Bottega Veneta unter weiblicher Federführung – welche Zukunft schreibt Louise Trotter?
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Die neue Frau an der Spitze – was bringt Louise Trotters Debüt bei Bottega Veneta auf der Mailänder Modewoche?
In den vergangenen Saisons hielten Spekulationen und Gerüchte über mögliche Ankünfte und Abgänge von Kreativdirektor:innen die Modebranche in Atem. Mittlerweile, da die meisten Positionen langsam, aber stetig besetzt wurden, verschiebt sich die Frage vom „Wer?“ zum „Was?“. Für die Frühjahr/Sommer-2026-Saison stehen nun die ersten vollständigen Debüts der Kreativdirektor:innen in ihren neuen Häusern bevor. Auffällig ist dabei jedoch, dass unter all den Designenden nur eine Frau an der Spitze eines namhaften Modehauses debütiert: Louise Trotter bei Bottega Veneta.
Doch was kann man von ihrer ersten Kollektion erwarten, die an diesem Samstagabend vorgestellt wird?
Tritt Louise Trotter aus dem Schatten heraus?
Trotter, die ihre Rolle bei Bottega Veneta Ende Januar 2025 übernahm, ist nicht nur die einzige weibliche Kreativdirektorin unter den Designenden, die in dieser Saison debütieren, sondern auch die einzige innerhalb der Kering Group, dem französischen Luxusgüterkonzern, zu dem Bottega Veneta sowie andere Luxusmarken wie Gucci, Saint Laurent, Alexander McQueen und Balenciaga gehören.
Während ihre männlichen Kollegen –insbesondere Demna Gvasalia mit seiner mit Spannung erwarteten ersten Kollektion für Gucci – bereits Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, blieb Trotter bislang, ähnlich wie bei ihrer Ankündigung, die zeitgleich mit Matthieu Blazys Ernennung zum Kreativdirektor bei Chanel erfolgte, weitgehend im Schatten.
Das sollte sie jedoch nicht – ihre Ernennung ist keineswegs weniger bedeutend als die ihrer männlichen Kollegen. Im Gegenteil, ihre Berufung könnte ein Zeichen dafür sein, dass die langjährige Forderung nach mehr weiblich geführten Modehäusern endlich von Entscheidungsträger:innen wie Kering anerkannt wird. Dabei war oder sollte ihr Geschlecht jedoch nie der einzige Faktor für ihre Auswahl sein.
Trotter hat ihr Talent bereits in führenden Modehäusern wie Joseph, Lacoste und zuletzt Carven unter Beweis gestellt. Bei Bottega Veneta steht sie nun zum ersten Mal an der Spitze eines so prestigeträchtigen Hauses – und das zu einem Zeitpunkt, in dem es auf dem Höhepunkt seines Erfolges ist.
Kein „NewNew“ Bottega Veneta?
Als Trotter im Februar 2023 zu Carven kam, bestand ihre Aufgabe darin, ein Modehaus, das aus der Mode geraten war, wiederzubeleben. Obwohl sie die Marke erfolgreich auf den Laufsteg zurückführte und positive Kritiken erhielt, dauerte ihre Amtszeit beim historischen französischen Haus weniger als zwei Jahre. Diese Erfahrung ebnete ihr jedoch offenbar den Weg für die Rolle bei Bottega Veneta.
„Louise bringt eine Fülle an Erfahrung und eine frische Perspektive in die Tradition von Bottega Veneta, die von mutiger Kreativität und unvergleichlicher Exzellenz geprägt ist“, sagte Francesca Bellettini, damals stellvertretende CEO von Kering für Markenentwicklung. „Sie ist das ideale kreative Talent, um gemeinsam mit Leo Rongone und dem Team von Bottega Veneta die bemerkenswerte Reise fortzuführen, die mit Matthieu Blazy begann […]“
Ob Trotter Bottega Veneta vollständig mit ihrer eigenen Vision realisieren kann, bleibt abzuwarten. Die Aussagen von Bellettini – mittlerweile CEO von Gucci – legen jedoch nahe, dass Trotter die Arbeit eher fortführen als radikal neu erfinden wird. Das erscheint nachvollziehbar, denn angesichts der steigenden Umsätze und der stabilen Performance der Marke in den vergangenen Jahren wäre eine drastische Transformation weder wahrscheinlich noch notwendig.
Die Marke hat bereits mehrere hochkarätige Neuinterpretationen durchlaufen. 2018 machte „NewBottega“ Schlagzeilen – ein Name, den Fans des damals neuen Kreativdirektors Daniel Lee Bottega Veneta gaben. Teilweise als Anerkennung seines transformativen Ansatzes, teilweise als Hashtag nach der Social-Media-Pause der Marke Anfang 2021. Blazy leitete später eine weitere „neue“ Ära für Bottega ein, und nun könnte Trotter 2025 zumindest ein Kapitel aufschlagen. Darin wird es wahrscheinlich vor allem um die Stärkung der Kernwerte einer Marke gehen, die in den letzten Jahren bereits positive Veränderungen erlebt hat.
Kering wird kaum riskieren, dass die Umsätze zurückgehen oder stagnieren, zumal Bottega Veneta eines der wenigen Häuser innerhalb des Konzerns ist, das ein leichtes Umsatzplus verzeichnete. Im ersten Halbjahr 2025 hielt Bottega Veneta den Umsatz mit einem Plus von einem Prozent auf 846 Millionen Euro, während die anderen Marken Rückgänge meldeten.
Von Frauen für Frauen
Auf den ersten Blick stellt sich daher die Frage, warum überhaupt ein Wechsel bei Bottega nötig war. Die einfache Antwort lautet, dass Blazy zu Chanel wechselte und ein Ersatz gefunden werden musste.
Doch Trotters Ernennung ist weit mehr als das. Ihre Designs werden oft in einem Atemzug mit Phoebe Philo und der The Row genannt – zwei der meistgeliebten weiblich geführten Marken der Modewelt. Zudem bringt sie eine Perspektive ein, die Blazy und seine Zeitgenossen nicht hatten: Sie entwirft für Frauen aus der Sicht einer Frau, ein Blickwinkel, der in der Branche in den letzten Jahren zunehmend verloren gegangen ist.
Hinzu kommt eine Bodenständigkeit, die in der Luxusmode oft fehlt. Trotter begann ihre Karriere bei zeitgenössischen Labels wie der britischen Marke Whistles, arbeitete dann bei Calvin Klein Jeans unter Calvin Klein selbst und leitete später die Damenabteilung bei Gap. Danach wechselte sie in den High-End-Bereich als Kreativdirektorin bei Joseph, wo sie das Haus erfolgreich wieder auf den Laufsteg brachte – ähnlich wie bei Carven in den letzten zwei Jahren. Bei Lacoste setzte sie denselben pragmatischen und zugleich eleganten Ansatz um, bestand darauf, dass Models nur flache Schuhe tragen, und verlieh der Marke und ihrem ikonischen Krokodil eine unprätentiöse Eleganz, die den sportlichen Wurzeln treu blieb.
Dabei bewahrte sie stets eine tiefe Wertschätzung für Handwerkskunst, Detailgenauigkeit und Raffinesse – Eigenschaften, für die auch Blazys Bottega Veneta bekannt ist. In Kombination mit ihrer Fähigkeit, weniger als radikale Neuerfinderin, sondern vielmehr als kreative Hüterin der Markenidentität zu agieren, liefert dies einen starken Hinweis darauf, was ihre erste Kollektion für Bottega Veneta erwarten lässt.
Ein Debüt mit Vorschau
Nicht alles bleibt der Spekulation überlassen, denn Trotter hat bereits mehrere Looks präsentiert, die einen ersten Eindruck von ihrem Debüt geben. Auf den Filmfestivals in Cannes und Venedig blieb sie nicht nur ihren langjährigen Markenbotschafter:innen – Julianne Moore und Jacob Elordi – treu, sondern stellte mit Vicky Krieps auch ein neues Gesicht der Marke vor.
Die ersten Einblicke waren vielsagend. In Venedig wechselte Elordi zwischen entspannten Karomustern und Khakis, einem weiten weißen Ensemble für einen Fototermin und einem scharf geschnittenen Doppelreiher-Sakko für die Premiere von ‘Frankenstein’, während Krieps auf dem roten Teppich von ‘Father Mother Sister Brother’ in einem skulpturalen, asymmetrischen schwarzen Kleid mit Lederapplikationen und einer aufrechten, strukturierten Linie erschien.
Nur wenige Tage zuvor präsentierte Moore Trotters erstes Design für Bottega Veneta: ein schwarzes, trägerloses Kleid mit Lederquasten. Die Schauspielerin bedankte sich später auf Instagram „dafür, dass ich dein erstes Kleid für Bottega Veneta tragen durfte“, während Trotter den Prozess, Moore und Krieps einzukleiden, in einem Interview mit Vogue als „ein Gespräch – Frau zu Frau, Kreative zu Kreative“ beschrieb.
Neben mehreren neuen Kreationen und maßgeschneiderten Stücken, die unter Trotters Leitung entstanden, kombinierten beide Schauspielerinnen ihre Outfits mit Schmuck und Accessoires des Hauses. Moore trug sogar eine Archiv-Intrecciato-Clutch, die einst von Lauren Hutton in American Gigolo berühmt gemacht wurde – eine Wahl, die weniger nostalgisch wirkte, als vielmehr einen subtilen Hinweis darauf lieferte, wie Trotter Bottegas Vergangenheit in ihre Arbeit einfließen lassen könnte.
Trotters erste Monate bei Bottega Veneta deuten auf ein sorgfältiges Abwägen von Tradition und Innovation hin. Vor ihrem Debüt tauchte die Designerin offenbar tief in die norditalenische Gemeinde Montebello Vicentino ein, wo sich die Archive und Werkstätten des Hauses befinden. Dort erzählte sie dem Modemagazin Vogue, dass sie jahrzehntealte Stücke studiert habe, die noch immer erstaunlich relevant wirken.
Anders als viele ihrer Zeitgenoss:innen, deren Debüts von kühnen Neuerfindungen und dramatischen Inszenierungen – oder gar Filmprojekten – geprägt sind, geht Trotter eher behutsam vor. Dabei zeigt sich ein Bewusstsein dafür, die Vergangenheit zu verstehen, um die Zukunft zu gestalten. Und wenn man ihren ersten Auftritten auf dem roten Teppich Glauben schenkt, ist sie bereit, Blazys Wiederbelebung der Marke fortzuführen – jedoch mit einer ruhigeren, sorgfältig ausgearbeiteten Eleganz, die Kontinuität über spektakuläre Effekte stellt.