Verliert die New York Fashion Week ihr Gesicht?
Immer mehr US-amerikanische Designer:innen wenden sich von den Vereinigten Staaten ab und präsentieren ihre Kollektionen stattdessen in großen europäischen Modemetropolen – in der Hoffnung, ihre Markenpräsenz zu stärken, ein breiteres Publikum zu erreichen und langfristig höhere Gewinne zu sichern. Doch welche Folgen hat diese Entwicklung für die New York Fashion Week?
Steven Kolb, Chief Executive Officer (CEO) und Präsident des Council of Fashion Designers of America (CFDA), zeichnete am vergangenen Mittwoch bei einer Eröffnungsveranstaltung im Rockefeller Center ein optimistisches Bild von der Zukunft der New York Fashion Week (NYFW). Er hob die Kühnheit und Kreativität der US-amerikanischen Mode hervor und stellte seine Rede in den Kontext des 400. Geburtstags von New York City. Kolbs Vision war umfassend und hoffnungsvoll: Mode als verbindende Kraft, die Menschen zusammenbringt, Inspiration schafft, Kultur beflügelt, die Wirtschaft stärkt und vor allem die Kreativität ins Zentrum rückt.
Seine Worte und seine Rhetorik wirkten jedoch vor dem Hintergrund einer ungewöhnlich ruhigen NYFW SS26 etwas deplatziert. Die Saison, die gestern Abend mit den Schauen von Pamella Roland, Elena Velez und Agbobly endete, präsentierte sich mit einem deutlich reduzierten Programm und dem wachsenden Gefühl, dass die US-Modehauptstadt an Attraktivität für ihre eigenen Designer:innen verliert. Dass der NYFW-Kalender in den vergangenen Jahren immer dünner geworden ist, gilt längst nicht mehr als Geheimnis.
Optimistische Fassade der NYFW: US-Designer:innen kehren New York den Rücken
Immer mehr US-amerikanische Labels – von Carolina Herrera über The Row bis hin zu Thom Browne und Rick Owens – zeigen ihre Kollektionen inzwischen im Ausland, vor allem in europäischen Metropolen. Sie versprechen sich davon eine konzentriertere Medienberichterstattung, stärkeren Kund:innenzugang und eine Premium-Positionierung, die über das traditionelle Format der Fashion Week hinausgeht.
Zu den auffälligen Abwesenden des offiziellen NYFW-Kalenders dieser Saison zählen Tommy Hilfiger, Ralph Lauren und Carolina Herrera. Ralph Lauren stellte seine Damenkollektion für Frühjahr/Sommer 2026 bereits am 10. September, einen Tag vor Beginn der NYFW, in seinem privaten Designstudio an der Madison Avenue 650 vor.
Carolina Herrera kündigte an, ihre SS26-Kollektion am 18. September auf der Plaza Mayor im Herzen von Madrid zu zeigen. Marc Jacobs wiederum präsentierte seine HW25-Kollektion bereits am 30. Juni außerhalb des offiziellen Programms mit einer speziellen Laufstegshow in der New York Public Library. Auch Marken wie Tommy Hilfiger, Peter Do und Helmut Lang fehlten im diesjährigen SS26-Programm.
Parallel zu dieser strukturellen Fragmentierung und dem Aufkommen unkonventioneller Markenpartnerschaften wurde erneut über die Bedeutung und globale Relevanz der NYFW diskutiert. Zwar traten internationale Labels wie Cos, Off-White und Toteme planmäßig auf, doch Branchenkenner:innen betonen, dass viele der aktuellen Probleme ihren Ursprung bereits vor über zwei Jahrzehnten haben – als IMG die halbjährliche Modewoche vom CFDA übernahm.
IMG versuchte, die Veranstaltung stärker zu kommerzialisieren und verkaufte Show-Pakete für bis zu 45.000 US-Dollar (rund 38.000 Euro) an internationale Marken, die in New York Sichtbarkeit gewinnen wollten. Damit verwässerte sich die Attraktivität des Formats, der Kalender blähte sich auf und führte zu Koordinationskonflikten zwischen IMG und dem CFDA.
Vom zentralen Knotenpunkt zur Zerstreuung: Das Veranstaltungsortproblem der NYFW
Von 1994 bis 2009 war der Bryant Park das Herzstück der NYFW. Er beherbergte alle wichtigen Shows und bot den Designer:innen eine standardisierte, kostengünstige Infrastruktur. Nach der globalen Rezession von 2008 traf IMG jedoch die folgenschwere Entscheidung, dieses konsolidierte Veranstaltungsortmodell aufzugeben. Die Agentur begann, Veranstaltungen an verschiedene Orte in Manhattan und Brooklyn zu verlegen und entfernte sich damit von dem zentralisierten Ansatz, der sowohl für logistische Effizienz als auch für eine konzentrierte Branchenpräsenz gesorgt hatte.
Die Diversifizierung der Veranstaltungsorte ermöglichte zwar personalisiertere Showformate, führte aber auch zu einem Anstieg der Produktionskosten und zu logistischen Herausforderungen für die Teilnehmer:innen. Seit Jahren beklagen Einkäufer:innen, Pressevertreter:innen und Influencer:innen den Stress, während der Woche durch die Stadt reisen zu müssen, um verschiedene Präsentationen und Shows zu besuchen. Diese operativen Probleme fielen auch mit eskalierenden finanziellen Forderungen zusammen.
Die aktuellen Basisbudgets für Shows übersteigen häufig sechsstellige Beträge. Eine Modenschau auf der New York Fashion Week kostet laut Vogue Business im Durchschnitt zwischen 125.000 und über 300.000 US-Dollar (zwischen rund 105.000 und über 253.000 Euro), abhängig vom Veranstaltungsort, der Komplexität der Produktion, den Models, der Inszenierung und weiteren Faktoren. Angesichts dieser Zahlen ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Marken ihre Ressourcen in andere Formen der Präsenz lenken, wie digitale Marketingkampagnen, Veranstaltungen im Ausland und Influencer:innen-Partnerschaften, die ein sofortiges Publikumsengagement zu geringeren Kosten bieten.
Die Risse in der NYFW vertieften sich zwischen 2015 und 2020 weiter, als der zentrale Knotenpunkt über mehrere Veranstaltungsorte verlegt wurde, darunter die Spring Studios in Tribeca, der Clarkson Square und das Skylight in der Moynihan Station. Führende Designer:innen und Marken entschieden sich weiterhin für externe, unabhängige Show-Locations. Nach den pandemiebedingten Unterbrechungen tendierten die Marken zunehmend zu unkonventionellen Präsentationsräumen, von kulturellen Einrichtungen bis hin zu Industrieanlagen.
Steigende Kosten für Fashion-Week-Shows und die Auswirkungen der Finanzierungslücke auf die NYFW
Weitere Faktoren haben die einst mit der NYFW verbundene starke Markenidentität weiter geschwächt. Dazu gehören die veränderte Teilnahme von Prominenten und Influencer:innen, wobei Markenbotschafter:innen durch vertragliche Beschränkungen daran gehindert werden, Shows von Wettbewerbern zu besuchen. Hinzu kommt die begrenzte städtische Unterstützung im Vergleich zu den europäischen Modewochen, bei denen die lokalen Behörden finanzielle Unterstützung für die Veranstaltungsorganisation leisten.
Die derzeitigen städtischen Beamt:innen haben begrenztes Interesse an einer Wiederbelebung der institutionellen Bedeutung der Veranstaltung gezeigt. Dies geschieht, obwohl die Modebranche laut Statistik etwa 180.000 New Yorker:innen beschäftigt, etwa jede:r zwanzigste Einwohner:in. Diese begrenzte Unterstützung ist besonders auffällig, wenn man die beträchtlichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Veranstaltung bedenkt: Die NYFW generiert laut Economic Review jährlich fast 900 Millionen US-Dollar (rund 759 Millionen Euro) für die Stadt, erhält aber im Gegenzug proportional wenig öffentliche Investitionen.
Die Finanzierungslücke benachteiligt New York deutlich im Vergleich zu den europäischen Modehauptstädten, wo die lokalen Behörden aktiv mit den Organisatoren der Modewochen zusammenarbeiten. Dies geschieht durch direkte finanzielle Unterstützung und Investitionen in die Infrastruktur. Ohne staatliche Unterstützung ist die New Yorker Modewelt in hohem Maße auf private Gelder angewiesen, von den Kosten für die Veranstaltungsorte bis hin zu Förderprogrammen für aufstrebende Designer:innen. Dies macht die Teilnahme immer teurer und die Exklusivität schwieriger aufrechtzuerhalten.
CFDA startet Reformmaßnahmen für die NYFW
Als Reaktion auf diese strukturellen Herausforderungen hat der CFDA im Rahmen einer strategischen Partnerschaft mit KFN, einer neu gegründeten Modeplattform, gemeinsame Reformmaßnahmen eingeleitet. Die erste Initiative von KFN, die in dieser Saison gestartet wurde, konzentrierte sich auf die Entwicklung physischer und digitaler Erlebnisse, die die Reichweite und Wirkung der NYFW erweitern. Der CFDA behält dabei seine grundlegende Rolle bei der Organisation des offiziellen Designerkalenders.
Die wichtigste Intervention der Partnerschaft besteht in der Einrichtung eines dezentralen Infrastrukturmodells mit zehn sich ergänzenden Veranstaltungsorten, der Venue Collection, die alle in unmittelbarer Nähe unterhalb der 34th Street liegen. Die Initiative zielte darauf ab, den teilnehmenden Designer:innen kostengünstigere Alternativen für verschiedene Präsentationsformate zu bieten, darunter traditionelle Modenschauen, statische Präsentationen und private Termine. KFN stellte sicher, dass diese Veranstaltungsorte den Designer:innen im September kostenlos zur Verfügung standen. Dies war eine direkte Reaktion auf die eskalierenden Produktionskosten, die die Teilnahme möglicherweise abgeschreckt haben.
Darüber hinaus wurden in der Branche Diskussionen über eine grundlegende Umstrukturierung des halbjährlichen Formats der NYFW geführt. Die vorgeschlagene Änderung würde die derzeitigen Präsentationen im Februar und September zu einer einzigen jährlichen Veranstaltung im September zusammenfassen, obwohl die offizielle Bestätigung durch den CFDA noch aussteht. Diese potenzielle Transformation, eine große Veränderung, spiegelt die umfassenderen Diskussionen über Kalendereffizienz und Ressourcenallokation wider. Die Umsetzung stößt jedoch auf den erwarteten Widerstand etablierter Marken, die die derzeitige Struktur mit zwei Saisons in ihre operativen Rahmenbedingungen integriert haben.
Während die NYFW weiterhin nach einem festeren Boden sucht, entfalten sich diese potenziellen Veränderungen in einem Sektor, der bereits mit erheblichem Gegenwind konfrontiert ist. Die Modebranche insgesamt hat mit rückläufigen Konsumausgaben und Führungswechseln in den großen Modehäusern zu kämpfen, neben geopolitischen Spannungen und unterbrochenen Lieferketten. Angesichts dieses Zusammentreffens von Herausforderungen ist die derzeitige Identitätskrise der NYFW wahrscheinlich sowohl unvermeidlich als auch symptomatisch für einen umfassenderen Umbruch in der Branche.
Die Frage ist nun, ob diese Reforminitiativen dazu beitragen können, die Anziehungskraft der Veranstaltung wiederherzustellen, oder ob die New York Fashion Week ihre Rolle in einer zunehmend fragmentierten globalen Modelandschaft grundlegend neu definieren muss.
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