Warum echte Marken heute echte Räume brauchen
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Die Bilder der Massen, die zur Eröffnung des neuen Westfield-Einkaufszentrums im Hamburger Überseequartier strömten, sprachen Bände.
Über 200.000 Besucher:innen an einem einzigen Wochenende – eine Leistung, die kein Algorithmus nachahmen kann. Ganz gleich, wie persönlich oder datenoptimiert digitale Kampagnen auch sein mögen, Menschen sehnen sich nach mehr als nur Klicks. Sie wollen Erlebnisse und greifbare Verbindungen. Die Tatsache, dass so viele reine Online-Anbietende nun nach physischen Verkaufsflächen suchen, ist ein klares Signal: Die Kund:innenakquise mag im Internet stattfinden, aber Markentreue und emotionale Bindung werden in physischen Räumen aufgebaut.
Von der digitalen Begegnung zur Verbindung vor Ort
Marken wie Alo Yoga zeigen auf, wie es gehen kann. Während sie ihr Imperium auf einer starken digitalen Präsenz aufgebaut haben, sind ihre physischen Geschäfte zu regelrechten Hubs geworden. Sie verkaufen nicht nur Sportbekleidung, sondern schaffen einen Lebensstil. Ihre Geschäfte verfügen oft über Yogastudios, Saftbars, Veranstaltungs- und Gemeinschaftsräume und bieten regelmäßig kostenlose Yogakurse, Mediationen und Gemeinschaftsveranstaltungen an, wodurch das Geschäft zu einem Treffpunkt für gesundheitsbewusste Menschen wird. Dieser Ansatz macht die Käufer zu aktiven Teilnehmern am Lebensstil der Marke. Der physische Raum wird zu einem Ort der Begegnung, des Austauschs und des Zugehörigkeitsgefühls zur einer wertebasierten Lifestyle-Gemeinschaft, wodurch ein Kauf weniger wie eine Transaktion und mehr wie eine Investition in das eigene Wohlbefinden wirkt.
Der Erfolg von Direct-to-Consumer-Marken (D2C) im stationären Einzelhandel liegt in ihrer Fähigkeit, ihre Kernwerte und ihre digitale Erfahrung in den Raum zu übertragen. Die Geschäfte sind nicht nur Orte, an denen Produkte verkauft werden, sondern sie fungieren auch als Marken-Schaufenster, Community-Treffpunkte und Räume für technologische Integrationen, die darauf ausgelegt sind, das Kund:innenerlebnis zu verbessern. Diese multisensorische Erfahrung macht Marken zugänglicher und schafft ein tieferes Gefühl des Vertrauens, das auf einem zweidimensionalen Bildschirm nur schwer zu reproduzieren ist.
Der Shop als kreativer Hub
Insbesondere der Gemeinschaftsaspekt sollte niemals unterschätzt werden. Ein Paradebeispiel für den Aufbau einer ganz eigenen Erlebniswelt ist die in New York ansässige Marke Aime Leon Dore. Was als Modelabel begann, hat sich zu einer globalen Gemeinschaft entwickelt, und ihre physischen Räume dienen als Treffpunkt für treue Anhänger. Das Einkaufserlebnis in den Geschäften der Marke ist sorgfältig kuratiert und immersiv gestaltet und greift auf eine nostalgische New Yorker Ästhetik zurück. Die Geschäfte wirken weniger wie Verkaufsräume, sondern eher wie ein wunderschön gestaltetes Apartment oder eine Kunstgalerie. Reichhaltige, warme Materialien wie Holzvertäfelungen, Marmor und Messing werden verwendet, um eine kultivierte Atmosphäre zu schaffen. Es ist eine physische Erfahrung des coolen, zurückhaltenden Luxus der Marke.
Ein wesentliches Merkmal ihrer Flagship-Stores ist die Integration eines Cafés, wie beispielsweise in ihren Geschäften in London und New York. So können Kund:innen verweilen, Kontakte knüpfen und die Kultur der Marke in ihrem eigenen Tempo aufnehmen. Bei diesem Erlebnis geht es nicht nur darum, einen Pullover zu kaufen, sondern darum, in die geschmackvolle, inspirierende Welt einzutauchen, die die Marke geschaffen hat.
Marken wie Aime Leon Dore haben verstanden, dass Kund:innen nicht nur zum Einkaufen kommen, sondern auch wegen der Atmosphäre, der sozialen Kontakte und des Erlebnisses an sich. Der Store wird zu einer Bühne für gemeinsame Erlebnisse, einem Ort, an dem die Kultur der Marke zum Leben erwacht. Ob durch kuratierte Veranstaltungen, immersive Kunstinstallationen oder interaktive Gamification mit Augmented Reality – die physische Welt bietet Marken unendliche Möglichkeiten, sich auf multisensorische, gemeinschaftsorientierte und „instagrammable“ Weise zu präsentieren.
Eine strategische Investition, nicht nur ein Vertriebskanal
Es muss allerdings nicht immer ein permanenter Flagship-Store sein. Obwohl die Streetwear-Marke Scuffers nach ihrem digitalen Erfolg zunächst in große Flagship-Stores in ihrer Heimat Spanien expandierte, setzte das Label auf Pop-up-Stores, um sich den europäischen Markt zu erschließen. In mehreren Ländern eröffneten sie die zeitlich begrenzten Stores, um lokale Märkte zu testen. Auch andere D2C-Marken gehen immer häufiger Partnerschaften im Co-Retailing ein und richten Shop-in-Shops in großen Kaufhäusern oder Konzepträumen ein, um die Lage zu sondieren. Für viele Online-Marken ist diese Investition strategisch absolut sinnvoll. Sie kaufen nicht nur Quadratmeter, sondern auch Sichtbarkeit, bauen Vertrauen bei den Verbraucher:innen auf und gewinnen Zugang zu neuen Zielgruppen. Darüber hinaus wird der physische Raum zu einer Content-Maschine: Jede Ladeneröffnung, jede kuratierte Ausstellung und jede persönliche Interaktion liefert neues Material für soziale Medien, E-Mail-Kampagnen, PR und Kooperationen mit Influencern.
Die Zukunft des Einzelhandels ist ein „UND“
Die cleversten Marken haben erkannt, dass physische Geschäfte nicht dem Verkauf dienen, sondern vor allem für Storytelling und Präsentation prädestiniert sind. Das Ziel ist es, einen lebendigen Raum zu schaffen, der die Identität der Marke widerspiegelt und das Publikum inspiriert. Hier fließen Design und Daten, Gefühl und Funktion, Echtzeitanalysen und Erlebnisarchitektur zusammen. Der Store liefert daher wertvolle Daten für zukünftige Vertriebsstrategien – online wie auch offline-, sodass Marken ihre Kunden besser verstehen und ein nahtloses, einheitliches Erlebnis über alle Kanäle hinweg schaffen können.
Ob es sich um ein gigantisches neues Einkaufszentrum, einen kreativen Pop-up-Store oder eine neue Ladenfront einer D2C-Marke handelt, der Trend ist klar: Wir stehen am Beginn eines neuen Zeitalters der Markenerfahrung. Wer glaubt, dass Online das Ende der Geschichte ist, verpasst das Beste. Der Einzelhandel der Zukunft ist keine Wahl zwischen physisch oder digital. Er ist beides. Er ist messbar und menschlich, schnell und nachhaltig, in Echtzeit und erlebnisorientiert. Marken, die dies verstehen, schaffen Räume, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen – in unseren Köpfen und in unseren Herzen.