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“Under 30”: Forbes’ Ritterschlag für die europäische Kreativklasse

Von Jule Scott

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Luis Dobbelgarten von No/Faith Studios Credits: No/Faith Studios; Reference Studios

Die jährliche Forbes ‘Under 30’ Liste gilt als Ritterschlag für junge Talente und deren Ideen. Die 300 Gründer:innen und Innovator:innen auf der diesjährigen europäischen Liste des US-amerikanischen Wirtschaftsmagazins haben Forbes zufolge mehr als 1 Milliarde US-Dollar für Unternehmen gesammelt, die ihre jeweilige Branche neu erfinden. Unter Ihnen befinden sich jedoch nicht nur junge Unternehmer:innen, die sich der Wirtschaft oder der Industrie verschrieben haben, sondern auch junge Kreative, die die Mode- und Kunstbranche revolutionieren.

Die 30 ausgewählten Talente – das Durchschnittsalter liegt bei 27 Jahren – wurden von Forbes-Redakteur:innen zusammengestellt, die Online-Einsendungen durchforsteten, Quellen in der Branche anzapften und ehemalige Mitglieder der Liste um Empfehlungen baten. Letztlich wurden die Kandidat:innen von einem Gremium unabhängiger Expert:innen bewertet, darunter der Milliardär und Inhaber des Konglomerats OTB, zu dem unter anderem die Marken Diesel und Maison Margiela gehören, Renzo Rosso.

FashionUnited stellt 13 der Künstler:innen und Designer:innen vor, die Forbes zufolge die Zukunft der Modebranche gestalten – darunter auch ein Streetwear-Designer aus heimischen Gefilden.

Streetwear regiert die kreative Forbes-Liste

„Forbes 30 unter 30 Alumni als Schulabbrecher“, kommentierte der 23-jährige Designer und No/Faith Studio-Gründer Luis Dobbelgarten die Würdigung durch Forbes auf dem sozialen Netzwerk Instagram. Die in Deutschland ansässige Brand ging 2016 lediglich mit einem Siebdrucker, T-Shirts und einer Nähmaschine an den Start. Sieben Jahre später erzielte das Label, das insbesondere für seine Denim-Kreationen bekannt ist, einen Umsatz von 3,7 Millionen US-Dollar (etwa 3,4 Millionen Euro) und ist bei Einzelhandelsunternehmen wie Ssense und bald auch CCC erhältlich.

No/Faith Studios 2023 Bild: No/Faith Studios; Reference Studios

Ebenfalls bei Ssense zu finden sind die Sonnenbrillen von Demi Yip. Ihr Label DMY Studios gründete die heute 27-Jährige vor fünf Jahren im Haus ihrer Eltern; für 2024 erwartet die Gründerin Forbes zufolge nun einen Umsatz im siebenstelligen Bereich.

Aber zurück zur Streetwear, denn diese scheint bei den “30 Under” hoch im Kurs zu stehen. Joe Grander und Callum Vineer, die Gründer des Londoner Labels Unknown London, brachen 2021, mit gerade einmal 16 Jahren, die Schule ab, um sich ihrer eigenen Brand zu widmen. Das Duo gründete Unknown London mit dem Ziel, hochwertige Kleidungsstücke zu erschwinglichen Preisen anzubieten. Die Marke startete einst mit dem Verkauf von 50 Hoodies und Kappen über Facebook. Heutzutage wird die Marke in Einzelhandelsgeschäften wie LuisaViaRoma und HBX geführt und hat eigenen Angaben zufolge 2023 einen Umsatz von 5 Millionen US-Dollar erzielt, den sie 2024 verdoppeln wollen.

Das Thema Streetwear soll auch in der Zukunft der Influencerin Lena Mantler eine Rolle spielen, denn für diese plane sie den Launch ihrer eigenen Marke. Einen Namen machte sich Mantler an der Seite ihrer Zwillingsschwester Lisa. Im Alter von 13 Jahren starteten die beiden Videos auf Musical.ly, dem Vorgänger der Videoplattform Tiktok, zu veröffentlichen. Es folgten Kinofilme, Brand Deals mit Marken wie Marc O’Polo und Dior sowie Besuche auf der Pariser Modewoche, die der 21-Jährigen einen Platz auf der Forbes-Liste einbrachten.

Preisgewinner:innen, Modest Fashion und phyigialte Erlebnisse

Der Branche längst keine Unbekannten mehr und dennoch Neulinge auf der Forbes-Liste sind Paolina Russo und Lucile Guilmard. Die Strickwarenmarke Paolina Russo ist bei Prominenten wie den Sängerinnen Rihanna, FKA Twigs, Caroline Polachek und Phoebe Bridgers beliebt. Seit der Gründung schaffte es die gleichnamige Designerin unter die Finalist:innen des LVMH-Preises 2023 und gewann den ersten Zalando Visionary Award. 2020 sicherte sich Russo einen Vertrag für den Verkauf ihrer Abschlusskollektion bei dem Onlinehändler Ssense und schloss eine Partnerschaft mit dem Sportartikler Adidas für eine Kollektion mit olympischen Themen für die Spiele in Tokio ab. In diesem Jahr unterzeichnete die Marke einen Vertrag mit dem US-amerikanischen Einzelhändler Nordstrom, wo die Stücke noch in diesem Monat in die Regale kommen sollen.

Das Paolina-Russo-Team auf der Fashion Week in Kopenhagen Bild: ©Launchmetrics/spotlight

Ähnlich wie Russo gründete Celine Yu Hei Kwan, die Gründerin der gleichnamigen Marke Celine Kwan, ihre Marke nach ihrem Abschluss an der Londoner Universität Central Saint Martins. Ihre Entwürfe sollen von ihrer internationalen Erziehung in Hongkong und Großbritannien inspiriert sein und zeichnen sich durch Blumenmuster und dramatische Silhouetten aus, die bereits die Seiten von Magazinen wie der britischen Vogue zierten. Außerdem hat die Designerin eine Accessoire-Kollektion für die Tech-Accessoires-Marke Casetify herausgebracht.

Die Designerin Saeedah Haque arbeitete vergangenen Sommer mit Adidas-Rivale Nike zusammen, um die Nike Abaya und den Niqab mit England-Trikots vor der Frauen-Weltmeisterschaft auf den Markt zu bringen. Haque, eine autodidaktische Designerin, brachte ihr Modelabel 2021 auf den Markt, um die Bedürfnisse der neuen Generation muslimischer Mädchen nach bescheidener Kleidung zu erfüllen. Ihre Marke, Pionierin im Bereich der Streetwear-Abayas, verwandelt traditionelle Kleidungsstücke in funktionale Streetwear und versucht, die Wahrnehmung islamischer Kleidung neu zu gestalten. Bei ihrer ersten Show 2021 ließ sie sich von der FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft inspirieren und zeigte muslimische Frauen bei sportlichen und urbanen Aktivitäten, die ihr Engagement für kreativen Aktivismus unterstreichen.

Für den beruflichen Aufstieg der Influencerin, Designerin und Stylistin Sophia Roe spielt Instagram und ihre halbe Million Follower:innen eine nicht unerhebliche Rolle. Die Kopenhagenerin begann ihre Karriere 2017 als Assistant Stylist bei dem Modemagazin Vogue Scandinavia, bei dem sie seit 2021 als Fashion Editor tätig ist. Zudem gründete Roe 2021 mit der dänischen Designerin Charlotte Eskildsen eine auf nachhaltige Strickwaren und maßgeschneiderte Basics fokussierte Marke namens The Garment. Die Marke, die online bei Einzelhändler:innen wie LuisaViaRoma, Ssense und The Frankie Shop erhältlich ist, wird Forbes zufolge 2024 voraussichtlich einen Umsatz von über 6,4 Millionen US-Dollar erzielen – ein deutlicher Anstieg gegenüber 300.000 US-Dollar 2023.

Von Kleidung zu Sneakern, denn Shota Mikaia, Mitbegründer der Marke Crosty, entwirft genau diese seit 2015. Die Schuhe des Labels, das von Mikaia und seinem Bruder George gegründet wurde, ziert der georgische Schriftzug “Freiheit”, eine Anspielung an die Kindheit ihrer Familie, die im kriegsgebeutelten Abchasien aufwuchs. Weltweit wurden die Schuhe heute über 20.000 Mal verkauft, sowohl im eigenen Store im georgischen Tiflis als auch online. Noch in diesem Jahr sollen Pop-up-Stores in Los Angeles und New York folgen. Zudem strebt das junge Unternehmen einen Umsatz von 3 Millionen US-Dollar an, eine Million mehr als noch im Vorjahr.

Doch Mode, egal ob Accessoires oder Kleidung, ist längst nicht mehr nur ein haptisches Gut, wie der Eintritt der Künstlerin Stephy Fung auf die Forbes-Liste verdeutlicht. Fung ist auf digitale Mode spezialisiert und entwirft Phygitals, NFTs und digitale Outfits für das Metaversum und Augmented Reality. Seit 2020 hat Fung eine Community von rund 200.000 Follower:innen auf Instagram und TikTok aufgebaut und digitale Kampagnen für Marken wie Gucci, Highsnobiety, Dell und Snapchat entwickelt. Ihr erstes phygitales Design präsentierte sie auf einer vom Britisch Fashion Council gesponserten Veranstaltung auf der London Fashion Week im vergangenen Herbst.

Die Künstler:innen-Klasse

Auf der Forbes-Liste finden jedoch nicht nur Gründer:innen und Designer:innen ihren Platz, auch Künstler:innen und Fotografierende dürfen hier nicht fehlen. So auch Viðar Logi, ein autodidaktischer isländischer Fotograf und Videokünstler, der sich mit einer Mischung aus figurativen Formen und Landschaften einen Namen gemacht hat. 2022 gestaltete er das Albumcover und drei Musikvideos für die Sängerin Björk, was ihm eine Nominierung für das Albumcover des Jahres bei den Icelandic Music Awards einbrachte. Zudem fotografierte er bereits Kampagnen für Marken wie Thom Browne, Iris van Herpen und Del Core.

Während seine isländischen Wurzeln den Look von Logis Arbeit beeinflussen, erforscht die Fotografin Mathushaa Sagthidas, eine britische freischaffende Fotografin und Art-Direktorin, in ihrer Arbeit ihre Tamil Eelam-Identität und britische Staatsangehörigkeit. Ihre erste Ausstellung 2023, "Not Just Brown, Not Just Indian", die von der Bildagentur Getty Images und Creative Access finanziert wurde, beleuchtet die Geschichten der tamilischen Gemeinschaft. Ihre Arbeit zog auch die Aufmerksamkeit von Marken wie Amazon, Wolf & Badger und Adidas auf sich und sie arbeitete an Projekten für Tom Ford, Chelsea FC und Defected Records.

Der Dritte im Bunde, Mason Newman, widmet sich nicht der Fotografie, sondern den bildenden Künsten und produziert Gemälde, Kollagen und auch Kleidungsstücke, die sich mit Themen wie Konsumverhalten und psychischer Gesundheit befassen. Newman arbeitete 2023 mit Ed Hardy an einer Bekleidungslinie in limitierter Auflage zusammen und war damit der einzige Künstler neben Ed Hardy selbst, der auf deren Kleidungsstücken zu sehen war. Außerdem entwarf er eine Kollektion für Madonnas Marke Material Girl und fungierte als deren Kreativdirektor. Vergangenes Jahr gab er gegenüber Forbes an, fast 700.000 US-Dollar mit seiner Kunst verdient zu haben.

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