EuGH Urteil: Plattformverbote sind in engen Grenzen zulässig
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Darf ein Hersteller einem Händler verbieten, seine Waren auch über Plattformen wie Amazon und Ebay zu verkaufen? Diese Frage hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) heute in einer Grundsatzentscheidung zur Zulässigkeit sogenannter selektiver Vertriebsmodelle beantwortet.
Pauschale Verbote von Marktplätzen sind unzulässig
Das höchste Europäische Gericht hat klargestellt, dass pauschale Beschränkungen, Waren auch über Marktplätze und Plattformen vertreiben zu dürfen, gegen geltendes Recht verstoßen, damit sind pauschale Plattformverbote – wie sie von einigen Markenherstellern in der Vergangenheit ausgesprochen wurden – unzulässig. Zugleich hat der EuGH aufgezeigt, in welchen Fällen ein berechtigtes Interesse von Herstellern und Händlern an einem qualitativ hochwertigen Vertrieb und damit an vertriebswegspezifischen Beschränkungen weiterhin ihre Berechtigung behalten. Das heißt, Verbote sind weiterhin möglich, bedürfen aber einer nachprüfbaren Rechtfertigung. „Wenn nach objektiven Maßstäben erstellte echte Qualitätsanforderungen durch einzelne Vertriebskanäle - stationär wie online - nicht erfüllt werden, kann der Selektivvertrieb auch in Zukunft zum Schutz von Hersteller, Fachhandel und Verbraucher eingeschränkt werden. Und das ist gut so“, stellt Gero Furchheim, Präsident des Bundesverband E-Commerce und Versandhandel e.V. (bevh) fest.
Selektive Vertriebswege für Luxuswaren erlaubt
„Selektive Vertriebssysteme“ sind demnach für Luxuswaren erlaubt, wenn dies der „Sicherstellung des Luxusimages“ diene. Damit ist auch das Verbot eines Vertriebs über Drittplattformen kartellrechtlich erlaubt, sofern deutlich gemacht werden kann, dass diese Maßnahme zum Schutz des Luxusimages nötig ist. Im konkreten Fall ging es um den Kosmetik-Konzern Coty, der seine Produkte nur über autorisierte Händler vertreibt und vertraglich verbietet, diese Produkte über Plattformen wie Amazon weiter zu verkaufen. Als ein Händler das dennoch tat, beantragte Coty vor dem Oberlandesgericht Frankfurt eine Untersagung. Das Gericht sah in den Coty-Vertragsklauseln einen möglichen Verstoß gegen das EU-Wettbewerbsrecht und schaltete den EuGH ein.
Plattformen sind Markenherstellern ein Dorn im Auge
Schon seit Jahren herrscht Unsicherheit darüber, ob Hersteller ihren Händlern verbieten dürfen, ihre Waren auch über Marktplätze wie Amazon oder Ebay weiter zu vertreiben. Das Kartellrecht verbietet solche Beschränkungen der Händler eigentlich. Bei nachgewiesenen Verstößen gegen den Wettbewerb drohen den betroffenen Unternehmen nicht nur Bußgelder, sondern auch Schadensersatzforderungen von Wettbewerbern und Kunden.
Viele Markenhersteller vertreiben ihre Produkte jedoch im so genannten selektiven Vertrieb: Das heißt, der Hersteller wählt seine Händler anhand bestimmter Kriterien aus. Diese Händler dürfen die Produkte dann nicht an andere Händler weiterverkaufen, die diese Kriterien nicht erfüllen. Der Hersteller stellt damit sicher, dass alle von ihm belieferten Händler bestimmte qualitative Mindestanforderungen erfüllen. Das gilt auch für den Vertrieb im Internet. Viele Markenhersteller sehen den Online-Handel über Drittanbieter wie Plattformen und Marktplätze aber als unkontrollierten und somit unerwünschten „Discount“-Vertriebskanal an. Plattformen wie Amazon und Ebay gelten als kritisch, weil dort das teuer aufgebaute Markenimage nicht berücksichtigt werde und deshalb Schaden nehmen könnte.
Plattformen bieten auch Chancen
Die Branchenvereinigung der Online- und Versandhändler (bevh) freut das Urteil. „Der EuGH räumt ein für alle Mal auf mit dem Generalverdacht, Marktplätze und Plattformen seien Vertriebswege zweiter Klasse“, heißt es in einer Pressemitteilung des Verbands zum Urteil. Marktplätze und Plattformen gehören heute, sowohl im Onlinehandel zwischen Händlern und Verbrauchern, als auch zwischen Händlern und Firmenkunden, zum Alltag. Das Geschäftsmodell gewinnt zudem immer Interessenten – immer mehr Händler werden selbst zu Marktplätzen, wie z.B. Zalando, Otto oder Klingel.
„Als Infrastruktur sind sie Digitalisierungsbegleiter und ermöglichen gerade auch dem kleinen und mittelständischen Handel den schnellen Einstieg und hohe Skalierungseffekte“, erläutert Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer des bevh. „Mit seinem heutigen Urteil unterstreicht der EuGH einmal mehr diese Bedeutung, ohne dabei berechtigte Belange von Marken und Fachhandel aus den Augen zu verlieren.“
Mit den Einzelheiten, z.B. auch mit der Frage, wie man Luxusprodukte eigentlich genau definieren kann, wird sich nun das Oberlandesgericht Frankfurt zu befassen haben.
Foto: Amazon