Kommissionsgeschäft: Geht das nicht anders?
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Noch vor gar nicht allzu langer Zeit war das Kommissionsgeschäft, bei dem der Lieferant das Absatzrisiko, das Forderungsausfallsrisiko und häufig auch das Versicherungsrisiko trägt, eine Ausnahme. Seit etwa acht bis zehn Jahren ist es jedoch ist es zum Normalfall geworden, dass insbesondere große Kaufhäuser keine Ware mehr kaufen, sondern diese nur auf Kommission nehmen. Geht das nicht anders?
Kleine Labels haben an den Risiken schwer zu tragen
Kleine Labels haben es schwer. Sie stemmen ihre Produktions-Auslagen, machen ihre PR, Marketing, Vertrieb und Design entweder selbst oder müssen von ihren unsicheren Einnahmen jemanden bezahlen, der ihnen diese notwendigen Bemühungen abnimmt. Nun ist die Kollektion fertig und bereit zum Ausliefern. Der Designer bräuchte dringend die Einnahmen aus dem Verkauf, um die nächste Kollektion produzieren zu lassen, doch der Handel macht ihm einen Strich durch diese Rechnung. Denn dieser nimmt ihre Ware nur auf Kommission an. Kommission bedeutet, dass den Labels Platz auf der Fläche eingeräumt wird — was oft schon ein großer Erfolg für das Label ist — doch von den Labels verlangt wird, sie bei Nichtverkauf zurück zu nehmen. Im Verkaufsfall bekommen die Händler einen Anteil vom Verkaufspreis, bei Nichtverkauf sind sie aus dem Schneider.
Für den jungen Modemacher gibt es also keine Planungssicherheit. Im schlimmsten Fall kann es sein, dass er die Kollektion am Ende der Saison vollständig zurück bekommt und diese stark rabattieren muss, um wenigstens seinen Einsatz zurück zu bekommen. Auch an den Stellschrauben des Verkaufsanteils oder der Rücknahmemodalitäten wird gerne gedreht – je größer der Name des Händlers, desto ‚besser’ müssen die Konditionen sein, die der Lieferant dem Händler anbietet.
Anders herum können große, umsatzstarke Brands den Kaufhäusern ihre Konditionen diktieren. So muss eine bestimmte Bandbreite an Größen abgenommen werden, auch wenn der Händler bereits zuvor weiß, dass er diese nicht zum Schwarzpreis verkaufen wird. Gerade, wenn es um It-Bags geht, ist es üblich, dass der Händler zusätzlich einige Ladenhüter abnehmen muss, um das begehrte Stück überhaupt führen zu dürfen.
Nicht nur Ivan Mandzukic, Designer und Inhaber des Berliner Herrenmodelabels Ivan Man findet das unfair. „Das schlimmste am Kommissionsgeschäft ist für mich, dass die Verkäufer nicht gut auf mein Label gut geschult sind. Außerdem verschwindet immer ein Teil der Ware auf mysteriöse Weise. Den Ausfall muss dann ich tragen.“ Er lasse sich nur noch auf Kommissionsgeschäft ein, wenn er eine direkte Möglichkeit der Einflussnahme habe, so der Designer weiter. „Aber eigentlich ist es mir mittlerweile lieber, nichts zu verkaufen, als etwas in Kommission zu geben. Man hat nur Ärger.“
Das Geschäft hat sich grundlegend verändert
Thomas Lange, Geschäftsführer GermanFashion, erklärt die Entwicklung folgendermaßen: „Früher kaufte der Handel per Kaufvertrag die Waren vom Lieferanten und musste diesem innerhalb des vereinbarten Zahlungsziels den Kaufpreis bezahlen. Das Risiko, die Ware zu verkaufen, lag mit Abschluss des Kaufvertrages beim Handel. Wöhrl und Breuninger haben vor circa zehn Jahren begonnen, die „vertikale Partnerschaft“ einzubringen: Depotverträge, Concession, Konsignation, Kommission – kurzum, das Absatzrisiko des Händlers wurde mehr und mehr auf den Lieferanten übertragen. Der Absatz der Produkte an den Händler ist danach in der Regel erst dann verbindlich, wenn der Handel seinerseits die Ware an den Endverbraucher verkauft. Wenn sie nicht verkauft wird, muss der Lieferant die Ware zurücknehmen und sie anderweitig verwerten.“ Dies sei aber nicht per se schlecht, fügt er hinzu. „Lieferanten und Handel haben sich auf diese Modelle mittlerweile gut eingestellt“, erklärt Lange weiter.
Handel als Inkubator und Testballon
Insbesondere am Anfang ihrer Karriere müssen junge Designer beweisen, dass sie Ansprüche an Design und Qualität erfüllen und sich zugleich am POS gut verkaufen. Das Risiko ist hier für den Handel besonders hoch. Es ist schwer, die Konsumenten von einem unbekannten Namen zu überzeugen, gerade dann, wenn der Preispunkt hoch ist. Katrina Ryback, die mit ihren zwei Concept Stores in Berlin unter dem Namen Studio183 insbesondere junge Designer verkauft, sieht sich als Inkubator für junge Labels. Wichtig ist ihr, den Designern ein detailliertes Kundenfeedback und Verbesserungsvorschläge zu geben, damit die Labels weiter wachsen können. So hilft sie ihnen, Ihre Kollektionen in den ersten Saisons zu verbessern. Die Designer zahlen ‚Stangenmiete’ für einen Platz in ihrem Laden und geben zusätzlich 30 Prozent vom Verkaufspreis an den Laden ab. „Einige unserer Labels sind sehr erklärungsbedürftig. Wir können das hier leisten, weil wir die Labels gut kennen. Als Test, wie die Kollektionen im Markt ankommen, sind sie bei uns gut aufgehoben. Dafür ist Kommission auch sinnvoll. Eine Alternative zu Kommission bzw. Conzession haben wir aber leider auch nicht parat.“
Enge Zusammenarbeit und Zielgruppenbestimmung
Die Zeit und die Gepflogenheiten arbeiten in der Brache gegen kleine Labels, gleichzeitig ächzt der Handel unter rückläufigen Verkaufszahlen und der Konsument vermisst Inspiration und Innovation. Inga Ferlemann befindet mit ihrem auf Seidenblusen spezialisierten Label empathie72 im dritten Gründungsjahr. „Man muss etwa sechs Kollektionen produziert haben, bevor große Kaufhäuser einen überhaupt ernst nehmen und einem vertrauen. Diese sechs Saisons muss man aber erst einmal finanziell überleben. Es geht viel Geld in die Produktentwicklung. Ohne Investor ist das beinahe unmöglich. So, wie das Business aktuell läuft, entscheidet darüber, ob man auf dem Markt bleibt nicht, ob man ein gutes Produkt herstellt, sondern wie finanzstark man ist.“
Sie hat gute Kontakte in der Branche, erzählt Ferlemann weiter. Nach einer Ausbildung bei Ludwig Beck in München verstünde sie, wie Einkäufer denken und dass auch deren Beruf immer fordernder werde: „Viele Einkäufer machen es sich einfach und bestellen, wo sie immer bestellen. Die Einkäufer haben heute auch ein größeres Sortiment zu verwalten und haben daher gar keine Zeit mehr, sich über neue Labels zu informieren. Gleichzeitig sterben die Spezialisten aus. Viele Firmen haben sich gleichzeitig diversifiziert. Die Einkäufer kaufen dann alles aus einer Hand. Das ist natürlich einfacher für sie.“ Die Lösung liegt für Ferlemann in einer engeren Zusammenarbeit zwischen dem Handel und den Labels. „Was der Handel eigentlich braucht, ist eine engere Zusammenarbeit mit den Labels. Wir müssten uns besser miteinander abstimmen und kurzfristige, bedarfsorientierte Lieferungen verabreden. Dann ordert der Handel nicht mehr am Bedarf vorbei und wir bleiben nicht auf unseren Kosten sitzen. Davon profitieren alle, auch der Kunde, der nicht mehr überall das gleiche Angebot vorgesetzt bekommt.“
Sich auf Kommissions-, Konsignations- oder Concessionsgeschäfte einzulassen, scheint also für junge Labels oft die einzige Möglichkeit, im Handel neue Kunden zu erreichen und es auf die Fläche größerer Kaufhäuser zu schaffen. Wer dieses Risiko eingeht, sollte aber daran denken, einen Vertrag aufzusetzen, in dem sowohl der Haftende bei Diebstahl als auch ein genauer Rückgabezeitpunkt der Ware festgelegt ist.
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