Connected Retail: Wie der POS zum Analyse-Tool wird
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Connected Retail, so heißt die neue Idee im E-Commerce, die nun auch stationären Geschäften mehr Umsatz bringen soll. Sven Haiges, Technology Strategist bei hybris labs, einem Unternehmen von SAP, erklärt, wie das gehen soll.
Im Internet stehen Shop-Betreibern jede Menge Analysedaten zur Verfügung um das Kundenverhalten zu tracken, zu verstehen und vorauszuahnen. Das ist nicht nur die Basis für die Gestaltung ihres virtuellen „Verkaufsraums“ sondern auch Grundlage ihrer Produkt-, Sortiments- und Werbestrategie. Diese einst reinen Online-Vorteile soll es nun bald auch für den stationären Handel geben. hybris labs hat es sich zur Aufgabe gemacht, neue Wege zu finden, wie das stationäre Ladenlokal mit Technik und dem „Internet der Dinge“ zukunftstauglich gemacht werden kann.
Sie beschäftigen sich mit der Zukunft des Retail. Wie sieht die Ihrer Meinung nach aus?
Ich glaube, dass sich die Verkaufsräume der Zukunft stark ändern werden. Das liegt vor allem am „Internet der Dinge”, IOT. Ähnlich wie im smarten Zuhause, kann man mit Sensorik und z.B. Licht, Sound oder Bewegung eine Menge spannende Analysedaten sammeln sowie Nutzen für den Kunden schaffen. Ich vergleiche das immer mit einer Shopping-Website: Mit smarten Filtern und einem Profil des Kunden kann man dort z.B. die unglaublich große Vielfalt an Produkten für den Kunden herunterbrechen und nur das präsentieren, was ihn wirklich interessieren könnte. Eine Art „physikalische Selektion der Produkte” kann man mit IOT auch im Verkaufsraum machen, wie wir mit unserem Smart Wine Shelf schon gezeigt haben. Die Selektion übernimmt hierbei Licht, d.h. die passende Flasche Wein wird per Licht hervorgehoben.
Wo liegen die Vorteile für Handel und wo für den Käufer?
Gerade am Beispiel des hybris Wine Shelfs kann man das sehr gut sehen: Der Wine Shelf bietet dem Kunden viel Wert, da er Dank eines kurzen Fragebogens auf dem Handy und der physikalischen Selektion per LEDs schnell eine Empfehlung für einen Wein bekommt. Ebenso hat auch der Händler etwas davon. Mit jeder Weinflasche, die sich der Kunde näher anschaut, kann der Händler Analysedaten sammeln. Diese „Liftups” der Weinflaschen sind vergleichbar mit Page Impressions auf einer Produktseite im Web. Der Händler kann damit z.B. die Platzierung der Produkte im Regal optimieren.
Umfassende Analyse-Tools sind heutzutage Standard auf Websites. Wir wissen meist sehr genau, welcher Kunde welches Produkt im Web angeschaut hat. Betreten wir nun den physikalischen Verkaufsraum, dann weiß der Händler meistens: Nichts. Ich glaube, dass wir hier mit Sensorik in Zukunft ähnliche Daten wie im Web sammeln werden. Wir werden also wissen, wie viele Kunden wie lange vor einem Produkt stehen, ob Sie sich ein Produkt genauer ansehen, welche Gänge im Shopping Center bevorzugt benutzt werden, etc. Diese Daten können dann wichtige Informationen liefern für die Produkt-, Sortiments- und Werbestrategie des Händlers.
Sie sind viel auf Kongressen unterwegs, wer interessiert sich denn am meisten für Ihre Prototypen? Ist der Handel schon so weit, sich damit auseinanderzusetzen?
Die überwiegende Mehrheit der Kunden sieht ganz klar ein, dass „Omni-Channel” im Bereich der Analytics nicht im Ladengeschäft aufhören kann. Omni-Channel bedeutet eben auch, den Kunden im realen Leben bestmöglich verstehen zu wollen und nicht nur im Web oder auf mobilen Geräten. Dennoch ist es ein langer Weg vom Prototypen bis hin zu einem Produkt.
Neben dem Wine Shelf, welche Anwendungsgebiete sind hier noch denkbar?
Das Wine Shelf ist eine sehr konkrete Ausprägung von Connected Retail. Dank der vielen Events damit konnten wir viel Feedback sammeln. Wir glauben, dass ein Smartes Regal beispielsweise für Parfum oder Kosmetik ebenfalls sehr gut funktionieren kann. Wenn man die Idee der physikalischen Selektion der Produkte auf den gesamten Laden ausdehnt, dann kann man z.B. auch Allergiker vor gefährlichen Produkten warnen, oder positiv: die Produkte selektieren, welche unbedenklich sind. Vielleicht kann man mittels eines Hinweises im smarten Preisschild auch auf Promotions hinweisen, die je nach Kunde unterschiedlich ausfallen.
Wie könnte ein Connected Retail im Bereich Fashion aussehen?
Zu Beginn des Jahres haben wir den hybrislabs „Changing Room” vorgestellt, eine Art smarte Umkleidekabine. Über RFID Labels können wir beispielsweise erkennen, welche Kleider mit die Umkleidekabine genommen werden. Wieder hat diese einen stark analytischen Aspekt, aber auch der ganz praktische Nutzen für den Kunden kommt nicht zu kurz: Der Kunde kann über das System beispielsweise ein Kleidungsstück in einer anderen Farbe oder Größe direkt vom iPad/Screen in die Umkleidekabine bestellen. Ein sogenannter Runner, also z.B. eine Verkäuferin, erhält die Nachricht per Push-Notification, bestätigt den Erhalt und bringt dann das Kleidungsstück in die Kabine. Die Vorteile liegen auf der Hand: die Kunden erfahren einen viel besseren Service, und sollte ein Teil im Store nicht verfügbar sein, kann per eMail eine Erinnerung geschickt werden, um es zu Hause dann online zu bestellen.
Welche Kern-Technologien werden beim Connected Retail zum Einsatz kommen?
Die Kern-Technologie ist reichlich schwammig, das Internet der Dinge. Ich sage deswegen „schwammig”, da es noch lange nicht klar ist, welche Hardware, welche Protokolle oder welche Management-Plattformen sich hier durchsetzen werden. Im Bereich der Hardware schauen wir uns derzeit verstärkt diverse Sensoren an, die zur Analyse des Retail Spaces in Frage kommen: Drucksensoren, Distanzsensoren, Lichtschranken aber auch iBeacons. Wir kümmern uns aber auch um die Ausgabe. Damit ist gemeint, wie wir den Verkaufsraum aktiv und dynamisch verändern können. Beispielsweise schauen wir uns an, wie wir die Videos, welche auf TVs im Verkaufsraum abgespielt werden, dynamisch ändern können oder eine Produktselektion vornehmen können.
An welche Technologie glauben Sie dagegen nicht?
Um einen Zusammenhang zwischen den gesammelten Daten und dem Nutzer herzustellen, muss man zumindest Stand heute auf iBeacon setzen. Der Kunde hat also eine Smartphone-App installiert, die nach Beacons scannt und dann dem Shopsystem die Identität des Kunden mitteilt. Ähnlich wie durch Cookies auf Websites, wird das Profil des Kunden damit sichtbar und es kann an die Events im Raum wie das Stehenbleiben und lange Betrachten eines Produktes gekoppelt werden. Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Kunden eine solche App nutzen möchte. Ich glaube jedoch daran, dass es Sinn macht, anonymisiert die Interaktionen der Kunden mit den Produkten im Verkaufsraum zu tracken. Nur ein sehr kleiner Teil der Kunden möchte sich offenbaren und dann nur, wenn handfeste Vorteile winken: ein besserer Preis, gesundheitliche Gründe bei Allergien oder eine wirklich gute Empfehlung auf Basis des Profils.
Welches sind die größten Hürden bei der Umsetzung der neuen Ideen im stationären Handel?
Ganz banal gesagt, würde ich sagen, dass man Software ganz prima skalieren kann. Hardware nicht ganz so einfach. Das Internet der Dinge, auch im Retail Space, kommt nicht ohne Hardware aus und die kostet Geld. Ein Vorreiter in diesem Bereich muss sich also darüber klar sein, dass jede mit dieser Technik ausgestattete Ladenfläche zusätzliche Kosten verursacht. Deswegen werden wir auch sicherlich erst einmal viele Trials sehen, die räumlich auf wenige Läden beschränkt sind.
In welchem Zeitrahmen denken Sie bei Connected Retail?
Hellseherische Fähigkeiten habe ich leider auch nicht, aber die Diskussion um IOT im Retail Space ist bereits in vollem Gange, und es gibt neben unseren Prototypen bereits einige Startups in diesem Bereich, die erste Produkte anbieten. Das konnte man z.B. auch auf der Internet World im März sehen. Insgesamt glaube ich, dass in vielleicht 1-2 Jahren die Diskussion, ob Connected Retail Sinn macht oder nicht, beendet sein wird, und die Antwort wird ganz klar JA lauten. Hardware/Software, die einfach offtheshelf einzusetzen ist und sich nahtlos in die Systeme integriert, werden wir vielleicht in 3-5 Jahren sehen. Der hybris Wine Shelf wurde zum Beispiel schon komplett auf der hybris Plattform von unserem Professional Services Team in Montreal implementiert. Es fehlt jetzt nur noch ein passender Hardware-Partner. Bevor wir offtheshelf Lösungen sehen werden, wird es sicherlich viele gut gemachte, kundenspezifische Lösungen geben.
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