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Bundesgerichtshof: Keine pauschale Regel für gewerbliche Mietzahlungen im Lockdown

Von DPA

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Einzelhandel |AKTUALISIERT

Foto: Kik

Einzelhandelsunternehmen können auf Mietminderungen hoffen, wenn ihre Geschäftsräume wegen der Corona-Pandemie im Lockdown geschlossen bleiben mussten. Allerdings gibt es keine pauschale Regelung wie eine Aufteilung der Kosten je zur Hälfte auf Mietende und Vermietende.

Es müssten immer sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, entschied der Bundesgerichtshof am Mittwoch in Karlsruhe (Az. XII ZR 8/21). Mieter:innen können also nicht immer eine Anpassung der Miete verlangen. Komplizierte Prozesse dürften folgen.

Beide Seiten – Mieter:innen und Vermieter:innen – seien durch die staatlichen Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie belastet, keine Seite trage alleine Verantwortung. Aufteilungen der Miete jeweils zur Hälfte seien aber zu pauschal.

Die Miete von Kik wird neu verhandelt

Im konkreten Fall ging es um eine Filiale des Textil-Discounters Kik im Raum Chemnitz, die vom 19. März bis zum 19. April 2020 schließen musste und für die der Vermieter die volle Miete von rund 7850 Euro will.

Das Oberlandesgericht Dresden hatte entschieden, dass Kik nur etwa die Hälfte zahlen muss. Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil auf, das Gericht in Dresden muss die Sache noch einmal verhandeln.

Kik-Chef Patrick Zahn sagte: „Der Bundesgerichtshof hat mit seiner heutigen Stellungnahme Kik in seiner Praxis bestätigt, mit allen Vermietern in Einzelgesprächen über Kompensationen zu verhandeln." Mit dem überwiegenden Teil aller Vermieter:innen seien außergerichtliche Einigungen über die Teilung der Mietkosten oder Kompensationen getroffen worden. Auch mit der Beklagten, bei der Kik zwei Ladenflächen angemietet habe, gebe es für das Jahr 2021 "partnerschaftliche Einigungen".

Pandemie wird als Risiko nicht vom Mietvertrag erfasst

Durch die Corona-Pandemie habe sich ein Lebensrisiko verwirklicht, das von Mietverträgen ohne eine entsprechende Regelung nicht erfasst werde, befanden die Richter:innen des siebten Zivilsenats. Das könne keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden. Der Lockdown im Frühjahr 2020 betreffe die sogenannte große Geschäftsgrundlage, hieß es. „Darunter versteht man die Erwartung der vertragschließenden Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde."

Ein Mangel im Sinne des Gesetzes liege aber nicht vor, denn die Einzelhandelsunternehmen hätten die Räume weiter nutzen können, erläuterte der Vorsitzende Richter Hans-Joachim Dose. Betroffen von den staatlichen Maßnahmen seien nicht Beschaffenheit oder Lage des Mietobjekts, sondern lediglich die Nutzungsart und der Publikumsverkehr.

In Streitfällen müssen Gerichte nun also für jeden Fall einzeln prüfen, wie hoch die Umsatzeinbußen waren. Dabei gehe es um die konkrete Filiale, nicht um den Konzern, betonte Dose. Berücksichtigt werden müssen auch etwaige Versicherungsleistungen und inwiefern sich der Gewerbetreibende um Absicherung bemüht hat. Auch Hilfszahlungen des Staats gilt es zu bewerten, wobei Darlehen ausgenommen sind. Die entstandenen Nachteile sollten nicht überkompensiert werden.

Modeverband BTE begrüßt die Entscheidung

Das Urteil des Bundesgerichtshofs freut den Handelsverband Textil Schuhe Lederwaren BTE. Denn er bedeute, dass Mieter:innen grundsätzlich einen Anspruch auf Mietanpassungen haben, wenn Ladenschließungen von staatlicher Seite angeordnet werden, teilte der Verband am Mittwoch mit.

„Es ist nur fair, dass die Kosten und Nachteile einer erzwungenen Schließung auf Mieter und Vermieter verteilt werden”, sagte BTE-Hauptgeschäftsführer Rolf Pangels. „Von dem Urteil können tausende Textil-, Schuh- und Lederwarengeschäfte profitieren, die vor allem in den Innenstädten oft hohe Mieten zahlen und sich längst nicht immer mit ihren Vermietern über eine Mietminderung während des Lockdowns einigen konnten.“

Der Immobilienverband Deutschland IVD betonte, dass es insbesondere auf die Umstände auf Seite des Mietenden ankomme - wenngleich das Urteil so verstanden werden könne, "dass der Vermieter einen gewissen Teil nachlassen muss". "Am Ende sitzen Mieter und Vermieter in einem Boot und sind mit einer Situation konfrontiert, die so für sie nicht absehbar war", teilte Verbandspräsident Jürgen Michael Schick mit. Prozesse sollten aber die Ausnahme sein: "Einen Rechtsstreit zu vermeiden und eine einvernehmliche Lösung zu finden, wäre der beste Weg."

Fälle vor Bundesgerichtshof nehmen zu

Ende 2020 hatte der Gesetzgeber klargestellt, dass gewerbliche Mieter eine Anpassung ihres Mietvertrags verlangen können, wenn sie wegen Corona-Maßnahmen schließen müssen oder ihr Geschäft nur stark eingeschränkt öffnen dürfen. Es wird davon ausgegangen, dass Mieter und Vermieter einen Vertrag wohl nicht geschlossen hätten, wenn klar gewesen wäre, was die Zukunft bringt. Damit haben Geschäftsinhaber nicht automatisch Anspruch darauf, dass ihnen ein Teil der Miete erlassen wird. Vermieter könnten auch nur Aufschub gewähren.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die obersten Zivilrichter:innen Deutschlands mit den Folgen der Corona-Pandemie befasst haben. Die Fälle nehmen aber nun spürbar zu: Am 26. Januar soll in Karlsruhe über die Frage verhandelt werden, ob einem Gastronom Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung wegen der Schließung seiner Gaststätte infolge der Pandemie zustehen.

Und just am Mittwoch kündigte der Bundesgerichtshof an, Anfang März über Entschädigungen und Schadenersatz für coronabedingte Betriebsschließungen zu verhandeln. Der Inhaber eines Hotel- und Gaststättenbetriebs verlangt vom Land Brandenburg den Ersatz seiner Einbußen, die nicht durch gewährte Soforthilfen gedeckt wurden. (FashionUnited/dpa)

Dieser Beitrag wurde am 15:24 Uhr am 12. Januar 2022 mit Details zum Urteil, Aussagen von Kik und dem Immobilienverband, sowie mehr Hintergrundinformationen aktualisiert.

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