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THE CHAIN GANG: H&M, Zara & Co… politisch korrekt oder nicht?

Von FashionUnited

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Mode|MEINUNG

Meinung.Letztens zu Besuch bei meiner Freundin, alleinerziehende Mom, zwei Kinder. Die Kids - Julia 15 und Max 18 – bestens informiert in Sachen Trends, obwohl sie „auf’m Dorf“ leben. Freitagabend ging’s auf die Piste. Ab 18.00 Uhr klingelte es im Viertelstunden-Takt – Freundin Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 kamen nacheinander zum obligatorischen Vorglühen und warteten, bis Julia endlich durch war mit dem Freitagabend-Styling für den Club. Alle Mädels im Influencer-propagierten trendy Outfit: skinny Jeans, Top und Perfecto-Verschnitt. Die Biker-Jacke: der „heißeste Scheiß“, denn alle fünf trugen die gleiche. Auch ich musste zugeben, dass sie gut aussah, so schwer es mir fiel, denn ich vermutete bereits den Absender, der sich auf Nachfrage natürlich bestätigte… die „böse“ Kette, vorne P, hinten Mark. Da stand ich nun ich armer Tor… und wusste nicht recht, wie ich reagieren sollte. Gefiel mir nicht, klar, aber… konnte ich das wirklich verurteilen?

Szenenwechsel. Eine Freundin, nennen wir sie Marie, alleinerziehende Mutter der 15-jährigen Mel, Büroangestellte, kleines Gehalt. Monatliche Unterstützung vom Kindsvater: sagenhafte 50 Euro! Wie jedes Jahr zum Geburtstag des pubertierenden Teenagers die Frage nach dem passenden Geburtstagsgeschenk. Mels Wunschliste – neben dem Ticket fürs Beyoncé-Konzert und Spotify-Abo – Klamotten, was sonst?! Flohmarkt oder Second-Hand? Abgesehen davon, dass Second-Hand-Läden seit dem Hype um Vintage und Heritage astronomische Preise aufrufen - getragene Klamotten… geht gar nicht! Soll man’s ihr verübeln? Wie war’s denn, als wir - besonders die Geschwister-Kinder unter uns - früher die abgelegten Klamotten unserer älteren Geschwister, Vettern und Kusinen auftragen mussten? Fürchterlich! Die Häme – oder mitleidigen Blicke – unserer Mitschüler waren uns sicher!

"Gut" hört schon bei der Materialzusammensetzung

Noch ein Beispiel. Vierköpfige Familie, Vater Arbeiter, Mutter Kassiererin – das Gehaltsniveau, das sich im unteren Bereich bewegt, muss nicht erwähnt werden - zwei Kinder. Der Jüngste, Mike, geht im April zur Kommunion, er braucht einen Anzug. Second-Hand? Keine Option! „Altes“ für einen so wichtigen Anlass? No way! Wohin also, wenn der schmale Geldbeutel nicht viel hergibt? Im Zweifel zu H&M, Zara oder C&A: „Jeder, auch die Menschen mit schmalem Geldbeutel, sollten in der Lage sein, sich gut zu kleiden“ – so die Philosophie des Filialisten. Kann man dagegen sein?

Gut liegt natürlich im Auge des Betrachters. Für uns, die sich jeden Tag mit Mode beschäftigen, hört das Gut schon bei der Materialzusammensetzung auf, spätestens aber, wenn unser Hintergrundwissen uns zwangsläufig zu dem Schluss bringt, dass die Preise nur dank niedrigster Löhne und Ausbeutung von Mensch und Umwelt realisiert werden können. Aber: Kann man dieses Bewusstsein von allen erwarten? Viele Menschen haben gar nicht die Möglichkeit, Ökonomie vor Ökologie – die erwiesenermaßen immer und in allen Bereichen im Widerspruch stehen - zu stellen. Kann man es ihnen also verübeln, dass sie sich wenig darum scheren? Einmal mehr, wenn vermeintliche Vorbilder, wie beispielsweise die Regierung unseres Landes, willfährig fahrlässig damit umgehen. Oder wie anders ist das Eingeständnis, dass die vereinbarten Klimaziele erreicht werden können, zu verstehen? So schlimm kann’s ja dann nicht sein… Ignoranz von höchster Stelle vorgelebt.

Kann man’s ihnen verdenken?

Ich komme zurück zu den Mädels vom Anfang. Ich habe sie gefragt, ob sie wissen, wie diese Jacken hergestellt werden. Große Fragezeichen auf fünf hübschen Teenager-Gesichtern. In drei Sätzen hab‘ ich’s ihnen erklärt… und trotzdem werden sie schon bald wieder in die Shopping-Mall fahren, in den Laden, den ich aus guten Gründen meide wie der Teufel das Weihwasser, um sich ein trendiges Teil zu kaufen, mit dem sie auf der nächsten Party glänzen können. Kann man’s ihnen verdenken?

Kaum! Verdenken kann man’s aber denen, die es sich finanziell leisten können, auf die kleinen, aber essentiellen Details wie faire Bezahlung, sichere und gesundheitswürdige Arbeitsbedingungen und Umweltschutz zu achten. Man sollte es denen übelnehmen, deren Intellekt sie zwingt, sich zu informieren, zu überlegen und eben nicht wegzuschauen und deren Intelligenz es ihnen verbietet, die Ausbeutung von Mensch und Natur zu ignorieren. Einmal nachdenken bitte, ehe das nächste Schnäppchen wieder mal im übervollen Kleiderschrank landet und – weil’s ja nix kostet – nach zweimal Tragen im Mülleimer endet. Einfach beim nächsten Schnäppchen-Koller das Schnäppchen erst mal hängen lassen, ‘ne Runde durch den Store drehen und tief durchatmen. Es hilft, versprochen! Schon beim nächsten Rundständer ist der Adrenalin-Spiegel gesunken und der Glanz des Teils der BeGIERde verflogen. Und schon zeigt das vermeintliche Schnäppchen sein wahres Gesicht: es ist nichts weiter, als das Stillen einer Sucht, nämlich unserer Konsumsucht! Also: Augen auf beim Schnäppchen-Kauf!

Danielle De Bie gehört zum Gründer-Team der BREAD & BUTTER BERLIN. Heute arbeitet sie als Marketing & Communication Consultant sowie als freie Journalistin und Übersetzerin. Sie betreut u.a. Kunden aus Handel, Industrie und Medien.

Dieser Text gibt die Meinung des Autors wieder und spiegelt nicht grundsätzlich die von FashionUnited wider.

Foto: burst.shopify.com/ Pixabay
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