Menswear-Buyer sehen Nachholbedarf bei festlicher Kleidung, Zurückhaltung bei Business
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Trotz vorherrschender Pandemie und Planungsunsicherheit versuchen Buyer positiv in die Ordersaison SS22 zu blicken und die Altlasten, die in den Lockdowns liegengeblieben sind, nicht mitzuschleppen.
Drei Einkaufsexperten von den Modehäusern Weingarten, Zinser und Frey sprachen Menswear-Talk der Digital Fashion Week Europe darüber wie sich die Planung für die Order verschiebt, in welchem Bereich sie Nachholbedarf sehen und wie sie mit Saison-Verschiebung umgehen.
So starten Buyer in die Ordersaison
Die Planung für die aktuelle Ordersaison startet deutlich später, da war sich die Runde einig. Das liegt daran, dass die Händler nicht direkt nach der Wiedereröffnung der Geschäfte damit starten und die aktuelle Sommersaison noch so lange wie möglich einfließen lassen wollen, um auch die Abverkäufe noch abzuwarten. Sie haben daher gerade erst mit der Planung angefangen, die noch bis in den August hinein geht.
Theresa Weingarten, Geschäftsführerin des Kölner Plus-Size-Filialisten Weingarten, geht realistisch und vorsichtig in die kommende Saison und glaubt nicht daran, dass sich die Umsätze auf ein Vorkrisenniveau stabilisieren. Für SS22 plant sie die folgende Budgetverteilung:„Wir werden versuchen die Limite in die Hochsommer-Phase zu verschieben, weil wir da im Halbarm-Bereich gute Umsätze generieren und haben eher das Problem der Altware im Langarm-Bereich”, sagte Weingarten am Mittwoch während Digital Fashion Week Europe.
Altware: In die neue Saison mitnehmen oder weggeben?
Beim Thema Altware spalten sich die Vorgehensweisen. So berichtet Zinser-Einkaufsleiter Wolfram Schur, dass Zinser “sich sehr konsequent” davon getrennt habe, um so viel neue Ware wie möglich anzubieten, positiv in die neue Saison zu starten und auch etwas mehr Spielraum zu haben. Frey plant dabei sogar schon auf dem Niveau von 2019 einzukaufen, rechnet allerdings auch mit einem moderaten Minus, sodass das Unternehmen “für alle Eventualitäten Handlungsspielraum” hat. Weingarten differenziert dabei zwischen High Fashion und Basics, die sie so im nächsten Jahr wieder einkaufen könnte. Sie würde diese Basics eher mit in die nächste Saison nehmen als sie zu spenden, da Weingarten aufgrund der Transport- und Beschaffungsproblematiken einen Anstieg der Einkaufspreise erwartet.
Nachholbedarf bei festlicher Kleidung
Für das kommende Jahr sehen die drei Buyer starken Nachholbedarf im Bereich der festlichen Kleidung, da sie auch davon ausgehen, dass abgesagte und verschobene Anlässe wie runde Geburtstage oder Hochzeiten nachgeholt werden. Dieser Bereich spielt besonders für die lokalen und stationären Händler eine große Rolle, da die Kundschaft mehr Wert auf die Beratung legt.
Der Businessbereich sei dagegen immer noch verhalten, weil – trotz einer gewissen Rückkehr zum Arbeitsalltag mit Präsenztagen – Reisen ausbleiben und Konferenzen online abgehalten werden.
„Der klassische Anzug-Bereich wird runter gehen, davon sind wir felsenfest überzeugt. Ein Teil wird aber auch von dem Thema Anlass wieder aufgefangen”, so Schur. Außerdem geht er davon aus, dass sich neue Bereiche entwickeln werden, die den “Kombigedanken der Damenoberbekleidung” in die festliche Herrenbekleidung überschwappen lassen, wie es auch schon im Casual-Bereich passiert ist.
Beständigkeit statt Wachstum
Auch beim Umgang mit den Lieferanten scheinen sich die drei einig zu sein. Dabei rückt die Bindung und der intensive Austausch mit den Lieferanten in den Vordergrund. Für Weingarten spielt dabei auch die Erkenntnis, dass es aktuell mehr um Beständigkeit als um Wachstum geht, eine wichtige Rolle.
„Wir haben in den vergangenen Jahren viel unter Druck gearbeitet. Wir wollten immer weitere Ziele, höhere Ziele, höhere Umsätze erzielen […] Corona hat uns gelehrt, dass wir ein bisschen mehr Druck raus lassen müssen, um am Ende die besseren Konzepte zu erarbeiten, die uns insgesamt schneller ans Ziel bringen”, sagte sie
Das erfordere aber auch eine gewisse Flexibilität zwischen Lieferant und Händler, sodass Order auch kurzfristig getätigt werden können, um auf ”Renner” zu reagieren. Dafür benötigt es laut Schur aber auch Sicherheit, die die Händler den Lieferanten geben müssen. „Das würde uns unglaublich helfen diese nächsten Steps nach vorne zu machen – das In-Season Thema wird wichtiger”, so Schur.
Regionale Unterschiede in der Saison-Verschiebung
Im Mai letzten Jahres startete ein offener Brief an die Modebranche die Diskussion um die Verschiebung von Saisonterminen.
Die Modehäuser Frey gehen mit dieser Bewegung und “versuchen Hochsommer-Ware aktuell noch nicht anzufassen”, so Martin Kiener, Einkäufer bei Frey. Der ostbayerische Händler führt gerade eine Stammkunden-Aktion durch, bei der Übergangsware besonders rabattiert wird, um die Kleidung zu vertreiben, die er gerade vertreiben will und nicht schon mit der Sommerware zu beginnen.
„Thema Saison-Verschiebung: Wenn wir es dieses Jahr nicht schaffen die Saison weiter nach hinten raus zu schieben, wann wollen wir es dann schaffen?”, so Kiener.
Ganz anders sieht es Weingarten, die “aus der Großstadt” berichtet: „Ich brauch jetzt keine dicken Pelzjacken im Juni […] aber die Saison künstlich zu verlängern, wie wir es im vergangenen Jahr versucht haben – dass wir dann versuchen im September noch ganz viele T-Shirts und Halbarm oder Bermudas zu verkaufen – das hat uns damals auch nicht ans Ziel gebracht.”
Das würde auch bedeuten, dass die Herbstware erst im Oktober auf der Verkaufsfläche präsentiert wird, wodurch der Weingarten-Chefin zur Beginn der Saison die neue Optik im Laden fehlt. Außerdem sieht sie Schwierigkeiten in der künstlichen Verlängerung der Saison, da die Kunden auch online einkaufen und die stationären Händler bei den großen Sales der digitalen Konkurrenz mitziehen müssen.
Weingarten: Verkauf über Online-Marktplätze ist unplanbar
Das Modehaus Weingarten hat seinen eigenen Onlineshop für Große Größen, für den es auch ein eigenes Limit – wie auch für jede der sechs Filialen – gibt. Aber beim Einkauf plant der Modehändler Online-Marktplätze nicht mit ein, weil das nicht planbar sei. Da schließt sich auch Kiener an, der die Plattformen nur für Problem-Warengruppen nutze.
„Wir wissen nicht welche Algorithmen, welche Vorgaben, welche Richtlinien die Plattformen zukünftig machen. Man ist da absolut abhängig und von daher kann man dafür auch kein Einkaufsbudget festlegen. Wer weiß welche Lieferanten dann da nächste Saison performen. Das werden wir, wenn überhaupt aus unseren Beständen beziehungsweise der Order, die wir für unsere Stammkunden tätigen, absortieren”, sagte Weingarten.