Ein „zukunftsweisender Stoffladen“: So funktioniert Bakermat in Antwerpen
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Wo findet man heutzutage noch einen wirklich guten Stoffladen? Seit dem 22. September zumindest in der belgischen Modemetropole Antwerpen. Dort hat Bakermat eröffnet – ein Stoffgeschäft, aber auch eine Materialagentur, und bald wird sogar eine digitale Stoffbibliothek hinzukommen. „Wir wollen eine Lücke füllen, die es derzeit beim Übergang von physischen zu digitalen Stoffen gibt.“ Wie das genau funktioniert, haben die Gründer Cedric Jacquemyn und Quinten Schaap im Gespräch mit FashionUnited erzählt.
Für Menschen, die in der Modebranche arbeiten, dürfte es schwer sein, sich nicht für Bakermat zu begeistern. Zunächst einmal ist da der physische Standort von Bakermat – der Stoffladen. In diesem Geschäft werden Stoffe von Hersteller:innen aus der ganzen Welt angeboten. Sein Zweck ist es, zu zeigen, welche Materialien verfügbar sind, aber auch, jungen Designer:innen zu helfen, diese Stoffe zu entdecken und zu lernen, wie man mit ihnen arbeitet. „Wir wollen deutlich machen ‚Diese Techniken gibt es noch, und das sind die Menschen, die sie anwenden‘. Dank des Ladens können junge Modemacher:innen diese Materialien jetzt kennenlernen.“
Angeboten werden beispielsweise Selvedge Denim aus Japan und handgewebte Stoffe aus Indien, aber auch Leinen aus Belgien und Seide aus Italien. Für jedes Material gibt es eine völlig transparente Dokumentation der Herkunft, der Produktionsmethoden und weiterer Einzelheiten.
Bakermat ist Stoffgeschäft, Materialagentur und digitales Textilarchiv in einem
Bakermat setzt auf eine gezielte Auswahl der Materialien. Zum Selektionsprozess gehören dabei verschiedene Aspekte. Zunächst einmal die „Nachhaltigkeit“, obwohl Schaap und Jacquemyn das Wort nicht unbedingt mögen. „Was qualitativ hochwertig ist und in Europa zu finden ist, wird in Europa beschafft. Aber was wir außerhalb Europas suchen, ist zum Beispiel Selvedge Denim in Japan. Oder ein Jersey-Stoff, der auf alten japanischen Maschinen hergestellt wird und den man sonst nirgendwo findet. Das muss einfach aus Japan kommen. Die handgewebten Stoffe kommen aus Indien, weil es in Europa keine Handwebereien mehr gibt“, erläutert Jacquemyn. „Der Auswahlprozess ist so strukturiert, dass wir nur dann außerhalb Europas tätig werden, wenn die Techniken wichtig genug sind, um sie nach Europa zu bringen.“
Wenn sich die beiden zum Beispiel für handgewebte Stoffe entscheiden, tun sie dies auch, weil sie ein Handwerk am Leben erhalten und bewahren wollen. Durch den Verkauf dieser Textilien unterstützen sie auch eine Gemeinschaft, die beispielsweise in Indien die Stoffe herstellt. Drittens achten Schaap und Jacquemyn auch auf „zukunftsweisende“ Materialien, etwa Gewebe mit recycelten Bestandteilen. „Bei der Auswahl suchen wir die Balance zwischen Tradition, Handarbeit und Zukunft“, sagen sie.
Bakermat bietet also eine breites Spektrum an Stoffen an: „Wir wollen jedem den Zugang zu diesen Materialien ermöglichen.“ In der Tat kann es für jungen Modemacher:innen mühsam sein, den Kontakt zu Produzent:innen bestimmter Stoffe herzustellen. Bakermat bietet daher nicht nur Stoffe im Laden an, sondern hilft auch, den nächsten Schritt zu machen. So ist Bakermat gleichzeitig auch eine Stoffagentur. „Wir arbeiten auf Beraterbasis. Wir helfen allen, also etwa Designer:innen und Modeunternehmen, die zu uns kommen und fragen: ‚Hey, wir arbeiten an dieser Kollektion und suchen etwas, und das ist unsere Denkweise als Unternehmen und das, wofür wir stehen‘“, erklärt Schaap. „Da wir bereits über ein so umfangreiches Archiv an Stoffen verfügen, können wir die Kund:innen besser beraten, welche Angebote interessant sein könnten. Auf diese Weise wollen wir Verbindungen innerhalb der heutigen Industrie schaffen, um allen dabei zu helfen, voranzukommen.“ Schaap und Jacquemyn haben die Kontakte zu den Hersteller:innen bereits und können daher schnell handeln. „Wir sind eine Art Zwischenschritt.“ Oft wünschen die Produzent:innen eine Zusammenarbeit, haben aber keine Zeit für die vielen Anfragen. Bakermat entlastet somit nicht nur die Designer:innen, sondern auch die Hersteller:innen.
Antwerpen hat mit Bakermat einen „zukunftsweisenden“ Stoffladen bekommen
Um noch einen Schritt weiter zu gehen und ein komplettes Ökosystem zu schaffen, wird in diesem Herbst auch eine digitale Stoffbibliothek eröffnet. Die verfügbaren Stoffe werden dafür in einem Format digitalisiert, das direkt im digitalen Entwurfsprozess verwendet werden kann. Dabei werden alle Eigenschaften sofort einbezogen. „Beim digitalen Design finden die Leute manchmal 3D-Texturen online und verwenden sie im CAD-Programm. Dann finden sie eine Textur für einen 490-Gramm-Walklodenstoff und sind mit dem entworfenen Artikel zufrieden, müssen dieses Material dann aber irgendwo physisch finden“, erklärt Schaap. „Wenn man dann vom virtuellen Entwurfsprozess zum physischen Realisierungsprozess übergehen will, gibt es ein Problem, denn man hat einen Stoff gewählt, den man aus dem Internet herausgesucht hat.“ Wechselt man nun das Material, ändert sich der Fall des Stoffes, und die Schnittteile müssen entsprechend angepasst werden. „Sonst bekommt man komische Formen.“ Es hat also Vorteile, gleich mit den digitalen Informationen des physischen Stoffes, die man von Bakermat erhält, zu entwerfen.
Der Zugang zu den digitalen Informationen über die Materialien, die Bakermat verkauft, erfolgt über eine abonnementbasierte Plattform. Ein zusätzlicher Vorteil der digitalen Stoffstrukturen besteht darin, dass Designer:innen die Stoffe direkt über den Webshop von Bakermat bestellen können, sobald sie mit dem digitalen Entwurf zufrieden sind.
Nach einem Gespräch mit den beiden Designern und Unternehmern fällt es schwer, Bakermat nicht für ein Textilparadies in Antwerpen zu halten. „Wir wollen, dass die Wahl eines Stoffes nicht nur eine ästhetische, sondern eine bewusste Entscheidung ist“, betonen sie.
Dieser übersetzte und bearbeitete Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.nl