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Wie wahrscheinlich ist ein EU-weites Pelzverbot?

Auch wenn eine EU-Behörde jüngst urteilte, dass die Haltung von Pelztieren mit dem EU-Tierschutzrecht nicht vereinbar sei, ist die Pelz-Lobby stark.
Von Simone Preuss

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Ein schönes Fell ist für viele Tiere kein Grund zur Freude. Bild: Jeremy Bishop / Unsplash

Ein am Mittwoch veröffentlichter Bericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist zu dem Urteil gekommen, dass die Haltung von Pelztieren nicht mit dem EU-Tierschutzrecht vereinbar sei. „Weder Prävention noch substanzielle Minderung der identifizierten [Tierschutzprobleme] sind im aktuellen System möglich“, heißt es im Bericht.

Untersucht wurde die Haltung von Rot- und Polarfüchsen, Nerzen, Mardern und Chinchillas zur Pelzgewinnung und festgestellt, dass diese nur mit gravierenden Problemen wie Verhaltensstörungen, schweren Verletzungen oder chronischem Stress einhergeht.

Die Europäische Kommission will bis spätestens März 2026 gesetzgeberisch aktiv werden, stufte den speziell für die Pelzproduktion eingeführten Amerikanischen Nerz aber bereits als invasive Art ein. Dies bedeutet, dass EU-Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Zucht und Handel mit Tieren dieser Art zu verbieten.

„Dieser Bericht markiert eine entscheidende Zäsur. Was Tierrechtsorganisationen seit Jahren aufdecken, wird nun auch wissenschaftlich bestätigt: Pelzfarmen bedeuten systematisches Leid“, kommentiert Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender der Tierrechtsorganisation Aninova, in einer Mitteilung. „Die EU muss daraus Konsequenzen ziehen und die Pelztierzucht endlich verbieten“, fordert er.

„Die Grausamkeit der Pelztierindustrie hat in einem modernen, mitfühlenden Europa keinen Platz. Der einzig humane und ethisch vertretbare Weg ist jetzt ein EU-weites Verbot der Pelztierzucht – ohne Verzögerung. Ein solches Verbot wäre ein Meilenstein im Kampf gegen eine der schlimmsten und veraltetsten Formen von Tierquälerei in der EU – und würde zugleich die Stimmen von über 1,5 Millionen EU-Bürger:innen ehren, die die Europäische Bürgerinitiative für ein pelzfreies Europa unterzeichnet haben“, findet auch Joanna Swabe, Senior Director Public Affairs bei Humane World for Animals Europe.

Es gibt viele Gründe für ein Verbot der Pelztierhaltung…

Europäische Bürger:innen fordern schon seit einiger Zeit ein EU-weites Pelzverbot und sammelten über die europäische Bürgerinitiative Fur Free Europe 2023 bereits über 1,5 Millionen Unterschriften. Auch Aninova trug zur Aufklärung bei (damals noch unter dem Namen Deutsches Tierschutzbüro) und veröffentlichte zusammen mit dem Meeresbiologen und Aktivisten Robert Marc Lehmann erschütternde Bilder aus polnischen Pelzfarmen.

Der Tierschutzorganisation Humane World for Animals Europe (ehemals Humane Society International) zufolge sind weltweit bereits über 1.600 Marken und Einzelhandelsunternehmen pelzfrei geworden - darunter Max Mara, Kering, Peek & Cloppenburg Düsseldorf, Dolce & Gabbana und Mytheresa.

Auch viele Fashion Weeks wie die in London, Kopenhagen, Amsterdam, Helsinki, Los Angeles und Melbourne entscheiden sich zunehmend, pelzfrei zu werden. Viele - wie New York, Paris, Mailand und Berlin - sind es aber noch nicht.

Die Pelztierhaltung birgt jedoch nicht nur Risiken für Tiere, sondern auch für Menschen: So warnt der EFSA-Bericht vor Risiken für die öffentliche Gesundheit, etwa durch zoonotische Erreger wie SARS-CoV-2.

Ein weiterer Nachteil ist die Gefahr für die Biodiversität: Entkommene Tiere gelten in vielen Regionen als invasive Arten, die heimische Ökosysteme bedrohen.

Aninova fordert deshalb ein sofortiges EU-weites Verbot der Pelztierzucht sowie ein Importverbot für Pelzprodukte aus Drittländern. „Nur durch ein vollständiges Ende der Pelzproduktion und des Pelzhandels kann verhindert werden, dass weiterhin Tiere für Luxusartikel leiden müssen“, so die Tierrechtsorganisation.

… doch die Pelz-Lobby ist stark

Auch wenn sich die Pelztierhaltung europaweit bereits auf dem Rückmarsch befindet und in mehr als der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten verboten ist, gibt es noch elf Länder, die an der Pelzproduktion festhalten - darunter Finnland, Polen, Dänemark, Spanien und Griechenland.

Dies führt dazu, dass die EU noch für 63 Prozent der weltweiten Nerzproduktion und 70 Prozent der Fuchsproduktion verantwortlich ist, so ein Artikel in Sentient Media vom Mai 2024. Zahlen von Humane World for Animals Europe zufolge werden in Europa insgesamt auf fast 1.200 Pelztierfarmen noch über 6 Millionen Nerze, Marderhunde, Füchse und Chinchillas gehalten.

Dänemark allein produzierte vor der Corona-Pandemie noch 28 Prozent der weltweiten Nerzfelle auf mehr als 1.000 Farmen, doch Millionen von Tieren wurden 2020 getötet, um den Ausbruch eines mutierten Corona-Viruses zu verhindern.

In Deutschland und Österreich ähnelt sich die Situation, ebenso in Schweden und Bulgarien - auch wenn die Pelztierhaltung und -farmen nicht ausdrücklich verboten sind, machen rechtliche Auflagen diese unrentabel, was zu einer Schließung der letzten Pelztierfarmen geführt hat. Als erstes europäisches Land verhängte die Schweiz ein Importverbot von tierquälerisch erzeugten Pelzen und Pelzprodukten, das am 1. Juli 2025 in Kraft trat.

Die Pelzindustrie verfügt zudem über erhebliche finanzielle Mittel, um Lobbyarbeit bei EU-Institutionen zu betreiben, etwa zu Themen wie Landwirtschaft, Handel und Umweltpolitik. Der Internationale Pelzverband (IFF) erhält Gelder von Luxuskonzernen, in der Vergangenheit etwa von LVMH, zu dem Marken wie Louis Vuitton, Dior und Givenchy gehören. Der Verband ist gut vernetzt und hat Mitglieder in über 40 Ländern und umfasst 56 Mitgliedsverbände, die ein breites Spektrum des Pelzhandels repräsentieren und verschiedene Aspekte der Pelzlieferkette abdecken, darunter Landwirt:innen, Auktionshäuser, Einzelhändler:innen und Designer:innen.

Auch wenn Logik und Mitgefühl eindeutig für ein Verbot der Pelztierhaltung sprechen, sind kommerzielle Interessen und die Vernetzung derer, die von der Pelztierhaltung profitieren, nicht zu verachten. Die Verzweigung der Pelzbranche, die Haltung, Zucht, Handel, Produktherstellung und mehr umschließt sowie Schlupflöcher (wie etwa die EU-Regelung zu invasiven Arten) erleichtern die Aufgabe nicht. Sollte ein EU-weites Pelzverbot durchgesetzt werden, bleibt nur zu hoffen, dass es auch umfassend genug ist, um Umgehungen zu verhindern.

Der komplette Bericht „Welfare of American mink, red and Arctic foxes, raccoon dog and chinchilla kept for fur production“ kann online im EFSA Journal eingesehen werden.

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Dieser Artikel wurde am 31. Juli 2025 um 13:30 Uhr mit Informationen von Humane World for Animals Europe aktualisiert.

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