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Vom Problemkanal zum roten Faden: Warum Service im Fashionsektor in Krisenzeiten wichtig ist

Von Gastautor

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Einzelhandel|Gastbeitrag
BH-Beratung bei der Wäschkette Hunkemöller. Credits: Hunkemöller

Service ist heute weit mehr als nur eine Reaktion auf Probleme. Er ist zu einem strategischen Versprechen geworden, das als emotionaler Anker für die Bindung von Kund:innen dient und sich damit zu einem mächtigen Differenzierungsfaktor entwickelt hat.

Vertrauen als neue Währung

In einer Zeit, in der die gesamte Branche mit Unsicherheiten kämpft – von Lieferengpässen über globale Konflikte bis hin zu Ressourcen-, Materialkostenkrisen wird eines immer deutlicher: Vertrauen ist zu einem der wichtigsten Aspekte geworden. Dabei reicht es nicht mehr, nur gute Produkte oder attraktive Preise zu bieten. Echte Loyalität entsteht durch Beziehungen, die gepflegt und gefestigt werden – und genau hier kommt der Service ins Spiel.

Über die Autoren
Dr. Markus Alt ist Geschäftsführer von Accenture Song Service und verantwortet das Servicegeschäft in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mit über 20 Jahren Erfahrung in der Strategie- und Transformationsberatung begleitet er Unternehmen branchenübergreifend bei der Digitalisierung von Vertrieb und Service sowie der Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle. Alexander Quicker leitet das Beratungsangebot bei Accenture Song Service. Mit mehr als 15 Jahren Erfahrung unterstützt er Unternehmen bei der Transformation ihres Kundenservice.

Die Bedeutung von Service für Privatkunden

Wie wichtig ein gut funktionierender Service für Privatkund:innen ist, beziehungsweise. wie abschreckend schlechter Umgang mit den Anliegen der Kundschaft sein kann, zeigt eine aktuelle Studie von Accenture: 43 Prozent der Konsument:innen haben mindestens eine frustrierende oder verärgernde Serviceerfahrung gemacht. Die Folgen für die Unternehmen und Marken sind drastisch.

Schlechter Service untergräbt die Markentreue und Vertrauen – zwei Werte, die gerade in Krisenzeiten essenziell sind. Schon eine einzige schlechte Erfahrung kann dazu führen, dass Kund:innen zur Konkurrenz wechseln. Demnach ist es nicht überraschend, dass nur 32 Prozent der Befragten glauben, dass sich der Kundenservice in den letzten fünf Jahren verbessert hat.

In dieser Herausforderung steckt auch eine große Chance: Denn die Modeunternehmen, die sich nun durch hervorragenden Service auszeichnen, werden den Unterschied machen und sich klar vom Wettbewerb abheben – unabhängig von Produktqualität oder Preis.

Alexander Quicker und Markus Alt von Accenture Song Service DACH Credits: Accenture

Service muss neu gedacht werden

Damit dies gelingt, müssen Unternehmen Service neu bewerten. Noch immer betrachten viele Unternehmen Service oftmals als reinen „Problemkanal“, als Schadensbegrenzung am Ende der Customer Journey. Ein Kanal, der erst „aktiv“ wird, wenn etwas schiefläuft – sei es ein Qualitätsmangel, eine Retoure oder ein Änderungswunsch – so die Denkweise. Für Modekund:innen bedeutet das häufig: Aufwand, Frust, Wartezeiten und unübersichtliche Prozesse. Service hat also gar nicht die Chance als Mehrwert erlebt zu werden, sondern bleibt für viele Kund:innen eine Belastung.

Ein gutes Beispiel ist der Retouren-Service im Onlinehandel. Kund:innen ordern oft Kleidungsstücke in mehreren Farben oder Größen, um das Passende zu finden. Wird der Rückgabeprozess jedoch durch aufwändige Abläufe oder schlechtem Service erschwert, wird selbst das beste Produkt oder der günstigste Preis nebensächlich – der schlechte Service wird zum K.O.-Kriterium.

Die Erwartungen der Generation Z

Besonders die junge Generation Z hat ein besonderes Augenmerk auf guten Service. Für sie ist es laut Umfrage immer anstrengender, Kund:in zu sein. Das ist ein Weckruf für die Modebranche. Der Aufwand, der heute oft notwendig ist, um ein Problem zu lösen, steht im Widerspruch zum Komfort, den die Kund:innen erwarten. Bereits 87 Prozent räumen ein, dass schon eine einzige schlechte Serviceerfahrung sie komplett von einer Marke abbringen kann.

Service als roter Faden im Markenerlebnis

Wie kann die Modebranche diesem Bedürfnis der Kundschaft begegnen und ihren eigenen Service so umbauen, dass dieser nicht mehr als nötiges Übel und optionales Add-on gesehen wird, sondern vielmehr als entscheidenden Faktor für Markentreue, langfristigen Erfolg und Wettbewerbsfähigkeit? Service sollte der rote Faden sein, der Kund:innen durch das gesamte Markenerlebnis begleitet – egal ob bei einem Handelsunternehmen oder einer Modemarke.

Ein neues Serviceverständnis

Dafür braucht es eine neue Sichtweise und ein neues Serviceverständnis im Modesektor:

  • Kund:innen nicht einfach betreuen, sondern proaktiv begeistern
  • Nicht nur Probleme lösen, sondern Wünsche antizipieren
  • Nicht nur Fragen beantworten, sondern Inspiration bieten
  • Nicht nur reagieren, sondern individuell und empathisch handeln – so viel oder so wenig, wie es der Moment erfordert
  • Unterschiedliche Zielgruppen, unterschiedliche Erwartungen

Gerade in der Modebranche – vom Fast-Fashion-Anbieter bis zum nachhaltigen Luxuslabel, von Second-Hand-Plattformen bis zu spezialisierten Nischenmarken – sind die Anforderungen an Service so unterschiedlich wie die Kund:innen selbst. Die zentrale Frage lautet daher: Wer sind meine Kund:innen – und was brauchen sie wirklich? Diese Erkenntnis ist die zentrale Grundlage jeder erfolgreichen Service- und Innovationsstrategie.

Ein empathischer, smarter Service kann die Begeisterung für ein Produkt, eine Marke oder ein Unternehmen nicht nur verstärken, er kann sie überhaupt erst ermöglichen. Vielleicht kommt jemand wegen eines Pullovers – bleibt aber wegen der besonderen Aufmerksamkeit, des inspirierenden Erlebnisses oder des unkomplizierten Services. Vielleicht erzählen sie ihren Mitmenschen nicht von der tollen Produktqualität des neuen Pullovers, sondern von der tollen Erfahrung beim Service oder dem Besuch im Store. So werden aus Käufer:innen Multiplikatoren, die gerne zurückkehren.

Die Kraft des innovativen Service

Insbesondere im Modesektor hat ein innovativer Service die Kraft, Begehrlichkeiten zu wecken, die über den ursprünglichen Bedarf hinausgehen. Das gilt sowohl für das Online-Shopping als auch für das stationäre Erlebnis – und vor allem für die Verbindung beider Welten.

Ein Beispiel: Jemand entdeckt ein Kleidungsstück online oder in einer Serie, informiert sich digital darüber, reserviert mehrere Größen im Store zum Anprobieren – und verbindet den Besuch mit einem Stadtbummel oder einem Treffen mit Freund:innen. Ein wirklich guter, moderner Service sorgt dafür, dass all diese Schritte nahtlos ineinandergreifen und das gesamte Erlebnis angenehm bleibt. Genau hier liegt die große Chance: Begeisterung entsteht, wenn Service nicht mehr nur Probleme löst, sondern echtes Erlebnis schafft. Und dafür – so viel ist auch jedem Player im Modesektor klar – muss sich die aktuell hinterlegte Struktur des Service grundlegend verändern.

In einer Welt, in der Produkte immer ähnlicher und vergleichbarer werden, gewinnt der Service als Differenzierungsmerkmal zunehmend an Bedeutung. Fast die Hälfte aller von Accenture Befragten gaben an, dass guter Service ihre Kaufentscheidung beeinflusst – und für 15 Prozent ist es sogar das entscheidende Kriterium.

Neue Technologien, neue Möglichkeiten

Dank neuester Technologien – etwa dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz – eröffnen sich im Service der Modebranche neue Möglichkeiten. So können Kund:innen heute rund um die Uhr über ihren bevorzugten Kanal Unterstützung erhalten oder erhalten personalisierte Angebote genau dann, wenn sie am meisten gebraucht werden.

Ein Beispiel: Mithilfe von KI lässt sich aus der Kaufhistorie, Informationen zu Passform und Marken eine individuelle Größenempfehlung berechnen. Dadurch wird es für Kund:innen einfacher, direkt die passende Größe zu finden – das Bestellen und Retournieren mehrerer Größen wird deutlich seltener notwendig. Auch Chatbots entwickeln sich weiter: Moderne KI-gestützte Systeme können heute nicht nur Standardfragen beantworten, sondern echte Beratung bieten – fast so, als würde man mit Mitarbeitenden in einem Laden sprechen.

Wer etwa nach einer bestimmten Lederjacke sucht, erhält nicht mehr nur allgemeine Hinweise, sondern bekommt gezielte Vorschläge, die dem gewünschten Stil entsprechen. So wird Service vom reinen Problemlöser zum Erlebnisgestalter und zur strategischen Säule jeder Modemarke und jedes Modehandelunternehmens. Der gezielte Einsatz von KI kann diese Entwicklung nicht nur unterstützen, sondern auch die gesamte Servicequalität nachhaltig verbessern. Gleichzeitig bleibt die Herausforderung, neue Technologien sinnvoll und mit Fingerspitzengefühl einzusetzen, denn noch gelingt die Umsetzung nicht überall reibungslos.

Der Modemarkt hat die Bedeutung von KI und Co. für den Unternehmenserfolg zwar verstanden, setzt sie aktuell jedoch nicht konsequent um. Chatbots und andere Technologien kratzen leider nur an der Oberfläche, was die Kund:innen zu spüren bekommen. Nur 18 Prozent von ihnen geben an, dass sich ihre Service-Erlebnisse durch Technologie deutlich verbessert haben. Noch kritischer: 35 Prozent befürchten sogar, dass KI die Qualität des Services künftig verschlechtern wird.

Technologie im Service: Chancen nutzen – Herausforderungen meistern

Was eigentlich als smarte Hilfe und technologische Ergänzung im Service gedacht ist, kann bei schlechter Umsetzung schnell zu Frust führen. Die gute Absicht, Technologie zu implementieren, „weil alle es machen“, reicht nicht aus. Der Modesektor muss den technologischen Umbau des Services mit Fingerspitzengefühl, Menschlichkeit und echter Relevanz für das Einkaufserlebnis kombiniert angehen.

Technologien haben das Potenzial, den Service für Kund:innen neu zu denken. Gleichzeitig ermöglichen sie es Unternehmen und Marken, sich effizienter aufzustellen und ihre Ressourcen zielgerichteter im Sinne ihrer Kund:innen einzusetzen. So wie das Design eines Kleidungsstücks sorgfältig entworfen wird, um Funktion, Ästhetik und Emotion in Einklang zu bringen, muss es künftig auch für den Service gelten.

Benötigt wird ein ebenso bewusstes und durchdachtes Design of Service – mit klarer Zielgruppenorientierung, passenden Prozessen und einer konsistenten Erlebnisqualität über alle Touchpoints hinweg. Jede Maßnahme – von der Sortimentsgestaltung über kanalübergreifende Services bis hin zum Einsatz von KI – basiert auf dieser grundlegenden Erkenntnis.

Service ist das Versprechen einer Modemarke oder eines Modehandelunternehmens an seine Kund:innen, für sie da zu sein, in guten wie in schwierigen Zeiten. Service ist der Knackpunt, der darüber entscheiden kann, ob aus Käufer:innen Fans werden. Und aus Fans echte Markenbotschafter:innen. Es ist an der Zeit, diese Erkenntnis in passende Maßnahmen umzusetzen.

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