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Bottega Veneta und Daniel Lee: Warum die Trennung?

Von Herve Dewintre

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Daniel Lees Weggang von Bottega Veneta hat alle überrascht. Erst Mitte 2018 war er zum Creative Director von Bottega Veneta ernannt worden. Sein Weggang wird laut der englischsprachigen Presse mit internen Unstimmigkeiten zwischen dem Designer und dem Team von Bottega Veneta begründet. Sein Nachfolger Matthieu Blazy, der am Montag zum neuen Creative Director berufen wurde, kommt aus den eigenen Reihen des italienischen Modehauses.

Drei Jahre sind eine kurze Zeit. Vor allem, wenn der künstlerische Leiter die Relevanz seiner Vision durch einen Umsatzsprung bewiesen hat. Aber die Sache ist die: Sehr oft beruht echte Originalität auf einem anderen Temperament des neuen Designers und einer Änderung der Gewohnheiten. Was aber zu Zeiten von Yves Saint Laurent noch akzeptabel war und sogar bewundert wurde – er war für seine Stimmungsschwankungen bekannt – ist in der Ära der großen Konzerne mit finanziellen Interessen nicht mehr angebracht.

Das ist es im Wesentlichen, was nach den ersten Presseberichten gerade bei Bottega Veneta passiert ist. Natürlich wird in der Pressemitteilung von einer gemeinsamen Vereinbarung fabuliert, und jede beteiligte Partei preist die tolle gemeinsame Erfahrung an, aber letztendlich durchschauen alle die Schönfärberei. Diese Trennung ist eine unerwartete, die umso unerklärlicher ist, als sich die Bilanzen hervorragend lesen. Seit seiner Ankunft im Juni 2018 bei dem 1966 in Vicenza gegründeten italienischen Luxushaus, das seit 2001 zu Kering gehört, hat Daniel Lee zahlreiche Erfolge erzielt: 2019 löste er mit seiner weichen Clutch The Pouch einen Hype bei den Fashionistas aus, dann bezirzte er sie mit seinen kurvigen Pantoletten aus hausgemachtem Intrecciato-Geflecht und schließlich gewann er die Herzen mit seinem Puddle Boot aus biologisch abbaubarem, schlammabweisendem Gummi.

Nach Jahren schleppender Absätze hat die italienische Marke damit wieder etwas Farbe bekommen. Während Gucci für das Jahr 2020 ein deutliches Minus verzeichnete (minus 21,5 Prozent im Vergleich zu 2019) und Saint Laurent mit 1,7 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2020 um 13,8 Prozent rückläufig war, sorgte Bottega Veneta für eine Überraschung, indem es mit einem Umsatz von 1,2 Milliarden Euro (plus 4,8 Prozent) zum Wachstum zurückkehrte. Obwohl der Designer beschlossen hatte, die Marke aus den sozialen Medien zu nehmen, wurden seine Kollektionen durch ein beeindruckendes Gesamtwachstum unterstützt. Und keine Wolke trübte diese sensationellen Ergebnisse, die in den USA ebenso gut waren wie im asiatisch-pazifischen Raum. Von den 13,1 Milliarden Euro Umsatz, die Kering weltweit erzielt, entfallen 57 Prozent auf Gucci, 13 Prozent auf Saint Laurent und neu Prozent auf Bottega Veneta.

Bedeutende und laufende Abgänge

Überraschenderweise scheint die Kündigung von Daniel Lee bereits in Kraft getreten zu sein. Das kommt einer fristlosen Entlassung gleich. Der englische Designer hatte seine neue Kollektion erst vor drei Wochen, in Detroit, vorgestellt. Natürlich außerhalb des Modewochen-Kalenders, ganz nach den Wünschen des ikonoklastischen Designers. In den sozialen Netzwerken wurde über eine Party in einem Berliner Nachtclub berichtet, auf der die Gäste des britischen Designers ohne Masken tanzten, was aber nur einen kleinen Medienskandal nach sich zog. Was ist also passiert?

Es gibt Gerüchte über eine bevorstehende Zusammenarbeit zwischen Phoebe Philo (die ihr Haus mit der Unterstützung von LVMH lancieren wird) und Daniel Lee, der der erfolgreichste Assistent der Designerin war, als er mit ihr bei Céline zusammenarbeitete. Aber die englischsprachige Presse glaubt diese Version nicht. Bei Women's Wear Daily heißt es zum Beispiel, dass die Arbeitsmethoden des Designers schwierig gewesen seien. Wichtige und langjährige Mitarbeitende des Hauses hätten die Tür zugeknallt. Die Zeitung zitiert eine Quelle mit den Worten: „Niemand bestreitet sein Talent, aber auf persönlicher Ebene ist es eine andere Sache, wenn es darum geht, wie man Beziehungen führt. Er arbeitete oft nachts, was ein Problem in Sachen Arbeitszeiten darstellte. Viele Menschen sind gegangen.“

Eine andere Quelle sagt: „Ein hochrangiger und sehr zuverlässiger Experte der Abteilung für Betrieb und Lieferkette am Hauptsitz in Vicenza – ein wichtiger Bezugspunkt für das Unternehmen – ist letzte Woche zurückgetreten. Einer von vielen Rücktritten. Das muss der letzte Strohhalm gewesen sein.“ Eine Theorie, die Teo Van den Broeke, Style Director von GQ, bestätigt: „Ist in den Werkstätten der Zentrale etwas Ungewöhnliches passiert? Das werden wir wahrscheinlich nie erfahren. Aber es muss etwas Wichtiges passiert sein, damit eine so schnelle Veränderung stattfinden kann.“

Daniel Lees Vision ist originell. Seine Arbeit bei Bottega Veneta wurde nicht durch die Sozialen Medien verwässert, die heute mit austauschbaren Instagram-Posts zwischen den Marken kaum noch Unterschiede zeigen. Er lehnte die von den sozialen Netzwerken begünstigte Homogenisierung der Kultur ab. Leider waren auch die Arbeitsmethoden des Designers ikonoklastisch. Die Handwerker:innen des Hauses waren mit der Atmosphäre im Unternehmen nicht zufrieden. Was in den Modehäusern des letzten Jahrhunderts möglich war – eine autokratische Führungsweise – ist heute nicht mehr möglich.

Wie dem auch sei, in einer am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung wies Barclays darauf hin, dass der Weggang von Daniel Lee aus Analysten-Sicht ein negatives Signal sei, da der Schöpfer „der Marke einen Schub gegeben hat, die nach einer Phase der Transformation des Hauses 2019 zu einem positiven organischen Wachstum zurückgekehrt ist.“ Der schönste Tribut zum Schluss.

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