Textifood: Wenn Lebensmittelabfälle zu Kleidung werden
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Im Mittelpunkt der Weltausstellung 2015 in Mailand zeigt Textifood textile Kreationen auf der Grundlage von Fasern, die größtenteils essbar sind. Eine Begegnung mit der Zukunft?
Das Thema ist von entscheidender Wichtigkeit: «Die Erde ernähren, Energie für das Leben». Immer mehr Menschen bevölkern die Welt und das hat die Organisatoren der Weltausstellung 2015 in Mailand (1. Mai – 31. Oktober 2015) dazu veranlasst, das Thema Ernährung in den Mittelpunkt zu stellen. Unter diesem Motto hat der französische Pavillon zusammen mit Lille Europe Textifood, eine der gelungensten Ausstellungen verwirklicht. «Ganz im Geiste der Futurotextile (die sich seit 2006 etabliert hat und von der Fülle neuer Textilien zeugt), werden bei dieser Veranstaltung Fasern pflanzlichen und tierischen Ursprungs vorgestellt, die zum einen essbar sind und zum anderen der Entwicklung von Textilien dienen», erläutert ein Verantwortlicher des von der nordfranzösischen Stadt Lille geförderten Kulturprogramms Lille3000. Ziel ist es, das Feld der möglichen Synergien zwischen der Nahrungs- und der Textilproduktion aufzuzeigen.
Fasern aus allen Kontinenten
Um die Verwendung dieser neuen Fasern voranzutreiben, appellierte die Lille3000 an Designer und Stilisten, die sich offen für intelligentes und nachhaltiges Wachstum zeigen, Kreationen auf der Grundlage von Fasern zu gestalten, die unter Verwendung von Ernteabfall entstehen. Zur Auswahl stehen: Orange, Zitrone, Ananas, Banane, Kokosnuss, Brennnessel, Algen, Pilz, Kaffee, Reis, Soja, Mais, Rübe, Wein, Bier, Muscheln und Schalentiere... Die ausgewählten Künstler und Studios Coralie Marabelle, ChristinePhung, Design Percept, L’Herbe Rouge , A+Z design, Egide Paris machten sich die Früchte der Textilforschung zunutze, die sich auf die Chemie der Pflanzen und die Verarbeitung von Biomasse konzentriert. Andere, wie Eric Raisina Em Riem, Ditta Sandico, Kristian Von Forselles, Dognin oder Nina Gautier arbeiteten mit natürlichen, seit Jahrhunderten bekannten und nahezu in Vergessenheit geratenen Fasern… Und wiederum andere, DonnaFranklin & Gary Cass, Jonas Edvard und OrangeFiber, entwickelten in ihren Laboratorien innovative und zweifellos visionäre Materialien.
Eine absolute Entdeckung - die Kleider des kambodschanischen Designers Em Riem und der philippinischen Designerin Ditta Sandico aus Bananenseide! Bananenseide wird in Japan, Nepal oder auch auf den Philippinen verwendet und ist gleichermaßen reißfest, geschmeidig und feuchtigkeitsabstoßend. Gemeinsam kreierten Christine Phung und Morgane Baroghel-Crucq (FR) ein Kleid aus organischen Bändern, die sich aus Metallfäden, Leinen und Fischkollagen zusammensetzen. Einer Faser, die das Unternehmen Umorfil eigens für diesen Anlass entwickelt hat. L’Herbe Rouge aus Frankreich stellte sich der Herausforderung, ein Kleidungsstück vollständig auf Kaffeebasis zu entwickeln: Angefertigt wurde es aus einer Faser namens S.Café® und dann in einem Färbebad aus Kaffeesatz veredelt. Dadurch erhielt es einen Moiré-Effekt und eine geschmeidige Appretur. Die Chefdesignerin Geneviève Levivier des belgischen Studio A+Z Design experimentierte mit neuen, nicht gewebten Materialien auf der Basis von Eierschalen und Mais- und Rüben-Polymeren, die in der Forschungsabteilung des Unternehmens Centexbel, dem technischen und wissenschaftlichen Zentrum der belgischen Textilindustrie, entwickelt wurden. Das Forschungsbüro Orange Fiber mit Sitz in Catania (Sizilien) hat seinerseits am polytechnischen Labor in Mailand an der Entwicklung eines Stoffes aus Orangenschalen gearbeitet. Angesichts der Tatsache, dass in der italienischen Lebensmittelindustrie durch die Umsetzung von Zitrusfrüchten jährlich mehr als 700.000 Tonnen Industrieabfall entsteht, ein zukunftsträchtiger Sektor.
Insgesamt also eine Ausstellung, die zum Denken anregt und die es uns ermöglicht, unsere Abfälle in einem anderen Licht zu sehen. Weg vom umweltschädlichen Baumwollanbau und von Synthetikfasern hin zu neuen Textilien von unglaublicher Vielfalt.
FOTOS: Kleid von Em Riem aus Bananenfasern, Textifood-Plakat und Kleid von Christine Phung und Morgane Baroghel-Crucq, Kleid von Kristian Von Forselles mit Calais-Spitze aus Soja (links) und Kleid von Eric Raisina aus Fasern des Affenbrotbaumes (Baobab).
Author: Celine Vautard