten Accessoires für Wearables. In Zukunft werden Marken, die ihren Kunden die manuelle Eingabe von Daten abverlangen, kaum mehr eine Rolle im Leben der Digital Natives spielen.

Life in the Bubble

Während wir heute oft mit Schrecken auf die Effekte von Fake News schauen und das Schlimmste von Deep Fakes – also der täuschend echten Manipulation von Bild- und Tonaufnahmen – können wir in Zukunft Medieninhalte gezielt an Wünsche und Vorlieben von Konsumenten anpassen. Sei es die werbliche Anreicherung von Streaming Video Content oder komplett personalisiertes Storytelling.

Umgekehrt besuchen schon heute KI-Bloggerin Miquela und die digitale Instagram-Influencerin Noonoouri bedeutende Fashion Shows und berichten von ihnen. Marken sind in der Pflicht, ihre Brand Story aktiv und über sämtliche relevanten Kanäle zu gestalten und genau zuzuhören, wie sie weitererzählt wird. Denn ansonsten wird es jemand anderes tun, der – siehe die gegenwärtige Politik – nicht immer Gutes im Schilde führt.

Zusammenfassend wird klar, dass keine der geschilderten Entwicklungen ein Selbstläufer für Unternehmen ist: Sie müssen sich mit den eigenen Stärken und Schwächen auseinandersetzen, gegenwärtige und zukünftige Konsumentenbedürfnisse sowie den Einsatz neuer Technologien analysieren. Den Willen zum Wandel hin zu einer positiven Zukunft muss die Modeindustrie selbst aufbringen.

Mit einem weltweiten Team aus Researchern, Analysten und Beratern erarbeitet Trendbüro, eine Tochterfirma von Avantgarde, seit 1992 Consumer-Insights sowie Innovations- und Markenstrategien für Unternehmen und Organisationen unterschiedlichster Branchen.

Bild & Grafik: Trendbüro

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