Local Commerce – liegt die Zukunft der Innenstädte im Internet?
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Spätestens seit die Stadt Wuppertal im letzten Jahr ihre lokale Online-Plattform „Online-City-Wuppertal“ pressewirksam im Internet gestartet hat, bemühen sich auch andere Städte darum, ihre Einkaufsstraßen ins Netz zu stellen. Vor wenigen Wochen ist Regensburg online gegangen, und auch für Essen gibt es konkrete Pläne.
Seit klar ist, dass sich ein eigener Online-Shop keineswegs für jeden Händler lohnt, wie das noch zu den Goldgräberzeiten des e-Commerce vor ein paar Jahren propagiert wurde, sucht der stationäre Einzelhandel nach neuen Strategien, wie er auf das geänderte Kaufverhalten der Verbraucher reagieren soll. Denn die Not der Innenstädte ist groß: Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Handelsforschung, Köln, bummelt jeder fünfte Innenstadtbesucher wegen des wachsenden Online-Angebots heute seltener durch die Einkaufsstraßen als früher. Der Kundenschwund betreffe große wie kleine Städte gleichermaßen. Da klingt es doch nach einer guten Idee, alle Händler einer Stadt zu einem lokalen Online-Shop zusammenzuschließen.
Wer nicht im Netz ist, existiert nicht
Zu den aktuell spannendsten Testmärkten des Local Commerce gehört das Regensburger Projekt auf der Webseite www.yategolocal.com/regensburg, das gemeinsam mit dem Münchener Technologieanbieter Yatego im Frühjahr 2015 gestartet ist. Yatego Local hat ein vollumfängliches digitales Spiegelbild der Regensburger Innenstadt im Internet mit über 1.000 Unternehmen erstellt. Dazu haben Yatego Local Scouts innerhalb von sechs Wochen alle wesentlichen Basisinformationen wie Bild, Adresse, Art des Gewerbes etc. erfasst und validiert. Insgesamt wurden 32.000 Quadratmeter Geschäftsfläche digitalisiert, das entspricht 98 Prozent der gesamten Regensburger Altstadt. Die Webseite ist im Stil einer Pinnwand gestaltet und will in wenigen Schritten zum Ziel führen. Sie informiert über Öffnungszeiten, Kontaktdaten oder über Produkte und spezielle Angebote, wie zum Beispiel den Mittagstisch in Restaurants oder Sales. Atmosphärische Bilder aus dem Inneren der Geschäfte sollen ein Gefühl für die Läden wecken und bei der Entscheidung helfen. „Unsere Kompetenz ist es, solche Datenmengen zu strukturieren und vor Ort zu validieren. Genau dafür haben wir skalierbare Technologien entwickelt“, kommentiert Ben Rodrian, Geschäftsführer der Yatego GmbH. Der Schlüssel zum Erfolg ist für Yatego die leichte Nutzbarkeit der Plattform, die auf eine starke Visualität setzt und natürlich auf die Vollständigkeit des Angebots. „Nur dann entsteht der Nutzen für Nutzer und Gewerbe“, so Rodrian weiter. „Denn wer nicht gefunden wird, der existiert in der Wahrnehmung der Kunden nicht – zumindest nicht in der digitalen Welt, die immer bedeutender wird.“
Auf der Website haben Einzelhändler und Dienstleister mit wenig Aufwand die Möglichkeit, ihr Geschäft als eigenes digitales Schaufenster zu gestalten und sich im lokalen Umfeld online und mobile zu positionieren. Dabei geht es im ersten Schritt ausschließlich darum, auf sich aufmerksam zu machen. Der Kauf soll nach wie vor im Geschäft stattfinden. Rodrian: „E-Commerce ist nicht für jeden Anbieter der Heilsbringer. Im Netz muss man sich dem Wettbewerb mit Spezialisten stellen und dann wird es immer ein Preisspiel. Das ist schade, denn die Vorzüge eines stationären Händlers – die sofortige Verfügbarkeit von Waren, die fachkundige Beratung und der Service – kommen so nicht zur Geltung. Und diese Vorteile gegenüber der Online-Konkurrenz spielen wir als Anwalt des lokalen Händlers für ihn aus. Das schließt den E-Commerce ja nicht aus, aber dieser Schritt soll zum richtigen Zeitpunkt für den Händler erfolgen, denn stationär und online sind häufig zwei komplette, getrennte Geschäftsbereiche.“
Über die Yatego Local Händler-App können Unternehmer ihr Profil mit Kernkompetenzen, Fotos und Suchbegriffen einfach und spielerisch selbst verwalten. Außerdem kann der Händler aus der App heraus in Sekunden ein Produkt oder Angebote promoten. Er braucht dafür kein Zeitbudget nach Ladenschluss oder einen PC-Zugang, sondern kann diese Aktivitäten per Handy direkt aus dem Laden heraus erledigen. Diese Funktionalitäten können in einem Premium-Paket über das Digitalvertriebsteam der Mittelbayerischen Zeitung hinzugebucht werden, die als lokaler Vermarktungspartner mit ins Boot geholt wurde. Sie bietet auch ein Paket, mit dem Unternehmen durch Printanzeigen in der Mittelbayerischen Zeitung die Reichweite zusätzlich erhöhen können.
Nur Internetpräsenz oder auch e-Commerce?
Mit der Ausklammerung der Kauf-Aktion hat sich Yatego für den „langsamen“ Weg entschieden, den stationären Handel ins Netz zu holen. Online-City Wuppertal beispielsweise, das als eine Kooperation zwischen der Wirtschaftsförderung Wuppertal und dem lokalen Marktplatzbetreiber Atalanda entstanden ist, bietet auch den Online-Verkauf an und verspricht Lieferkonzepte von Click&Collect bis hin zur Same-Day-Delivery über Fahrradkuriere. Ursprünglich war das Startup Atalanda mit dem Ziel angetreten, mit Salzburg und Hamburg ins Netz zu starten und schließlich sukzessive die wichtigsten Metropolen der Republik zu erschließen. Daraus wurde aber vorerst nichts. Mit der Realisierung von Wuppertal und den neuen Plänen, im kommenden Herbst Attendorn, Göppingen und Wolfenbüttel online zu stellen, korrigiert das Unternehmen die erste Strategie und setzt nun auf Städte deutlich kleinerer Größenordnung. Auch das Transaktionsvolumen blieb mit gerade einmal 100 Bestellungen in den ersten sechs Monaten unter den Erwartungen. Deshalb will Atalanda von der Fixierung auf Online-Transaktionen abrücken und neben der Provision auf Online-Verkäufe nun auch eine monatliche Grundgebühr von den Händlern erheben.
Mit der Online-Stellung der Essener Innenstadt geht nun ein dritter Technologieanbieter ins Rennen um die besten lokalen Märkte: Kauf.in. Kauf.in, ein Online-Marktplatz inklusive angeschlossener Android- und iOS-App, die vom Essener Beratungsunternehmen 360 Online Performance entwickelt wurde, ermöglicht ebenfalls den Kauf per Internet sowie bis 16 Uhr eine Same Day Delivery über eigene Vertriebspartner für eine Liefergebühr von 3,90 Euro. Mittelfristiges Ziel ist hier die Ausweitung des Geschäfts auf das gesamte Ruhrgebiert. Die Finanzierung des Online-Angebots läuft auch hier über eine Verkaufsprovision.
Welches Modell am Ende das Rennen macht, und ob es überhaupt nur ein einziges sein wird, ist noch nicht entschieden. Sicher scheint indes die Tatsache, dass ein derartiges Mammutprojekt wie die Digitalisierung einer Innenstadt nur mit engagierten kommunalen Partnern finanziell realisierbar ist. Der entscheidende Faktor wird am Ende aber der Konsument selbst sein und die Frage, ob es ihn wirklich interessiert, wo er einkauft und wem er sein Geld überlässt. Da sind sich die Experten keineswegs einig.