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Die Zukunft des Einzelhandels enthüllt: Ausblick 2024 der Economist Intelligence Unit

Von Diane Vanderschelden

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Einzelhandel

Innovation Hub Bild: NRF 2024 Retail's Big Show

Was sind die neuesten Trends, die den Konsumgüter- und Einzelhandel prägen - von den belebten Gängen stationärer Geschäfte, die jetzt mit „Erlebnis-Shopping“ gefüllt sind, bis hin zu den sich schnell verändernden Landschaften des Onlinehandels, in denen immer mehr reine Anbietende und Discounter auf den Plan treten? Werden die schwankenden Inflationsraten weiterhin die Gewohnheiten der Verbraucher:innen beeinflussen? Wie wird die Einzelhandelsstrategie auf diese Anpassungen reagieren? Die Economist Intelligence Unit (EIU, der Forschungs- und Analysearm der Economist Group) gab einen Einblick in die Zukunft des Einzelhandels mit wichtigen Erkenntnissen für 2024.

Tatsächlich zeigen die Daten, dass der Einzelhandel das größte industrielle Ökosystem ist, das 11,5 Prozent der Wertschöpfung in der EU ausmacht und mit fast 30 Millionen Beschäftigten nach Angaben der Europäischen Kommission der wichtigste Arbeitgeber in der EU-Wirtschaft ist. Ein Ökosystem, das aus 5,5 Millionen Unternehmen besteht, von denen 99 Prozent KMU (kleine und mittlere Unternehmen, Anm. d. Red.) sind und eine Bruttowertschöpfung von über 1,4 Billionen Euro erwirtschaften. Kurz gesagt, das Ökosystem des Einzelhandels übertrifft alle anderen industriellen Ökosysteme in Bezug auf ihren Wert. Seine Gesundheit und sein Reichtum sind daher von größter Bedeutung für das Funktionieren der Wirtschaft. Wie sieht es aber mit dem Zustand des Einzelhandels aus?

Wird die Inflation den Einzelhandel weiter beeinträchtigen?

Die EIU hat festgestellt, dass die Inflationsraten in Nordamerika und Europa weiter steigen und Onlinehändler:innen die Auswirkungen zu spüren bekommen, da die Verbraucher:innen ihre Ausgaben einschränken und auf der Suche nach Schnäppchen in die physischen Geschäfte zurückkehren. Dies wirft die Frage auf: Wird die Inflation den Einzelhandel in den kommenden Monaten weiter beeinträchtigen?

„Der Grund, warum sich viele Unternehmen diese Frage stellen, ist, dass das vergangene Jahr für viele Marken in vielen Branchen ein sehr verwirrendes Jahr war“, sagt ein EIU-Vertreter gegenüber FashionUnited. „Ich werde Ihnen sagen, warum: weil wir überall in jeder Zeitung lesen, dass die „Zinsen steigen“, „die Inflation steigt“, „alles wird teurer“. Und während viele Einzelhändler:innen einen Umsatzrückgang prognostizieren, sind die Umsätze in vielen Branchen, insbesondere in der Bekleidungs- und Modebranche, einigermaßen stabil geblieben. Das ist ein wenig verwirrend. Denn in der Tat wird alles teurer, die Menschen bekommen weniger Geld, die Mieten und die Lebenshaltungskosten steigen. Dennoch bleiben die Umsätze recht stabil.“

„Der Grund dafür ist das, was wir „Covid-Sparen“ nennen. Viele Verbraucher:innen, die während der Pandemie erhebliche Ersparnisse angehäuft haben, zeigen eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit in ihrem Ausgabeverhalten. Die Ausgaben der Verbraucher:innen sind nicht zurückgegangen, weil sie während der Covid-Pandemie so viel Geld gespart haben. Das heißt, wenn sie ein Burberry-Kleid kaufen wollten, würden sie das auch tun. Die Schwierigkeit besteht darin, dass der Markt dies noch nicht korrigiert hat. Wir rechnen für 2024 und 2025 mit einer Korrektur der Lebenshaltungskosten, des Verbraucherpreisindexes (VPI) und der Covid-bedingten Einsparungen.

All diese Elemente beginnen jetzt zu sinken, was bedeutet, dass der Markt dies wahrscheinlich korrigieren wird. Infolgedessen werden Sie einen kleinen Abschwung bei den Ausgaben der Verbraucher:innen erleben. Es wird zu einer Verlagerung vom stationären Handel zum Onlinehandel kommen, weil dieser natürlich billiger ist und eine viel größere Auswahl bietet“, fügt der Vertreter hinzu. Und diese Aussage ist ein perfekter Einstieg in das Thema, um das es hier geht.

Einzelhandelstrends entschlüsseln: Die EIU-Analyse 2024

Gestützt auf die Daten des EIU-Berichts „Consumer Goods and Retail Outlook 2024“ prognostiziert die Organisation für das kommende Jahr ein deutliches Wachstum der Einzelhandelsumsätze von 6,7 Prozent in US-Dollar und 2 Prozent in Volumen. Dieses Wachstum wird auf eine Verlangsamung der Inflation zurückgeführt, was eine positive Dynamik für die Branche signalisiert. Diese begrüßenswerte Verlangsamung der Inflation wird jedoch mit einem besorgniserregenden Trend einhergehen: Die Ersparnisse der Haushalte gehen zur Neige, was sie sehr preissensibel macht und neue Herausforderungen für Einzelhändler:innen und Konsumgüterhersteller:innen mit sich bringt.

Weltweit wird ein reales Wachstum des Einzelhandelsvolumens von 2 Prozent im Jahr 2024 prognostiziert. Trotz der beständigen Rolle des Onlinehandels als Wachstumsmotor seit Beginn der Pandemie gibt es weiterhin Herausforderungen. Während des EIU-Webinars am 12. März 2024 stellte Aishwarya Tendolkar, Forschungsanalystin, fest, dass sich die Inflation voraussichtlich auf 6 Prozent 2024 verlangsamen werde, verglichen mit 9,2 Prozent im Jahr 2022 und 7,3 Prozent 2023. In den entwickelten Volkswirtschaften, die besonders von der Lebenshaltungskostenkrise betroffen sind, wird mit einer deutlichen Verlangsamung der Inflation auf 2 Prozent gerechnet.

Die EIU geht davon aus, dass der Überwachungszyklus weitgehend abgeschlossen ist und dass die Zentralbanken, insbesondere in den USA und der EU, ab Mitte 2024 mit einer Lockerung der Zinssätze beginnen werden. Es ist bemerkenswert, dass sie trotzdem wahrscheinlich nicht auf das extrem niedrige Niveau der 2010er Jahre zurückkehren werden.

Sparaufkommen unter dem Niveau vor der Pandemie

Laut Barsali Bhattacharyya, stellvertretender Direktorin für Branchenanalysen, liegt das Sparaufkommen in den meisten Industrieländern derzeit unter dem Niveau vor der Pandemie Anfang der 2020er Jahre. Dieser Rückgang der Ersparnisse in Verbindung mit dem schleppenden Lohnwachstum hat unweigerlich zu einer Schwächung der Kaufkraft und zu einer erhöhten Kreditaufnahme der Haushalte geführt. Besonders betroffen sind Haushalte mit niedrigem Einkommen und jüngere Verbraucher:innen, die wahrscheinlich eine größere finanzielle Belastung erfahren werden. Umgekehrt ist es wahrscheinlicher, dass einkommensstarke Haushalte einen Teil ihrer Ersparnisse bewahrt haben, was zu einer stärkeren Polarisierung des Konsumverhaltens führt.

Was bedeutet das für das Umsatzwachstum?

Mit Blick auf die Wachstumsdaten erwartet die EIU, dass das globale Einzelhandelswachstum im Jahr 2024 volumenmäßig 2 Prozent erreichen wird, 0,8 Prozent mehr als 2023. Diese Verbesserung ist in erster Linie auf eine Verlangsamung der Inflation zurückzuführen. Allerdings gibt es regionale Unterschiede. Während für Asien und den Nahen Osten das schnellste Einzelhandelswachstum erwartet wird, verbessert sich die Situation in Europa (nur) allmählich im Vergleich zu 2023. Die Expansion des Einzelhandels wird hier relativ gedämpft bleiben, da die Verbraucher:innen preissensibel sind. Dies sind günstige Aussichten für Discount- und Budget-Einzelhandelsketten, die in der Lage sind, ihre Leistung aufrechtzuerhalten und ihre Marktpräsenz auszubauen.

Wie bereits erwähnt, hat die eskalierende Inflation in Nordamerika und Europa Onlinehändler:innen vor Herausforderungen gestellt und Verbraucher:innen dazu veranlasst, ihre Ausgaben einzuschränken und auf der Suche nach kostengünstigen Optionen in traditionell stationäre Geschäfte zurückzukehren. Ist dies jedoch der einzige Faktor, der den Onlineverkauf beeinflusst?

In den westlichen Ländern tragen auch die Prävalenz von Einpersonenhaushalten und die alternde Bevölkerung dazu bei, dass diese Verbraucher:innen den Einkauf im Laden bevorzugen. Es wird prognostiziert, dass der Online-Einzelhandelsumsatz im Jahr 2024 durchschnittlich 11 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes ausmachen wird, wobei das Hauptwachstum von den Schwellenländern ausgehen wird.

Was kommt als Nächstes? Wohin werden Verbraucher:innen ihre Ausgaben lenken?

Was die Verbraucher:innenausgaben betrifft, so wird erwartet, dass der Premiummarkt floriert, während das mittlere Preissegment unter Druck geraten wird. Dieser Trend wird durch die Schließung zahlreicher Geschäfte im mittleren Segment oder den Konkurs langjähriger Einzelhandelskonzerne verdeutlicht, wie zum Beispiel das in Großbritannien ansässige Unternehmens Ted Baker, das im März dieses Jahres einen Insolvenzverwalter zur Rettung des Unternehmens ernannte; das niederländische Unternehmens Scotch and Soda, das 2023 Konkurs anmeldete und dann von Bluestar Alliance übernommen wurde, oder das ebenfalls in Großbritannien ansässige Unternehmen Missguided, das 2022 ebenfalls scheiterte, bevor es von der britischen Frasers Group gerettet wurde. Der Name „Missguided“ wurde schließlich Ende 2023 von Shein aufgekauft.

Verbraucher:innen werden ihre Preissensibilität beibehalten und lebenswichtigen Dingen wie Lebensmitteln und Energierechnungen Vorrang einräumen, während sie aktiv nach Angeboten suchen. Sektoren wie Freizeit und Gastgewerbe sind jedoch auf Wachstum eingestellt. Ist dies eine Chance für Freizeit- und Athleisurewear-Marken, die bereits im Trend liegen, weiter zu expandieren? Oder für Marken, die ihr Angebot an urlaubsbezogenen Kollektionen erweitern?

Jüngere Verbraucher:innen zeigen Vorliebe für Ausgaben für Erlebnisse

Mit Blick auf Luxusgüter „zeigen jüngere Verbraucher:innen eine Vorliebe für Ausgaben für Erlebnisse statt für materielle Besitztümer, und sie machen typischerweise einen bedeutenden Anteil der Luxuseinsteiger:innen aus“, so Tendolkar von EIU.

Diese Behauptung wird durch einen Artikel der Financial Times vom März 2024 gestützt, in dem die verstärkte Ausrichtung von Prada auf seine Einzelhandelsstrategie hervorgehoben wird. Das Unternehmen plant, in den nächsten fünf Jahren eine Milliarde Euro in sein Einzelhandelsangebot zu investieren, um der wachsenden Neigung der Luxuskonsument:innen zum „Erlebnis-Shopping“ Rechnung zu tragen, so Patrizio Bertelli, Co-CEO der Prada-Gruppe. Auch in diesem Segment wird das Wachstum in erster Linie von Asien und dem Nahen Osten getragen.

In anderen Regionen ist ein bemerkenswerter Trend die wachsende Nachfrage nach gebrauchten Luxusartikeln. Dies ist besonders in Europa zu beobachten, wo die eingeschränkten Ausgaben der Verbraucher:innen das Interesse an gebrauchten Waren verstärkt haben. Es wird erwartet, dass diese preiswerteren Alternativen vor allem bei jüngeren Verbraucher:innen, die Wert auf Nachhaltigkeit legen, an Bedeutung gewinnen werden. Bhattacharyya hebt diese Entwicklung hervor und erwähnt, dass sie sogar Amazon dazu veranlasste, in den Markt für den Wiederverkauf von Luxusgütern einzusteigen. Insgesamt rechnet die EIU jedoch mit einer Verlangsamung des Luxusmarktes 2024.

Der Druck auf die Gewinnspanne: Die nächsten Schritte des Einzelhandels

Die Gewinnspannen des Einzelhandels stehen unter erheblichem Druck und geben Anlass zur Sorge über die weitere Entwicklung. Während es einigen Marken gelungen ist, ihre Preise zu erhöhen, um die steigenden Kosten für Rohstoffe, Versand und Kraftstoff auszugleichen und so ihre Gewinne zu steigern, ist die Situation für Einzelhändler:innen differenzierter.

Interessanterweise wird die Zahl der Arbeitsplätze im Einzelhandel zunehmen, da einige Akteur:innen planen, ihre physische Präsenz zu verstärken. Insgesamt hat die Beschäftigung im Einzelhandel nun wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht. Allerdings wurden in erheblichem Umfang Entlassungen angekündigt, die Büroangestellte und höhere Angestellte betreffen. Obwohl die Zahl der Arbeitsplätze in der Lagerhaltung während der Pandemie stark angestieg, wird sich dieser Trend voraussichtlich wieder umkehren.

In der Tat sind diese Stellen seit 2021 und 2022 rückläufig, was größtenteils darauf zurückzuführen ist, dass Unternehmen in die Lagerautomatisierung investieren, um Arbeitskosten zu senken und die Lieferketten- und Bestandsverwaltungsprozesse zu rationalisieren, wie der Direktor des Economist hervorhebt.

Trendwende bei der Automatisierung?

Doch das ändert sich jetzt. So hat Nike beispielsweise Pläne zur Entlassung von 2 Prozent seiner Belegschaft bekannt gegeben, was etwa 1.500 Mitarbeitenden entspricht, wobei allerdings klargestellt wurde, dass Mitarbeitende in den Geschäften wahrscheinlich nicht betroffen sein werden. Und warum? Weil Investitionen in die Automatisierung von Geschäften in Europa und Amerika auf Schwierigkeiten gestoßen sind, da viele Kund:innen in diesen Regionen menschliche Kassen und Kassierer:innen bevorzugen. Der Trend kehrt sich um.

Ursprünglich war die Automatisierung als Mittel gedacht, um weniger Menschen zu beschäftigen und gleichzeitig allen, die weiter beschäftigt werden, höhere Gehälter zu bieten, doch Unternehmen nutzen sie zunehmend, um neue Herausforderungen zu bewältigen, die sich aus Ereignissen wie der Pandemie und den jüngsten geopolitischen Umwälzungen ergeben. Was den politischen Bereich betrifft, so wurden in Europa die Rechtsvorschriften zur Förderung sauberer und verantwortungsvoller Industrien verschärft. Eine wichtige Entwicklung in dieser Hinsicht betraf den Einzelhandel. Am 24. Mai 2023 veröffentlichte die Europäische Kommission die Einzelhandelsinvestitionsstrategie (RIS).

Nach Angaben auf der Website der Kommission „enthält die RIS eine Reihe von Vorschlägen für rechtliche und regulatorische Maßnahmen, die die Beteiligung von Kleinanleger:innen fördern und das Vertrauen der Verbraucher:innen stärken sollen. Der Vorschlag konzentriert sich auf Digitalisierung, Effizienz, Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verkehrsverlagerung und zielt darauf ab, einen Rahmen für die Einführung von RIS zu schaffen, die Verfügbarkeit von Daten zu gewährleisten und technische Spezifikationen zu harmonisieren.“

Infolgedessen scheint sich der europäische Textil- und Bekleidungseinzelhandel in den kommenden Jahren vor allem mit drei Dilemmata konfrontiert zu sehen: Einhaltung von Vorschriften, Beschaffung und Produktmanagement.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.uk. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.

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