Warum ist die Mode noch immer so fasziniert von Punk?
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Paris, 11. Juni 1977: Loulou de la Falaise, funkelnde Muse der Yves Saint Laurent-Galaxie, feiert ihre Hochzeit mit Thadée Klossowski, Sohn des Malers Balthus. Pierre Bergé und Yves Saint Laurent, fasziniert von der Brillanz dieser Idylle, organisierten den Hochzeitsball des jungen Paares. Im Chalet des îles, im Herzen des Bois de Boulogne, sorgen Kanus mit weißen Vorhängen für die ungestörte Durchfahrt der Gäste zum Restaurant. Dreihundert Leute waren eingeladen, fünfhundert kamen. Allein Karl Lagerfeld brachte seine ganze Clique mit. Denn die Stadt Paris, im Taumel von Kunst, Beseeltheit und Zeitgeschehen, weiß, dass dieser Ball legendär werden wird.
Loulou erinnert sich an dieses Event, das Alicia Drake in ihrem Buch Beautiful People beschreibt: "Es war das erste Mal in Paris, dass eine solche Mischung aller Altersklassen, Berufe, sozialen Schichten, eine solche Mischung von Charakteren zusammenkam und jeder war erfreut, sich zu treffen. Coole Punks trafen auf Haute Bourgeosie und beide sonnten sich im Glanz der jeweils anderen.
Ein Jahr zuvor, in der extravaganten Atmosphäre des Sommers 76, war der Punk in Großbritannien entstanden. Es soll nicht darum gehen, eine Geschichte zu erzählen, die Sie bereits kennen: Die erste Inkarnation des Punk durch die Sex Pistols, Malcolm McLaren als dessen machiavellistischen Initiator, Vivienne Westwood, die für das Kostümbild verantwortlich ist, die den Grundstein für einen neuen Aussehen legen wird. Wir wollen uns hier nur an die Symbole erinnern: Sicherheitsnadeln als Schmuck, Piercings und die künstlerische Wiederaneignung von Massenkleidung.
Als die Bewegung 1977 Paris eroberte, änderte sich ihr Look leicht. Obgleich Punk immer noch bereitwillig die Utopien vom Mai ‘68 und die kühlen Ideale seiner älteren Hippie--Brüder verspottete, die neun Jahre zuvor in Ziegenhaarmänteln einer egalitären Gesellschaft träumten, zeichnet er sich vor allem durch seine visuelle Subversion und seine unfehlbare Oberflächlichkeit, seinen Zynismus, seine Wut und seinen Mut zum Anderssein und der Unterwanderung der Konventionen aus.
Diese dunkle und brillante Provokation wurde zum neuen Idol, in das sich das weltliche Paris verliebte, um dieses Bedürfnis nach Begeisterung zu befriedigen, dessen Kitzel es regelmäßig verspürt. Der Look war sehr erfolgreich, weil er scharf und brandneu war.
Ein Punk am linken Ufer?
Regelmäßig erinnern uns Großveranstaltungen - wie die Ausstellung "Punk : Chaos to Couture" im Jahr 2013, organisiert vom renommierten Costume Institute of the Met of New York - daran, dass die Unerwartetheit dieser Annäherung der Welten auch heute noch Sinn macht. Diese Vorstellung wollte das Kaufhaus Bon Marché Rive Gauche in ihrer Ausstellung "So Punk Rive Gauche" hervorheben, die am 31. August ihre Pforten öffnete und am 20. Oktober endet. Rive Gauche-Punk? Ja, ja und nochmals ja. Es ist sogar die Essenz des Punk: eine Vereinigung von Extremen, deren Annäherung nie unvereinbar, sondern komplementär erscheint.
Die meisten der vom Pariser Kaufhaus ausgewählten Marken bevorzugen das Stilmittel des Oxymorons: ein Aufeinandertreffen der Gegensätze. Soll heißen: die Erhöhung der Einzigartigkeit, ja sogar der Subversion, in einer Welt des Luxus, die wir uns (fälschlicherweise?) als gleichgeschaltete Landschaft vorstellen. Wir erleben neue Assoziationen: die Dr. Martens Rose Candy Boots, die David Bowie-Barbie, die Roger Vivier Tartan Boots, die genoppten Mokassins von Tod's und subtiler die Second-Hand Mode von Vestiaire Collective. Natürlich gibt es viele herausfordernde Botschaften: auf Obey-T-Shirts, auf Kaschmirpullovern von From Future, oder auf Underground-Sweatshirts, dem Flaggschiff-Label britischer Subkulturen, das Anfang der 80er Jahre in Manchester geboren wurde. Bei der Ausstellung, die zwei roten Fäden (Musik und Mode) verknüpft, schwing ein Erinnerung, aber auch wie eine Warnung mit: Ungehorsam ist ein wesentlicher Bestandteil der Gesellschaft. Ohne ihn gibt es keine Zukunft.
Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.fr veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ.
Foto: Bon Marché Rive Gauche,