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Galeria rollt Warenhaus 2.0 aus: „Wir haben vor, uns noch zu beschleunigen.”

Von Weixin Zha

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Einzelhandel |INTERVIEW

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Mit modernen Kaufhäusern will Galeria punkten. Drei Beispiele dafür stellte der Warenhauskonzern vergangenen Herbst in Frankfurt, Kleve und Kassel vor. Die Eröffnung der komplett umgebauten Filiale in Euskirchen in dieser Woche markiert nun den Start der Modernisierungen, die Galeria unter der Strategie 2.0 innerhalb von fünf Jahren umsetzen will. Ein Besuch und Interview vor Ort.

Baugerüste und Bohrlärm in der Fußgängerzone erinnern immer noch an die Flutschäden im nordrhein-westfälischen Euskirchen, als die ehemalige Kaufhof-Filiale am Dienstag ihr aufgefrischtes Interieur und Sortiment als Galeria präsentiert. Auch das Warenhaus wurde vom Hochwasser beschädigt, das Untergeschoss stand voll Wasser und musste runderneuert werden. Der Bürgermeister ist vor Ort und erinnert sich in seiner Rede zur Wiederöffnung daran, wie er schon als Kind durch das Warenhaus gelaufen ist.

Alles muss zur Eröffnung von Galeria in Euskirchen sitzen, da bleibt auch kein Unkraut stehen. Bild: FashionUnited

Das runderneuerte Warenhaus in Euskirchen mit einer Verkaufsfläche von 6200 Quadratmetern wirkt offener, die Gänge sind breiter und weniger Waren liegen in den Abteilungen. Galeria versucht diesen Moment der Eröffnung zu nutzen, um für ein modernes Image zu werben. Aber wird der traditionsreiche Konzern, mit dem viele in Deutschland aufgewachsen sind, die Wende und den Wandel schaffen, nachdem er jüngst eine zweite Runde an Staatshilfen bekommen hat?

Marc Cristofolini, Leiter Strategische Filialentwicklung und Umbauplanung bei Galeria, sprach mit FashionUnited über die Modernisierungen und darüber, ob der Konzern im Zeitplan liegt.

Galeria hat das Haus in Euskirchen modernisiert, warum haben Sie sich entschlossen das Haus nach den Flutschäden nicht zu schließen?

Marc Cristofolini: Euskirchen ist ein starker, wichtiger Standort für uns, ein sehr profitables Haus mit einem Einzugsgebiet von rund 280.000 Einwohnern und bester Lage in der Innenstadt. Es stand für uns außer Frage, das Haus aufzugeben. Stattdessen haben wir hier das Roll-out Galeria 2.0 gestartet und setzen damit unsere Strategie konsequent fort. Wir glauben fest an den Standort und das Team vor Ort.

Breitere Gänge und weniger Waren auf der Fläche – so sieht die Damenabteilung von Galeria in Euskirchen aus. Bild: FashionUnited

Worauf haben Sie in Euskirchen Wert gelegt?

Die Sortimente wurden im Sinne von “Trading up” und “Trending up” überarbeitet, beispielsweise bei den Handtaschen mit Tommy Hilfiger, Valentino und Calvin Klein direkt im Antritt oder KitchenAid und Moccamaster im Home-Bereich. Den Bedürfnissen vor Ort entsprechend hat die gesamte Damenwelt eine Aufwertung erfahren, besonders in die Schuh- und Strumpfabteilung wurde investiert.

Wie spiegelt sich das im Ladenbau wider?

Insbesondere die Öffnung der Fassade gewährt viel Tageslicht und sorgt damit für eine ganz neue Aufenthaltsqualität. Wir haben auf filigranen, leichten Ladenbau gesetzt, so dass die Sortimente viel mehr Raum und Bühne für sich haben. Wir haben komplett auf LED-Beleuchtung umgestellt und den Boden ausgetauscht, das sind für uns ganz wichtige Faktoren, um Modernität und Frische in die Warenhäuser bringen zu können.

Können Sie am Beispiel von Euskirchen erklären, wie Sie bei den Modernisierungen von Warenhäusern insgesamt vorgehen?

Es dreht sich um das Sortiment. Wir brauchen das richtige Angebot für uns am jeweiligen Standort. Das ist in Euskirchen anders als in einer anderen Filiale. In der gesamten Planungsphase schauen wir uns erst die Abteilungsgrößen und die Sortimentszuschnitte an. Auch schauen wir immer sehr genau, was zusätzliche Themen sind, die wir vor Ort spielen können. Hier in Euskirchen haben wir es mit dem Ahrwein auf der Aktionsfläche gesehen, mit dem wir ein lokales Thema ins Haus bringen. Dann befassen wir uns mit der gesamten Gestaltung des Hauses mit dem Ziel, dass unsere Kund:innen sich wohl und inspiriert fühlen. Dreh- und Angelpunkt ist immer das passende Sortiment für die Kundenstruktur vor Ort.

Galeria richtet das Sortiment stärker auf den Standort aus. Im Sport liegt der Fokus in Euskirchen am nördlichen Rand der Eifel auf Outdoor. Bild: FashionUnited

Heißt das für Warenhäuser wie Euskirchen, dass sich Galeria auch von Sortimenten trennt?

Wir passen unsere Häuser immer den lokalen Bedürfnissen vor Ort an. Wir schauen uns die Quadratmeterproduktivität an – wie viel Umsatz machen wir pro Quadratmeter. Wenn sich Sortimente in den letzten Jahren nicht so entwickelt haben, wie wir uns das vorstellen, wissen wir, dass es dafür am Ort nicht die entsprechende Nachfrage gibt. Daher haben wir uns hier in Euskirchen dafür entschieden, Herrenanzüge rauszunehmen. Wir schalten gleichzeitig aber auch neue Marken auf – in Euskirchen gab es Levi’s in der Herrenabteilung bisher nicht, eine beliebte, junge Marke, die hier wunderbar funktionieren wird.

Und die Denimmarke Levi’s gibt es an anderen Standorten bereits?

Genau, wir schöpfen dann aus unserem Portfolio und schauen, was hier vor Ort passt. Wir haben hier mit unserem Multilabelsystem auch die Möglichkeit, junge neue Marken in Zukunft ohne viel Aufwand aufzunehmen. In der Vergangenheit hatten Markenshops definierte Größen, wenn irgendwo eine Kollektion ganz besonders gut ist, kann ich da gar nicht darauf reagieren. Mit dem Multilabel-Ansatz haben wir die Flexibilität, stärker auf die Nachfrage vor Ort zu reagieren.

Sind die Markenpartner auch offen dafür?

Ja, sie sind sehr offen für die Multilabel-Konzepte. Wir haben selbstverständlich weiterhin Ankermarken mit ihren eigenen Shops im Haus. Es ist für den Markenpartner spannend, flexibel zu sein und sich nicht auf Größen festzulegen, die morgen schon nicht mehr passend sind.

Jeans statt Anzüge: Levi's gibt es neu in der Herrenabteilung, Anzüge keine mehr in Euskirchen. Bild: FashionUnited

Die Showcase-Filialen von Galeria:

  • Frankfurt: Die Filiale an der Hauptwache ist mit 30.000 Quadratmetern Verkaufsfläche ein Pilot für Galeria-Warenhäuser in den Metropolen: Mehr Marken im Premium- und Luxus-Bereich finden sich im Sortiment; eine Rooftop-Bar und ein Restaurant runden das Einkaufserlebnis ab. Eigenmarkenanteil: 15 Prozent.
  • Kassel: Das Warenhaus mit 17.800 Quadratmeter Verkaufsfläche steht für die Kategorie "Regionaler Magnet" mit einem Sortiment aus klassischer und moderner Ware. Erstmals gibt es einen Servicebereich für Bürgerdienste der Stadt Kassel im Warenhaus. Eigenmarkenanteil: 20 Prozent.
  • Kleve umfasst 6.000 Quadratmeter Verkaufsfläche als “lokales Forum”. Die Filialen im Nachbarschaftsformat machen den Großteil der Galeria-Häuser aus, in denen praktisch-orientierte Segmente den Hauptteil des Sortiments ausmachen und Produkte aus der Region angeboten werden. Eigenmarkenanteil: 30 Prozent.

Können Sie kurz zusammenfassen, welche Bedeutung die Modernisierung der Häuser für Galeria überhaupt hat und was sich das Unternehmen davon langfristig erhofft?

Sie ist extrem wichtig, weil wir uns immer wieder auf den Markt neu ausrichten wollen. Wir möchten mit den, für den jeweiligen Ort passenden, Sortimenten antreten und dazu müssen wir modernisieren. Wir können nicht wie im Lebensmittelhandel Dose eins gegen Dose zwei austauschen, sondern müssen wirklich in die Strukturen der Abteilungen eingreifen und den lokalen Markt analysieren. Die drei Showcases in Frankfurt, Kassel und Kleve haben sich in den letzten sechs Monaten trotz der anhaltenden Erschwernisse durch die Pandemie, die Schwierigkeiten der Lieferketten und nicht zuletzt den Krieg in der Ukraine, die alle erhebliche Auswirkungen auf den gesamten stationären Einzelhandel hatten, am Markt bewährt. Das zeigt ganz klar, dass unser Konzept funktioniert. Deshalb gehen wir jetzt den Schritt des Roll-out und investieren weiter.

Gutes Stichwort: Geld. 600 Millionen Euro will Galeria für die Modernisierung ausgeben, davon 400 Millionen Euro für Warenhäuser. Ist der Plan 60 Häuser umzubauen und die restlichen 71 Häuser zu modernisieren angesichts der jüngsten Staatshilfen noch aktuell?

Da arbeiten wir weiter dran. Die Planung für 2023 läuft gerade ins Konkrete. Wir haben einen Gesamtfahrplan für die kommenden fünf Jahre, wo die entsprechenden Filialen grob verortet sind und machen für jedes Jahr eine konkrete Ausplanung, welche Häuser es dann wirklich sein sollen.

Ankermarken wie Triumph in der Wäscheabteilung bleiben trotz des neuen Multimarkenkonzepts in der Filiale präsent. Bild: FashionUnited

Wie viele Investitionen in Euro wurden in Euskirchen getätigt?

Das ist ein nennenswerter Millionenbetrag, den wir investiert haben. Das sind auch die Werte, die wir in den anderen Häusern sehen. Wir schauen uns an, wie gut der Bestand vor Ort ist und haben daher keinen Pauschalbetrag für alle Häuser. Mit diesem Vorgehen und den Learnings aus den Showcases sind wir sehr zufrieden, auch wenn wir natürlich weiterhin immer bereit sind Optimierungspotenziale zu nutzen.

Das heißt Sie sind optimistisch, dass die bisher investierten Beträge eine gute Indikation für die benötigten Investition in die weiteren Häuser geben?

Genau, das ist eine Range, die wir auch bei uns so in der Planung verankert haben. An der halten wir weiter fest und arbeiten daran. Jetzt stimmt es noch, aber wir schauen gerade sehr aufmerksam darauf, wie sich die Rohstoffpreise entwickeln.

Wie gehen Sie mit den steigenden Preisen um?

Wir versuchen das zu adjustieren, indem wir nochmal am Konzept arbeiten, gucken wo wir optimieren können, dass wir in der Range, die wir für die jeweiligen Häuser definiert haben, auch bleiben können. Denn die stehen dem entgegen, was wir in den Häusern zurückverdienen können.

Kommt Galeria mit seinem Zeitplan für Umbauten und Modernisierungen voran?

Ich bin da optimistisch. Natürlich hatten wir durch die Pandemie-bedingten Shutdowns, die Schwierigkeiten der Lieferketten und nicht zuletzt dem Krieg in der Ukraine viele Rahmenbedingungen, die nicht einfach sind. Bei dem was wir aktuell in der Planung haben, fühlen wir uns sehr wohl und haben auch die Erfahrung, dass wir in den Häusern auch ohne Großumbau Dinge investieren und Themen nach vorne bringen können. Wir glauben, dass wir, was den Zeitplan anbelangt sehr erfolgreich unterwegs sein werden.

Was ist der bisher der konkret bekannte Zeitplan für den Umbau weiterer Häuser? Das Kaufhaus in Fulda soll noch dieses Jahr kommen.

Im Herbst. Zwei Standorte in Einkaufszentren werden mit einem neuen Konzept versehen. Dazu werden wir einen ganz neuen Showcase vorstellen. In München Marienplatz investieren wir auch. Und wir werden in Berlin Tegel noch in diesem Jahr eine ganz neue Filiale eröffnen. Wir planen bereits jetzt, was 2023 startet, weil wir teilweise schon diesen Herbst anfangen werden umzubauen, damit wir im Frühjahr die nächste Welle eröffnen können.

Apropos Digitalisierung: An diesem Bildschirm können Kund:innen schnell den Preis nachschauen. An der Kasse können Bestellungen werden und in den Umkleidekabinen nebenan schnell anprobiert werden. Bild: Galeria

Mit Euskirchen wurden bisher vier Filialen komplett umgebaut, mit Fulda wären es fünf Warenhäuser innerhalb eines Jahres. Planen Sie mit diesem Tempo fortzufahren?

Wir haben vor, uns noch zu beschleunigen, wenn sich auch die Marktbedingungen etwas normalisiert haben. Die Coronakrise und der Ukraine-Krieg – das sind natürlich alles Dinge, die starke Auswirkungen auf die Rohstoffe haben.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie sich Lieferkettenprobleme während der Pandemie bisher ausgewirkt haben?

Wir hatten zum Beispiel bei den Showcase-Filialen Riesenprobleme bei Bodenlieferungen, die lagen dann im Hafen in China. Den Boden, den wir geordert haben, haben wir nicht bekommen. Das sind Dinge, durch die wir umplanen müssen, das ist aufwändig und es entstehen Zeitverzögerungen. Das heißt wir bauen heute schon unter anderen Rahmenparametern als vor drei Jahren. Es ist weniger planbar – was sowohl den Zeitfaktor als auch die Kosten anbelangt. Darauf müssen wir immer reagieren, um trotzdem im Plan zu bleiben. Wenn sich das wieder normalisiert und wir wieder mehr Verlässlichkeit in den Abläufen haben, können wir dementsprechend noch weiter das Umbauprogramm hochfahren – was unser Plan ist.

Bis wann wollen Sie mit dem Komplettumbau der 60 Filialen fertig sein?

Wir planen erstmal für die nächsten fünf Jahre unsere Strategie und sind auch sehr zuversichtlich, dass wir es entsprechend auf die Straße bringen werden.

Strumpfwaren laufen bei Galeria in Euskirchen besonders gut. Bild: FashionUnited

Wie kommen die bereits getätigten Investitionen an?

Wir sehen, dass sich gerade Kassel und Kleve deutlich besser entwickeln als die Vergleichsfilialen. Wir sind sehr zufrieden und haben da beim Umsatz teilweise zweistellige Prozentpunkte, in denen die Showcases besser laufen als die Vergleichsfilialen. Das Kundenfeedback ist durchweg sehr positiv.

Galeria in Kürze

  • Mitarbeiter: rund 18.000
  • Aktuelle Filialenanzahl: 131
  • Im Oktober stellte der aus Karstadt und Galeria Kaufhof fusionierte Warenkonzern ein Modernisierungskonzept für seine Filialen vor. Im Januar brauchte Galeria eine zweite Runde an Staatshilfen über 250 Millionen Euro. Anfang 2021 half der Staat dem Warenhausriesen bereits mit 460 Millionen Euro, um die Folgen der Pandemie abzufedern. Diesen Monat wurde bekannt, dass sich Galeria aus Halle zurückziehen will.

Über den Umbau in Frankfurt scheint Galeria vergleichsweise weniger gerne zu sprechen.

Frankfurt ist ein toller Standort mit einem hohen Tourismusanteil – gerade aus Fernost. In Frankfurt haben wir circa 20 Prozent Umsatzanteil mit asiatischen Touristen gemacht und die sind momentan leider nicht da. Das können wir nicht ändern, wenn wir das aber heraus rechnen, sehen wir auch hier, dass Frankfurt ein Umbau ist, der sehr gut funktioniert.

Zum Schluss: Was nehmen Sie aus den Pilotfilialen bisher mit, sind Sie zufrieden?

In den letzten sechs Monaten haben unsere Showcases am Markt Erfolg gezeigt. Wir sehen, dass unser Konzept funktioniert. Daher ist Euskirchen jetzt der Startschuss des Roll-out in den Filialen. Wir sind sehr zufrieden mit der Art und Weise, wie wir die Sortimente zusammengestellt haben und wie wir sie dann auf der Verkaufsfläche präsentieren. Natürlich steuern wir auch, gerade in einzelnen Details, nach. Klar ist: Die Grundrichtung ist genauso positiv eingeschlagen, wie wir uns das gedacht haben.

So wichtig ist der Rollout der Modernisierungen bei Galeria. Geschäftsführer Miguel Müllenbach spricht zur Eröffnung vor dem Regal mit den Weinen aus der Region. Bild: FashionUnited
Galeria Karstadt Kaufhof
Marc Cristofolini