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Studie: Ist E-Commerce gut für Europa?

Von Simone Preuss

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Einzelhandel

Eine von Onlinehändler Amazon in Auftrag gegeben Studie hat sich mit den Auswirkungen von E-Commerce in Europa nach zwei Jahrzehnten zweistelligen Wachstums in Bezug auf Umwelt und Wirtschaft – besonders den Einzelhandel – beschäftigt. Sie kommt zu den Ergebnissen, dass der stationäre Handel (Non-Food) mehr CO2-Äquivalent (CO2e) erzeugt als der Onlinehandel und dass das Online-Verkäufe das Wachstum der physischen Geschäfte fördern. Wie ist dies möglich?

Um Antworten zu finden, führten die US-Managementberatung Oliver Wyman und Logistics Advisory Experts, ein Spin-off Instituts für Logistik und Supply Chain Management der Universität St. Gallen, über einen Zeitraum von zwölf Wochen eine europaweite Studie durch, die die acht Länder Frankreich, Deutschland, Italien, die Niederlande, Polen, Spanien, Schweden und Großbritannien einschließt.

Die Studie beinhaltet eine Analyse offizieller Statistiken von Eurostat, Euromonitor und nationalen Statistikinstituten bis zum Jahr 2019 (sofern nicht anders angegeben), öffentlich verfügbare Informationen, eine unabhängige Befragung von Einzelhändlern im vierten Quartal in Frankreich und Deutschland, eine Umfrage von 10.000 Verbrauchern in Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien sowie die Entwicklung eines Modells zur Erfassung der CO2e-Auswirkungen. Die Studie verwendet keine vertraulichen Informationen von Amazon, anderen Handelsunternehmen oder Transportunternehmen und Verkehrsbetrieben.

E-Commerce wächst schneller als stationärer Handel

In allen acht untersuchten europäischen Länder nimmt der stationäre Einzelhandel zu. Der E-Commerce wächst zwar schneller, macht aber dennoch derzeit im Durchschnitt nur 11 Prozent (251 Milliarden Euro) des gesamten Einzelhandelsumsatzes aus. In den zehn Jahren von 2010 bis 2019 machte der E-Commerce, nach einem jährlichen Wachstum um 15 Prozent, 50 Prozent des gesamten Einzelhandelswachstums aus (174 Milliarden Euro).

„Der E-Commerce hat sich in den untersuchten Ländern in unterschiedlichem Maße durchgesetzt, wobei der Anteil an den gesamten Einzelhandelsumsätzen zwischen 5 und 20 Prozent lag. Die Kategorien mit der höchsten Durchdringung sind jedoch in den untersuchten Ländern weitgehend identisch (Hobby und Freizeit, Elektronik und Mode), was auf eine fortschreitende Konvergenz in Europa hinweist“, fand die Studie heraus.

E-Commerce und Covid-19

Nachdem der E-Commerce zwei Jahrzehnte zweistelliges Wachstum durchmachte, bleibt abzuwarten, wie er sich nach dem Krisenjahr 2020 entwickelt. In dieserm Zeitraum spielte er eine entscheidende Rolle, während viele Geschäfte Lockdown-bedingt vorübergehend geschlossen waren.

„Die Covid-19-Krise hat die Verbreitung des Onlinehandels in allen acht europäischen Ländern beschleunigt. Der Anstieg der Online-Verkäufe von 2019 bis 2020 war dreimal so hoch wie von 2018 bis 2019. Der Einfluss der Pandemie auf die Einzelhandelsumsätze ist unterschiedlich, wobei der Einzelhandel in vier der untersuchten Länder wächst und in den anderen vier zurückgeht, was im Wesentlichen die Lockdown-Maßnahmen der einzelnen Länder widerspiegelt. Die volle Auswirkung auf den physischen Einzelhandel kann noch nicht gemessen werden“, resümiert die Studie.

Umweltauswirkungen des Onlinehandels

Die Studie kommt zu dem vielleicht etwas überraschenden Ergebnis, dass der E-Commerce in Europa im Durchschnitt eine insgesamt geringere Umweltbelastung als der physische Non-Food-Handel - also Produkte wie Bücher, Unterhaltungselektronik und Bekleidung - verursacht.

„Das beinhaltet den Weg von der Produktionsstätte bis nach Hause, einschließlich der Faktoren, die bei E-Commerce und physischem Einzelhandel unterschiedlich sind, wie zum Beispiel Transport, Verpackung und der Energieverbrauch von Gebäuden. Die Produktion wird nicht berücksichtigt, da ihre Auswirkungen unabhängig vom Vertriebsmodell ähnlich sind“, erklärt die Studie.

Onlinehandel verursacht mehr CO2E-Emissionen

Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass der Non-Food-Offline-Handel im Durchschnittsszenario 1,5 bis 2,9 Mal mehr CO2e als der E-Commerce verursacht. Als Durchschnittsszenario wird eine Vielzahl von Verhaltensweisen der Verbraucher bezeichnet wie zum Beispiel die Nutzung eines Autos für physische Einkäufe in 50 Prozent der Fälle, die Rückgabe einiger Produkte und den Kauf mehrerer Produkte im Verlauf einer Fahrt und Konfigurationen von Lieferketten (z. B. grenzüberschreitende Bestellungen).

Im Basisszenario verursacht die Fahrt zu einem physischen Geschäft das Drei-bis Sechsfache an CO2e als die Online-Bestellung eines Non-Food-Produkts. „Der Normalfall ist als „die am häufigsten auftretende Situation“ definiert, bei der ein Verbraucher zu einem Geschäft fährt, ein Produkt kauft und es nicht zurückgibt. In diesem Fall liegen die Emissionen in Europa bei 4.100 g CO2e für die Fahrt zu einem Geschäft und bei 900 g CO2e im Fall einer Online-Bestellung“, so die Studie.

Sie lässt aber außer Acht, dass nur wenige Verbrauche gezielt in ein Geschäft fahren - häufiger ist der Fall eines Einkaufszentrums oder einer Fußgängerzone, in der der Einkauf von Non-Food- mit Food-Artikeln kombiniert wird. Viele Verbraucher benutzen inzwischen auch umweltfreundliche Transportmöglichkeiten wie öffentliche Verkehrsmittel, das eigene Fahrrad oder andere.

Verpackung

Auch was die Verpackungsberechnung angeht, ist das Ergebnis fragwürdig, denn der Onlinehandel verbraucht bei einer Sendung rund sieben Mal mehr Verpackungsmaterial. Im Durchschnitt machen Versandverpackung in Deutschland stolze 800.000 Tonnen Papier, Pappe, Karton und Kunststoff im Jahr aus. Zudem fallen Heizung und Beleuchtung, die hier für Geschäfte eingerechnet werden, auch in Lagern und Büros an.

„Im Durchschnitt verursacht der Kauf eines Buches in einem physischen Geschäft das 1,6-Fache der Emissionen gegenüber einem Kauf über E-Commerce. Für ein Kleidungsstück beträgt das Multiplikatorverhältnis 2,9. In den acht Ländern sind die CO2e-Emissionen zusammengenommen ähnlich, wenn ein Buch oder ein Artikel aus der Unterhaltungselektronik online oder in einem physischen Geschäft gekauft wird, das zu Fuß erreicht wird (jeweils etwa 700 g CO2e). Ein Bekleidungsstück, das beim Besuch eines Geschäfts gekauft wird, verursacht immer noch das 2,0-Fache der Emissionen eines Online-Kaufs — hauptsächlich aufgrund des Energieverbrauchs des Geschäftsgebäudes (Heizung und Beleuchtung, die für den Raum benötigt werden, in dem die Produkte zugänglich gemacht und ausgestellt werden)“, fasst die Studie zusammen.

Ausblick

„Der Offline-Handel wird auch in zehn Jahren noch mindestens zwei Drittel des Einzelhandelsumsatzes ausmachen — bei einer Annahme von Wachstumsraten für den E-Commerce zwischen 10 und 15 Prozent. Die Unterschiede zwischen Online- und OfflineHandel sowie zwischen Dienstleistungen und Waren werden zunehmend verschwimmen, während das Omnichannel-Shopping zunimmt und neue Formen annimmt. Es werden sich neue Trends wie Social Commerce und nachhaltiger Handel entwickeln. Große und kleine Einzelhändler werden investieren müssen, um sich anzupassen“, rät die Studie.

„Der Einzelhandel ist im stetigen Wandel. Einzelhändler haben sich als Meister der Anpassung und Innovation erwiesen, und die aktuelle digitale Transformation scheint keine Ausnahme zu sein. Während dieser Bericht die relativen Auswirkungen der verschiedenen Einzelhandelskanäle aufzeigt, sollte er auch als Appell dienen, die nächste Entwicklungsstufe des Einzelhandels zu ebnen — in Richtung einer klimaneutralen Branche“, schließt die Studie.

Die Fragestellung der Studie, ob der E-Commerce gut für Europa ist, ist müßig, da er eine moderne Entwicklung ist, die sich nicht mehr aufhalten lässt. Die Frage sollte vielmehr sein, wie der Onlinehandel Fehler des stationären Handels vermeiden kann, etwa in Bezug auf die Umweltauswirkungen - gerade im Bereich Verpackung - und auf das Einkaufsverhalten der Kunden wie etwa Retouren. Die Ergebnisse sollten also unter dem Aspekt betrachtet werden, wer die Studie in Auftrag gegeben hat.

Foto: Stringer Imaginechina via AFP

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