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Wenn Mode auf Proteinfasern trifft: „Biotechnologie kann eine starke Kraft für das Gute sein“

Das japanische Bio-Venture-Unternehmen Spiber hat bisher mit 45 Marken an 193 Produkten zusammengearbeitet, zuletzt mit der Haute-Couture-Designerin Iris van Herpen.
Von Simone Preuss

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Mode|Interview
Die niederländische Haute-Couture-Designerin Iris van Herpen präsentierte auf der Paris Fashion Week HW25 ein Brautkleid aus „Brewed Protein”-Fasern. Bild: BTS: Delphine Chevalier / Looks: Molly SJ Lowe

Spiber ist ein Bio-Venture-Unternehmen aus Japan, das die Kraft der Fermentation nutzt, um Fasern herzustellen. Wie muss man sich das vorstellen? Es begann mit den Bioinformatik-Forschern Kazuhide Sekiyama und Junichi Sugahara, die 2004 Methoden zur Herstellung von Spinnennetzfasern durch Fermentation untersuchten. Drei Jahre später nutzten sie ihre Forschung, um die Umweltprobleme der Textilindustrie anzugehen und entwickelten ein Protein speziell für hochwertige Textilanwendungen.

Vor zehn Jahren gelang der Durchbruch: Spiber entwickelte biobasierte und biologisch abbaubare „Brewed Protein“-Fasern. Dazu wurde proprietäre DNA in Mikroorganismen eingebaut, um ein bestimmtes Protein zu produzieren. Zucker aus Zuckerrohr dient als Hauptbestandteil der Proteinproduktion. „Brewed Protein“-Fasern sind derzeit die einzigen Proteinfasern gemäß ISO-Norm, die durch ein Präzisionsfermentationsverfahren hergestellt werden und im industriellen Maßstab verfügbar sind.

Näher betrachtet - Textil aus „Brewed Protein”-Fasern. Bild: Spiber
Die japanische Bekleidungsmarke United Arrows brachte Anfang des Jahres insgesamt 15 Produkte mit Brewed Protein”-Fasern auf den Markt. Bild: United Arrows

Verfügbar sind Stapelfasern, Tops/Sliver und gesponnenes Garn, alle mit einem seidenartigen Glanz sowie geruchsabweisenden und antibakteriellen Eigenschaften (bei einigen Anwendungen). Am Ende ihrer Lebensdauer können „Brewed Protein”-Fasern in Nährstoffe zerlegt und als Rohstoff für die Produktion neuer „Brewed Protein”-Materialien wiederverwendet werden. Dies wurde im Labormaßstab demonstriert.

Ein weiterer Durchbruch gelang Spiber 2019 mit der Markteinführung des ersten Produkts mit „Brewed Protein”-Fasern – dem Moon Parka, zusammen mit der japanischen Sportbekleidungsmarke Goldwin. Weitere Kooperationen folgten, zum Beispiel mit dem Outdoor-Bekleidungsunternehmen The North Face, dem kalifornischen Mode- und Designhändler Ron Herman, demLuxus-Outdoor-Bekleidungsunternehmen Woolrich, dem italienischen Modeunternehmen Pangaia und der japanischen Luxusmodemarke Sacai. 

Der Moon Parka, der in gemeinsamer Forschung mit Goldwin Inc. entwickelt wurde, ist die weltweit erste Oberbekleidung aus „Brewed Protein”-Fasern. Bild: Spiber & Goldwin Inc.

Im selben Jahr kamen „Brewed Protein“-Fasern erstmals mit Haute Couture in Berührung: Der japanische Modedesigner Yuima Nakazato entdeckte sie für seine Kreationen und verwendete eine einzigartige Textilmodellierungstechnik namens „Biosmocking“.

Im Juli 2025 präsentierte dann die niederländische Haute-Couture-Designerin Iris van Herpen auf der Paris Fashion Week HW25 ein Brautkleid aus „Brewed Protein“-Fasern. FashionUnited sprach mit Ayana Nakajima, Regional Marketing Managerin bei Spiber, die die Zusammenarbeit mit Iris van Herpen betreute, über Herausforderungen, Erkenntnisse und den ungewöhnlichen Weg des Unternehmens.

Es muss spannend gewesen sein, mit Ihrer Materialinnovation in die Welt von Haute Couture einzutauchen: Können Sie uns etwas mehr über die Zusammenarbeit mit Iris van Herpen erzählen?

Die Zusammenarbeit mit Iris van Herpen war naheliegend. Iris ist eine außergewöhnliche Couturierin, die sich, wie wir, stark von der Natur inspirieren lässt und von der Überzeugung geleitet wird, dass Mode und Nachhaltigkeit durch Kunst koexistieren können. Wir hatten uns schon seit mehreren Jahren gegenseitig wahrgenommen, aber eine gemeinsame Verbindung brachte uns schließlich nach einiger Zeit zur Zusammenarbeit.

Die Kooperation basierte auf der gemeinsamen Überzeugung, dass Kreativität, Technologie und Nachhaltigkeit keine getrennten Bestrebungen sind, sondern eng miteinander verbundene Elemente einer einheitlichen Vision. Wir schätzen die Zusammenarbeit mit visionären Designer:innen und Künstler:innen wie Iris sehr, da sie eine entscheidende Rolle dabei spielen, das volle kreative Potenzial der „Brewed Protein“-Fasern von Spiber auszuschöpfen und neue Möglichkeiten für die Zukunft nachhaltiger Mode zu inspirieren.

Und das war nicht der erste Kontakt mit der Haute-Couture-Welt...

Ja, genau. Wir arbeiten seit 2019 mit dem japanischen Couturier Yuima Nakazato zusammen, daher ist die Welt der Couture für uns nicht völlig neu. Von den Anfängen unserer Materialentwicklung an sah Yuima Nakazato Potenzial, wo andere vielleicht Einschränkungen sahen. Er konzentrierte sich auf Fasern mit einer hohen Schrumpfrate und verwandelte das, was wir einst als Makel betrachteten, in kreative Möglichkeiten.

Dies führte zur Entwicklung von „Biosmocking“, einer Technik, die diese Fasern in einzigartige, individuelle Couture-Stücke verwandelte. Es handelt sich um eine Textilmodellierungstechnik zur Erzeugung dreidimensionaler Texturen, die den Kleidungsstücken neue Tiefe verleiht, indem die Superkontraktion oder die Formveränderungseigenschaften von „Brewed Protein“-Materialien, die speziell für Yuima Nakazato entwickelt wurden, durch digitale Fertigung präzise gesteuert werden.

Yuima Nakazatos HW 2024–2025 Couture-Kollektion „Unveil“ auf der Haute Couture Woche in Paris mit„"Brewed Protein“-Materialien. Bild: Yuima Nakazato

Seine Vision geht über das „Biosmocking“ hinaus. Er lotet ständig die Grenzen des Möglichen aus, stellt sich den Herausforderungen der Verwendung neuer Materialien und arbeitet mit uns zusammen, um diese Innovationen einem breiten Publikum zu vermitteln und zu verbreiten. Seine Arbeit in der Haute Couture, einem Bereich, in dem Kreativität und Autorität herrschen, zeigt immer wieder neue Möglichkeiten auf und inspiriert uns, unsere eigenen Grenzen zu überdenken.

Was waren einige der Herausforderungen, um sicherzustellen, dass das Material im Bereich der Haute Couture funktioniert?

Bei dieser speziellen Zusammenarbeit mit Iris van Herpen lag der Fokus nicht primär auf der Materialleistung. Stattdessen ging es darum zu erforschen, wie „Brewed Protein“-Materialien die Schaffung von Formen unterstützen können, die sowohl strukturell raffiniert als auch fließend in der Bewegung sind und technische Präzision mit einer poetischen, fast ätherischen Ästhetik verbinden. Das entstandene Kleid verbindet nahtlos Struktur und Fluidität und verschmilzt technische Präzision mit künstlerischem Ausdruck. Es repräsentiert nicht nur einen einzelnen Laufstegmoment, sondern eine Vision dessen, was an der Schnittstelle von Materialinnovation und Design möglich ist.

Iris van Herpens Brautdesign für HW25. Bild: BTS: Delphine Chevalier / Looks: Molly SJ Lowe

Wir glauben an die Ausdruckskraft von Materialien, ihre Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, Emotionen zu wecken und unsere Beziehung zur Natur zu verändern. Diese erste Zusammenarbeit mit Iris van Herpen hat unsere gemeinsamen Werte auf wunderbare Weise zum Leben erweckt.

Wie war das Feedback der Marken und Herstellenden, die „Brewed Protein“-Fasern in ihre Ready-to-wear-Kollektionen integriert haben?

Das Feedback, das wir bisher erhalten haben, war sehr ermutigend. „Brewed Protein“-Materialien, ob als Stapelfaser, Garn oder Stoff, werden oft für ihre Weichheit und den Komfort gelobt, den sie bei Bekleidungsanwendungen bieten. Eine der Stärken dieses Materials ist seine Vielseitigkeit: Je nach Faserlänge, Spinnverfahren und Gewebekonstruktion können „Brewed Protein“-Fasern eine breite Palette an ästhetischen und taktilen Ausdrücken erzeugen. Beispielsweise können sie bei der Verwendung in Kammgarn-Spinnverfahren ein glänzendes, schimmerndes Finish mit einer glatten, eleganten Haptik erzeugen.

Die endgültige Textur und Haptik des Gewebes kann jedoch je nach Verarbeitung erheblich variieren, sodass das Material Designer:innen und Hersteller:innen eine neue Leinwand für Kreativität bietet. Viele Partner:innen haben die Weichheit als Hauptvorteil hervorgehoben, und wir arbeiten auch aktiv mit Marken zusammen, um die funktionellen Eigenschaften zu erforschen, wenn „Brewed Protein“-Fasern mit anderen Fasern gemischt werden. Es ist eine fortwährende Entdeckungsreise, und wir freuen uns darauf, das Material gemeinsam mit unseren Partner:innen weiterzuentwickeln.

„Brewed Protein“-Fasern haben viele einzigartige Eigenschaften und können so modifiziert werden, dass sie wie Leder und sogar Pelz aussehen. Bild: Spiber

Was war Ihre größte Erkenntnis seit der Entwicklung der „Brewed Protein“-Fasern?

Wir haben gelernt, dass die Entwicklung neuer Materialien viel Zeit und Kapital erfordert, insbesondere beim Übergang von Laborprototypen zur zuverlässigen, kosteneffizienten Massenproduktion. Diese Skalierung erfordert nicht nur technische Innovationen, sondern auch ein grundlegendes Überdenken von Betriebsabläufen und Lieferketten. Bei Spiber haben wir uns dieser Herausforderung gestellt, indem wir den gesamten Prozess der Herstellung unserer Proteinpolymere im eigenen Haus verwalten und kontinuierlich iterieren und verfeinern. Mit Blick auf die Zukunft setzen wir uns dafür ein, zukunftsweisende nachhaltige Produktionsmethoden wie die Verwendung von nicht essbaren Rohstoffen zu entwickeln, um die Grenzen der Materialinnovation zu erweitern und eine verantwortungsvollere Zukunft für die Fertigung zu gestalten.

Der Fermentationsprozess. Bild: Spiber

Nach früheren Kollaborationen, wie der im Modebereich mit Iris van Herpen, im Textilbereich mit Manifattura Sesia und Achille Pinto sowie mit japanischen Hersteller:innen, welche zukünftigen Kollaborationen sind geplant?

Bisher haben über 80 Unternehmen, darunter Textilherstellende und Spinnereien, mit unseren „Brewed Protein“-Fasern gearbeitet, und 45 Marken haben mehr als 190 Produkte damit auf den Markt gebracht.

Wir werden unsere globalen Kooperationen in den USA, Europa, China, Indien, Japan und darüber hinaus weiter ausbauen – nicht nur mit führenden Marken, sondern auch mit Webereien und Herstellenden, die Produktkollektionen entwickeln, um die breite Akzeptanz von „Brewed Protein“-Fasern zu beschleunigen. 

Auf welchen bevorstehenden Messen können wir Spiber antreffen?

Wir freuen uns, an den folgenden Messen und Veranstaltungen in Europa teilzunehmen und mit anderen Innovator:innen und Branchenführer:innen in Kontakt zu treten: Première Vision in Paris vom 16. bis 18. September und Biofabricate in London am 16. und 17. September 2025.  

Wie sieht die Zukunft für Spiber aus?

Als Pionier für künstliche Proteinfasern, die nach ISO 2076 zertifiziert sind, ist unsere „Brewed Protein“-Faser die einzige künstliche Proteinfaser, die erfolgreich industrialisiert wurde. Das positioniert das Unternehmen als weltweit führend im Bereich Biomaterialien für Mode und darüber hinaus.

Unsere Arbeit ist von der Überzeugung getragen, dass Biotechnologie eine starke Kraft für das Gute sein kann, die dazu beiträgt, globale Industrien neu zu gestalten, Umweltbelastungen zu reduzieren und eine nachhaltigere und integrativere Zukunft zu schaffen. Wir erforschen ständig neue und vielfältige Anwendungen für unsere Materialien, mit dem Ziel, eine Kreislaufwirtschaft zu unterstützen und zu Systemen beizutragen, die nicht nur nachhaltig, sondern auch regenerativ sind.

Da Materialien auf Proteinbasis immer wichtiger werden, um Herausforderungen in Bereichen wie Mode, Lebensmittel und darüber hinaus zu bewältigen, wird der Bedarf an skalierbaren, ethischen und effizienten Produktionsmethoden erheblich zunehmen. Wir hoffen, weiterhin mit zukunftsorientierten Partner:innen zusammenzuarbeiten, die unsere Mission teilen, die Art und Weise, wie Materialien hergestellt und verwendet werden, zum Wohle von Mensch und Planet zu verändern.

Wie werden „Brewed Protein“-Fasern hergestellt? Diese Abbildung erklärt es. Bild: Spiber

Das Interview wurde in schriftlicher Form geführt und mithilfe von digitalen Tools übersetzt.

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