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Expertengespräche: Die Zukunft der Vertriebsmitarbeitenden in der Modebranche

Von FashionUnited

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Einzelhandel

LinkedIn Sales Solutions, Unsplash

B2B-Marktplätze, digitale Showrooms, mobile Apps und die Digitalisierung von Messen beschleunigen nicht nur die Modeindustire, sondern optimieren auch den Austausch zwischen Marken und Handel. Diese digitale Entwicklung wirkt sich auf die gesamte Wertschöpfungskette aus und verändert Berufe, insbesondere jene der Vertriebsmitarbeitenden.

Unabhängig davon, ob selbständig oder intern angestellt, sind Vertriebsmitarbeitende für die Beziehungen zwischen der Marke und Einzelhandel verantwortlich, aber auch für die Präsentation der Kollektionen in ihrem Gebiet und die richtige Platzierung der Marke in den Innenstädten. Sie sind das Auge und Ohr der Marken vor Ort, die die Konkurrenz und die Dynamik eines Sektors analysiert.

Wir haben uns mit den Akteur:innen des Modemarktes getroffen, von B2B-Marktplätzen bis zu Modeeinzelhändler:innen, um die Auswirkungen dieser digitalen Entwicklung auf den Beruf der Vertriebskräfte zu verstehen und herauszufinden, ob wir von einer ‚Uberisierung‘ des Marktes sprechen können oder nicht, wenn sich die Reisen der Außendienstmitarbeiter:innen sich in Videokonferenzen verwandeln.

VON

Florent Tamisier, Associate Director Mars Branding.

Julie Le Gall, Associate Director Mars Branding.

Mehr und mehr Marken arbeiten sowohl mit Handelsvertreter:innen als auch mit B2B-Marktplätzen

„Ich stimme nicht unbedingt der Aussage zu, dass die Digitalisierung die Menschen und Hilfsmittel wie Showrooms oder Messen ersetzen wird“, erklärte uns Pierre-Louis Lacoste, Mitbegründer des B2B-Marktplatzes Ankorstore. „Wir haben festgestellt, dass kleine unabhängige Läden nicht viel Interaktion mit Agent:innen oder dem Verkaufsteam hatten und dass vor allem die Großkund:innen bevorzugt wurden. Und sei es nur im Vertriebskalender einer Marke. Man wird zuerst seine Großkund:innen bevorzugen, um seine Produktionskapazitäten zu organisieren, das ist die 20/80-Regel: die restlichen 20 Prozent werden dazu dienen, die kleineren Kund:innen zu versorgen.“

Pierre-Louis Lacoste erklärt dann seine Absicht, die Beziehung zu diesen Kleinkund:innen zu vereinfachen und zu dynamisieren: „Dafür ist das Ankorstore-System ziemlich wertvoll, wir schlagen dem Vertriebsteam vor, mit Ankorstore zu werben und bei jeder Kontoeröffnung schenken wir den Einzelhändler:innen 100 Euro auf die erste Bestellung. Dies ermöglicht es dem Sales-Team, einen Vorschlag zu machen. Wir strecken die Versandkosten vor, kümmern uns um die Lieferung und es gibt 100 Euro Rabatt; wir sind immer noch das beste digitale Werkzeug, um Konten zu eröffnen.“

Die Einzelhändler:innen stellen ihrerseits die zunehmende Abwesenheit von Vertriebsmitarbeitenden in ihrem Bereich fest. Inès Aubrun, die Leiterin des Herren-Konzeptstores Aubrun Homme in Bourges, bemerkte, dass die Marken nicht mehr vor Ort sind und dass, obwohl die Abverkaufssraten sehr zufriedenstellend sind, der Mangel an persönlichen Beziehungen von Saison zu Saison spürbarer wird.

„Die Marken, die bei uns am besten funktionieren, bewegen sich nicht“.

Inès Aubrun, die Leiterin des Herrenkonzeptstores Aubrun Homme.

„Meine führenden Marken, meine Top Ten, Lacoste, Tommy, Ralph, es gibt nicht eine einzige, die sich bewegt“, bemerkte Inès Aubrun. „Ich denke, dass sie sich das nicht leisten können. Sie entwickeln ihre Boutiquen, ihre Internetseiten und sind sich nicht bewusst, dass wir die Arbeit machen. Lacoste haben wir seit Urzeiten, mit Ralph Lauren arbeiten wir seit über dreißig Jahren zusammen. Die Marken vergessen, dass es die Händler:innen und Verkäufer:innen sind, die die Arbeit vor Ort machen. Die DNA und die Werte einer Marke zu vermitteln, den Kund:innen die Produkte zu erklären, das ist die Aufgabe des Einzelhandels.“

Das gleiche Bild zeigt sich in Südfrankreich. Elisabeth Dreyfus betreibt ein Damenkonfektionsgeschäft in Angoulême mit dem Namen Elisa By Elisa und hat gerade ein American-Vintage-Franchise in der benachbarten Filiale eröffnet. Sie äußerte ihre Enttäuschung darüber, dass es in ihrem Bereich kaum noch Besuche vor Ort gibt, obwohl dies für die Sichtbarkeit in einem Stadtzentrum wichtig sein kann.

„Eine Marke, die mich wahrnimmt und mir ein wenig Aufmerksamkeit zeigt, ist eine Marke, die ich mehr als andere entwickeln werde, das ist klar.“

Elisabeth Dreyfus, Geschäft für Damenkonfektion Elisa By Elisa.

„Von den Marken, die ich führe, kann ich nicht sagen, dass sie wirklich in unsere Region kommen, das gibt es praktisch nicht mehr. Ich bedauere das. Es ist schade. Es gibt bestehende Beziehungen und vor allem ist es sehr wichtig, sich mit unserer Umgebung für die Marke vertraut zu machen und sich über unsere Lage in der Stadt zu informieren, denn es gibt nicht nur Paris oder die großen Städte. Ba&sh bewegt sich nicht mehr, Isabel Marant bewegt sich nicht mehr. Ich stelle jedoch fest, dass Zadig &Voltaire sich wirklich bemühen, sie sind sehr nah an uns dran. Sie kommen zu uns. Und das macht den Unterschied, wenn Sie Ihr Budget ein wenig kürzen müssen, gibt es immer noch den Beziehung, die eine Rolle spielt.“

Für die Einzelhändler:innen ist die Entwicklung klar und kann sogar als Vernachlässigung wahrgenommen werden. Aber ist dies wirklich negativ für die Gesundheit ihres Geschäfts? Interessanterweise scheint es, dass sich nicht nur das Verhalten der Marken ändert. Auch auf Seiten der Einkäufer:innen gibt es eine Veränderung. Romain Blanco, Generaldirektor des B2B-Marktplatzes Le New Black, analysierte diese Veränderungen im Wholesale in einem Whitebook das im März 2022 erschien.

Veränderungen im Verhalten von Marken und Käufern

Laut Romain Blanco bilden die Veränderungen im Verhalten von Marken und Einkäufer:innen einen positiven Kreislauf, der zur Digitalisierung des B2B-Verkaufsprozesses führt. Dies wirft die Frage auf, ob die Anzahl der Vertriebsmitarbeitenden innerhalb der Marken reduziert werden sollte.

Der Direktor stellt drei große Veränderungen in der Beziehung zwischen Einkäufer:innen und Marke fest:

  • „Während vor fünf Jahren noch jeder zehnte Auftrag von Einkäufer:innen initiiert wurde, wird heute jeder zweite Auftrag von Einkäufer:innen initiiert. Noch vor zwei Jahren stellten viele Marken nur Skizzen in ihre digitalen Showrooms, um Kopien zu vermeiden, und präsentierten physische Produkte nur in ihren Showrooms. Es gab diesen vertraulichen Aspekt, der heute nicht mehr existiert. Wir haben festgestellt, dass die Marken den Einkäufer:innen auf den digitalen Plattformen immer mehr Autonomie einräumen und dass die Einkäufer:innen mittlerweile sehr gut alleine zurechtkommen.
  • Es ist auch festzustellen, dass der durchschnittliche Warenkorb reduziert wurde, um nicht zuviel vorzubestellen. Die Häufigkeit der Nachbestellungen ist jedoch viel höher als früher.
  • Daher ist schließlich festzustellen, dass die Anzahl der Marken steigt, die ihre Lagerverwaltung über intuitive Anwendungen wie Le New Black digitalisieren. Mit einer Lagerverwaltung, die vollständig mit einem ERP-System verbunden ist und somit viel besser lesbar und kollaborativ ist. Einkäufer:innen sehen die Entwicklung der Bestände in Echtzeit und können Nachbestellungen wie auf einer E-Commerce-Website aufgeben.“
  • Der Modehandel bewegt sich also hin zu autonomen Einkaufsprofilen und einem über das ganze Jahr verteilten Einkaufsrhythmus, der sich nach der Nachfrage richtet. Wir sind weit entfernt von einem einzigen saisonalen Termin für die Order. In diesem Zusammenhang mag es logisch erscheinen, dass Marken eher in ihren digitalen Showroom als in Außendienstmitarbeitende investieren.

    Dieses Phänomen, das von den Messen aufgegriffen wird, verstärkt die globale Mentalität rund um die autonome und digitale Auftragsannahme. In der Tat haben sowohl die französische Messe WSN als auch Tranoï ihre eigenen Plattformen für die digitale Kontaktaufnahme zwischen Marken und Einkäufer:innen entwickelt, CXMP und Tranoï Link. Von nun an können Messe, Recherche, die Kontaktaufnahme und die Auftragsannahme das ganze Jahr über geschehen.

    In seinem Erfahrungsbericht erklärte uns Jean-Pascal Teti von den Trinity Boutiquen in Saint-Tropez, dass für ihn die Beziehung zwischen Marke und Einkäufer:in das Wichtigste bleibt und dass dies auch dann eine Rolle spielt, wenn der Prozess digital stattfindet. Das Vertrauen spielt eine große Rolle beim Einkauf.

    „Solange Vertriebsmitarbeitende, denen man vertraut, hinter der Kamera sitzen, sind es die Jahre und das Vertrauen, die die Richtung der Order bestimmen."

    Jean-Pascal Teti, Trinity Boutiquen.

    „Wir sind sehr empfänglich für die Beziehung zu einer Person. Das ist ein Teil unserer Einkaufskriterien und wir kommen mit allen unseren Lieferant:innen sehr gut aus. Wir machen die Showrooms per Videokonferenz, wenn wir keine andere Wahl haben, es gibt kleine Fehlschläge, aber wir haben es nicht allzu schlecht gemacht, auch wenn es im Hinblick auf die Materialien sehr schwierig ist. Und die Menschen in den Showrooms sind auch da, um uns zu herumzuführen und zu beraten.“

    Solange Verkäufer:innen in der Lage sind, ihre Kundschaft zur besten Auswahl zu führen und den Marken die besten Standorte zu empfehlen, wird ihre Rolle tatsächlich von größter Bedeutung bleiben.

    Zu diesen beiden Qualitäten kann man sich vorstellen, dass neue Kriterien schnell zu bisherigen Profilen hinzukommen werden: wie ein gutes Verständnis von Sozialen Netzwerken, die Fähigkeit, eine App zu implementieren oder neue Kund:innen in einen digitalen Showroom zu onboarden, aber auch die Fähigkeit, aus der Ferne Kapselkollektionen zu präsentieren, die in Partnerschaft mit Influencer:innen geschaffen wurden.

    Obwohl diese Art der Stellenbeschreibung bei großen Fast-Fashion-Ketten mittlerweile eine Selbstverständlichkeit ist, ist sie bei einigen Labels und Einzelhändler:innen allerdings immer noch Science-Fiction.

    ÜBER UNS
    Wholesale Is Not Dead ist der Podcast, der sich mit den Entwicklungen im Handel von Modemarken befasst. Das Prinzip ist einfach: Wir laden unabhängige Einzelhändler:innen, Franchisenehmer:innen, Kaufhäuser, Concept Stores und andere Marktteilnehmende ein, ihre Erfahrungen zu teilen.

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    Dieser Podcast ist eine Kreation der digitalen Kommunikationsagentur Mars Branding, die von Julie Le Gall und Florent Tamisier geleitet wird. Weitere Informationen finden Sie unter: Klicken Sie hier.

    Dieser Artikel wurde ähnlich auf FashionUnited.fr veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ

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