Ein Prada tragender Teufel? Vogue-Chefin Anna Wintour wird 70
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Große Sonnenbrille, akkurat geschnittener Bob mit Stirnfransen, Haute-Couture-Kleid: Anna Wintour hat sich als Marke mit Wiedererkennungswert kreiert. Jetzt wird die «Vogue»-Chefin 70. Auch mit der Queen hat sie ein gemeinsames Gesprächsthema.
Die große dunkle Sonnenbrille setzt Anna Wintour nur ganz selten ab. «Sie ist unglaublich hilfreich, denn man kann verhindern, dass Menschen wissen, worüber man gerade nachdenkt», sagte die Chefin der US-Modezeitschrift «Vogue» einmal in einem Interview mit dem Nachrichtensender CNN. «Sie hilft mir auch, wenn ich ein bisschen müde oder schläfrig bin. Und vielleicht ist sie auch ein bisschen zu so einer Art Krücke geworden von allem, was ich bin.»
Zur Sonnenbrille gehören der akkurat geschnittene braune Bob mit Stirnfransen und ein Haute-Couture-Kleid - und sofort würden wohl selbst Menschen, die sich nicht für die Mode-Branche interessieren, Wintour auf der Straße wiedererkennen. «Schon ihre Frisur ist aus dem Weltall sichtbar», witzelte jüngst der britische «Guardian».
"Ich bin ein Gewohnheitstier"
Von all dem Interesse an ihrem Aussehen hält Wintour, die am Sonntag 70 Jahre alt wird, selbst allerdings nicht so viel. Es sei keine «strategische Entscheidung» gewesen. «Ich habe mich einfach gut damit gefühlt, das war alles. Ich bin ein Gewohnheitstier.» Seit einiger Zeit sei ihr ihre Garderobe allerdings «ein bisschen langweilig» geworden, sagte Wintour vor kurzem bei einer Konferenz. «Es ist Zeit für eine Veränderung. In jüngster Zeit denke ich viel über Anzüge nach.»
Aber die 1949 in London als Tochter eines Zeitungsherausgebers geborene Wintour stellt auch klar: «Ich arbeite nicht für Anna Wintour. Ich arbeite für den Condé-Nast-Verlag. Ich habe keine eigenen Social-Media-Plattformen oder suche nach persönlicher Anerkennung.»
Bei ihrer Arbeit hat Wintour spätestens seit dem Erfolgsfilm «Der Teufel trägt Prada» von 2006, in dem Meryl Streep eine unverkennbar auf Wintour basierte Magazin-Chefredakteurin spielt, den Ruf einer teuflisch-fiesen Chefin weg, die ständig das Unmögliche will und keinerlei Fehler verzeiht. Auch das ist ein Baustein der Marke geworden - und sie trägt es mit Fassung. «Manchmal gibt es da eine bestimmte Art von persönlicher Kritik gegen mich, die wahrscheinlich ein Mann in meiner Position nicht abbekommen würde», sagt die Mode-Ikone - aber auch: «Ich bin sehr fokussiert. Also vielleicht auch wegen meiner Klarheit und meinem Fokus habe ich das nicht an mich herangelassen.»
Vogue ohne Wintour kaum denkbar
Für Condé Nast ist Wintour, die beim Londoner Nobel-Kaufhaus Harrods eine Ausbildung machte und dann über verschiedene Mode-Magazine zur «Vogue» kam, sowieso längst unverzichtbar geworden. Schon das leise Gerücht eines Rückzugs der Grande Dame jagt Schauer des Entsetzens durch die Modemagazin-Branche. Im vergangenen Jahr wurden die Gerüchte so laut, dass sich der New Yorker Verlag gezwungen sah, per Mitteilung zu erklären, Wintour sei «unglaublich talentiert und eine Kreativchefin mit unmessbarem Einfluss». Sie werde «unbefristet» weitermachen. Wintour selbst äußerte sich dazu nicht.
Seit 1988 ist Wintour, die zwischen 1984 und 1999 mit dem Kinderpsychologen David Shaffer verheiratet war und mit ihm einen Sohn und eine Tochter hat, schon Chefredakteurin der «Vogue». Die Magazinwelt um sie herum hat sich währenddessen komplett verändert. «Bei meinem ersten Job als junges Mädchen in Großbritannien war es eine tolle Sache, wenn wir 90 000 Menschen erreicht haben. Jetzt haben wir etwa 22 Millionen Fans auf dem Instagram-Account der US-«Vogue».» Gleichzeitig sinken allerdings die Print-Auflagen von vielen Magazinen immer weiter, Werbeeinnahmen brechen weg.
Journalisten müssten heutzutage Standpunkte beziehen, davon ist Wintour, die jeden Tag vor fünf Uhr früh aufsteht, überzeugt. «Die Menschen wollen wissen, woran du glaubst und wofür du stehst. In dieser Zeit der Fake News, wo Wahrheit, Werte und die Unterstützung Bedürftiger so wenig angesehen werden, haben wir eine moralische Pflicht für das einzustehen, was richtig ist.»
Herzliche mit der Queen
Wintours Standpunkt ist dabei entschieden auf Seiten der Demokraten: Die frühere First Lady Michelle Obama und die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton feierte sie auf dem Cover der «Vogue». Der Auftritt der derzeitigen First Lady Melania Trump im Hochzeitskleid auf dem Titelbild der «Vogue» 2005 bleibt dagegen bislang ihr einziger. Und auch in Hinblick auf Melanias Mann und US-Präsident Donald Trump ist Wintours Meinung eindeutig. Was der tun könne, um zur legendären «Met Gala» eingeladen zu werden, mit der Wintour jedes Jahr die Party mit der begehrtesten Gästeliste New Yorks feiert? «Absolut nichts.»
Eine herzliche Beziehung hat Wintour dagegen mit der Queen. Seit 2017 darf die Mode-Ikone sich nach Auszeichnung der britischen Monarchin «Dame» nennen, ein Jahr später saßen die beiden Frauen nebeneinander in der ersten Reihe der Londoner Modewoche. «Wir haben darüber gesprochen», erzählte Wintour danach, «wie lange wir beide schon unsere jeweiligen Jobs machen.» (dpa)
Bild: Tiziana Fabi / AFP