Internet World 2015: Die Trends in der Digitalisierung des Handels
Wird geladen...
Wie sieht der Handel der Zukunft aus, welche Ideen und Technologien setzen sich durch und für wen machen sie überhaupt Sinn? Diese Fragen standen im Fokus der Internet World Messe, die in dieser Woche in München zu Ende gegangen ist.
Digitale Technologien werden das Einkaufserlebnis im stationären Handel radikal verändern und die Verkaufskanäle immer enger miteinander vernetzen, so der Tenor der Internet World, die in diesem Jahr mit 14.700 Besuchern aus 37 Ländern den zehnten Besucherrekord infolge und ein Wachstum gegenüber dem Vorjahr von 13 Prozent erreichte. Neben den knapp 350 Fach-Ausstellern und Sponsoren bot die Messe zahlreiche Highlights, um Expertenwissen aus erster Hand zu erfahren. Auf insgesamt fünf Infoarenen fanden täglich praxisnahe Vorträge zu allen relevanten Themen des E-Commerce statt. Zusätzlich gaben über 70 internationale Speaker auf dem parallel zur Messe veranstalteten Internet World Kongress ihr Wissen weiter. „Diese enge Verknüpfung von Ausstellung und Expertenwissen gibt einen sehr guten Überblick über die aktuellen Trends“, so eine Besucherin von Marc Cain. „Man bekommt hier in sehr kurzer Zeit sehr viel Input.“
Neue In-Store Technologien
Experten sind sich einig, dass schon im Laufe der nächsten fünf Jahre viele der heute noch futuristisch anmutenden Technologien zum Alltag gehören werden. Als besonderer Besucher-Magnet erwies sich daher das von der Messe erstmals initiierte Messeformat „Zukunfts-Technologien zum Anfassen“. Messebesucher konnten beispielsweise den eigens für die Messe in Zusammenarbeit mit Ausstellern errichteten „Internet World-Shop“ besuchen, der als Showroom für den stationären Handel der Zukunft innovative Technologien von morgen zeigte und zum Ausprobieren animierte. Gezeigt wurden z.B. intelligente Warenregale, die mittels Sensorik erfassen, welche Waren aus dem Regal entnommen wurden. Der Händler erhält dadurch Informationen zum Kundenverhalten in der Fläche, die helfen, das Produktsortiment und die Warenauslage im stationären Handel zu optimieren. Terminals in der Kabine helfen dem Kunden unter anderem dabei, das Sortiment des Ladens aus der Kabine heraus zu überblicken und Kontakt mit einem Berater aufzunehmen. Zudem wurden mobile Payment-Terminals, QR-Code Shopping oder Click & Collect Lösungen vorgestellt. Auch die Beacon-Technologie, die im letzten Jahr als das neue IT-Tool des stationären Handels präsentiert wurde, konnte getestet werden. Dabei registrieren im Laden platzierte Sensoren das Smartphone des Kunden über eine von ihm aktivierte App. Der Kunde erhält dann z.B. Navigation durch den Store, kann gezielt nach Artikeln suchen oder erhält personalisierte Rabatte. „Damit wird es möglich“, so Florian Hermsdorf, Senior Projektmanager im E-Commerce Competence Center der Otto Group, „auch im stationären Handel die Daten über das Kundenverhalten und die Customer Journey zu bekommen, die man im Internet-Handel schon lange nutzt.“ Sport Scheck, Tochter der Otto Group, habe die Technologie gerade in den Filialen „vielversprechend“ getestet, erklärt Hermsdorf weiter.
Kritiker bemängeln allerdings die Notwendigkeit, die Technologie über eine App aktivieren zu müssen. „Das ist eine riesige Hürde für den Kunden“, sagt Sven Haiges, Stratege beim Technologie Labor Hybris Labs. Das bedeutet allerdings nicht das Aus für die Idee des In-Store-Trackings, es wird stattdessen nach neuen Lösungen gesucht.
Datenbrillen
Auch Datenbrillen standen für Besucher zum Testen bereit. Obwohl sich Google kurz nach der Einführung seiner ersten Datenbrille im letzten Jahr schon wieder offiziell von der Technologie verabschiedet hat, ist die Brille, nach Ansicht von Experten, längst mehr als ein Gadget. „Die Datenbrille ist keine Spielerei mehr“, so eine Sprecherin der Messe. „Im Bereich Logistik und Tourismus laufen bereits die ersten, vielversprechenden Pilotprojekte, beispielsweise bei DHL und TUI.“ Auch im Bereich Shopping gibt es bereits erste Ideen, so zeigte ein Hersteller in der Brille einen virtuellen Taschenshop, in dem sicher der „Besucher“ frei bewegen, umschauen und sogar kaufen kann.
E-Commerce lohnt sich nicht
Dass E-Commerce aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist, ist unstrittig. In welchem Umfang es aber für einen stationären Händler heute Sinn macht, es in das eigene Businessmodell zu integrieren, darüber wurde offener als gewohnt gesprochen. Viele Online-Shops befinden sich derzeit in der Sanierungsphase, viele davon haben sich nie gerechnet. Sowohl das Internetbusiness als auch der Handel haben in den letzten Jahren viel dazu gelernt. „das Problem waren viel zu hohe Umsatzerwartungen“, erklärt Markus Diekmann, E-Commerce Spezialist und Autor des Buches „E-Commerce lohnt sich nicht“. Diekmann: „Das führte dazu, dass viel zu teure und ineffiziente Systeme installiert wurden.“ Wer heute einen Online-Shop betreiben will, so sein Fazit, müsste dafür eine ganz eigene Strategie finden. „Das gleiche anzubieten wie Zalando“, so Diekmann, „macht keinen Sinn. Man muss klein und clever denken, aber skalierfähig für weiteres Wachstum.“ Zu einem ähnlichen Ergebnis kam die Diskussionsrunde mit großen Münchner Traditionshäusern. Ludwig Beck, Lodenfrey, Sport Schuster und Betten Rid hatten ihre Internet Experten entsandt, um gemeinsam mit der E-Commerce Agentur Norisk darüber zu sprechen, ob und wie ein Online-Shop für sie sinnvoll ist. Dabei stellte sich heraus, dass die einzelne Umsatz-Betrachtung für einige der Münchner Traditionshäuser durchaus negativ ausfällt, der Shop aber hinsichtlich der Kundenbindung und fürs Marketing dennoch von großer Bedeutung sei. „Leider lassen sich diese Effekte aber nicht messen“, schloss Ralf Mager, E-Commerce Leiter von Lodenfrey.
Geschrieben: Regina Henkel