Revival oder Ladenhüter? Deutsche Modebranche im Umbruch
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Hiobsbotschaften haben in der Modebranche derzeit Hochsaison: Die Muttergesellschaft der Adler-Modemärkte, Steilmann, meldet nicht mal ein halbes Jahr nach ihrem Börsengang Insolvenz an, Gerry Weber entlässt jeden zehnten Mitarbeiter und Hugo Boss verschreckt seine Aktionäre zu Jahresbeginn mit einer Gewinnwarnung.
Boss-Chef Claus-Dietrich Lahrs musste seinen Posten räumen. Dabei galt das Edel-Label aus Metzingen lange Zeit als Vorzeigeunternehmen der Branche.
Waren es zunächst vor allem kleinere Mittelständler, die angesichts des Siegeszugs der Onlinehändler oder der Konkurrenz internationaler Billigketten wie H&M und Primark einknickten, geraten nun zunehmend die Platzhirsche in Bedrängnis. Die Gründe dafür sind so buntgemixt wie die Branche selbst.
Den großen Modeunternehmen setzte im vergangenen Jahr vor allem das wegbrechende Russland-Geschäft zu. Der starke Dollar sorgte für zusätzlichen Druck. Eine Krise der deutschen Modebranche will Hauptgeschäftsführer Thomas Rasch von GermanFashion allerdings nicht sehen.
Umbruch in der Deutschen Modebranche
Nicht zu unterschätzen sei der Faktor Wetter, sagt Axel Augustin vom Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels BTE. Passen die mit Vorlauf georderten Waren nicht zur Wetterlage, bleiben die Regale voll - schmerzhafte Rabatte sind die Folge. «Derzeit ist es der späte Frühling», meint Augustin. Der Textilverband hofft 2016 auf ein kleines Umsatzplus. Bislang hinkt die Branche diesem Ziel noch hinterher.
Ein weiteres Problem sind Augustin zufolge die leeren Innenstädte. Wer nicht mehr bummelt, sondern online shoppt, lässt sich auch weniger zu Spontankäufen hinreißen. Da immer mehr Bekleidungshersteller durch den Aufbau eigener Läden selbst Händler sind, können sie ein Lied davon singen.
Gerry Weber und Tom Tailor wollen bereits Filialen schließen. Auch Hugo Boss macht Standorte dicht - insbesondere in China, wo der MDax-Konzern in den vergangenen Jahren stark expandiert hat. In Europa legte der konzerneigene Einzelhandel 2015 zwar um zwölf Prozent zu, allerdings kam der Zuwachs vor allem von Märkten außerhalb Deutschlands.
Nach Ansicht von Oliver MacConnell von der Berliner Fashion Practice Academy ist Hugo Boss zu sehr dem Zauber der eigenen Läden erlegen. Diese versprechen zwar mehr Profit als der Weg über den Großhandel, verschlingen aber auch viel Geld. «Die Priorität war eindeutig Zuwachs um jeden Preis», sagt MacConnell, der Modemanagement an der privaten bbw Hochschule in Berlin lehrt. In der Folge habe sich Boss nicht mehr ausreichend auf Produkt und Profitabilität konzentriert. Die Zahl der konzerneigenen Einzelhandelsgeschäfte weltweit hat sich seit 2008 von 330 auf knapp 1700 im Jahr 2015 verfünffacht.
Doch die bloße Präsenz in Fußgängerzonen oder Einkaufszentren reicht nicht. Insbesondere im höheren Premiumsegment müssten die Läden einladend gestaltet sein, sagt MacConnell. «Die Leute wollen etwas erleben. Sie müssen Lust haben, ihre Zeit dort zu verbringen. Das ist teuer.» Und noch etwas sei wichtig: Die Modekonzerne müssten sich auf ihre Kerntugenden besinnen. Bei Hugo Boss gehörten dazu qualitativ hochwertige, preislich angemessene Produkte in der Herrenkonfektion «mit einer eindeutigen, ausgewogenen stilistischen Handschrift.»
Das könnte bei den Metzingern bald wieder der Fall sein. Nach Lahrs musste nun nämlich auch Markenvorstand Christoph Auhagen vorzeitig gehen. Seine Nachfolge soll Tommy-Hilfiger-Manager Ingo Wilts bis November antreten.
Für Analyst Christian Schwenkenbecker von der Privatbank Hauck & Aufhäuser ist der Wechsel ein Indiz, dass Männermode bei Boss bald wieder eine größere Rolle spielen wird. Der Konzern habe in der Vergangenheit überproportional viel Geld in die Damenmode gesteckt. Wilts hatte bereits zwischen 2000 und 2009 als Direktor für die Herrenlinie «Boss Menswear» gearbeitet. Möglicherweise reißt er das Ruder herum und führt den Konzern zurück auf den Wachstumspfad. (DPA)
Foto: Gerry Weber, TomTailor, Steilmann Facebook