Türkei: syrische Flüchtlingskinder in Bekleidungsfabriken: Next, H&M tun was, deutsche Marken warten ab
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Nach Zwangsarbeit, Billiglöhnen und unsicheren Arbeitsbedingungen steht der Bekleidungsindustrie eine neue Krise bevor: Jetzt wurden syrische Flüchtlingskinder bei der Arbeit in türkischen Bekleidungsfabriken entdeckt. Auch wenn eine Handvoll Modeunternehmen wie Next und H&M die entsprechenden Schritte eingeleitet haben, um diese Zustände bei ihren Auftragnehmern in der Türekei zu unterbinden, tun die meisten ihrer Konkurrenten - darunter auch deutsche Unternehmen wie die Otto Group, Adidas, Kik und Tchibo - erstmal nichts beziehungsweise schauen lieber weg.
Der jüngste Skandal kam zum Vorschein, nachdem eine Umfrage unter 28 Modemarken, die in der Türkei herstellen lassen, der internationalen Überwachungsinstanz zur Unternehmensveranwortung Business and Human Rights Resource Centre (BHRRC) veröffentlicht wurde. Die Türkei ist einer der größten Produzenten von Bekleidung und fertigt unter anderem für große, internationaleMarken wie C&A, Next, H&M, Topshop, Asos, Burberry und Marks & Spencer.
Die BHRRC-Umfrage untersuchte die Arbeitsbedingungen syrischer Flüchtlinge in der Türkei, da dort Schätzungen zufolge 250.000 bis 400.000 von ihnen illegal arbeiten sollen - darunter auch Kinder - um über die Runden zu kommen, was sie zur leichten Zielscheibe ausbeuterischer Praktiken macht. Zum Beispiel verdienen sie weniger als den landesweiten Mindestlohn von 1.300 türkischen Lire (knapp 400 Euro) pro Monat. Über 2,5 Millionen syrische Flüchtlinge sollen inzwischen in der Türkei leben.
Von den 28 untersuchten Modemarken nahmen nur 11 an der Umfrage teil - Adidas, C&A, H&M, Inditex, Next, Nike, Otto Group, Primark, Puma, White Stuff und KiK. Nur drei von ihnen - Next, Inditex und White Stuff - führten Gespräche mit ihren Zulieferern über spezielle Richtlinien zur Behandlung von Flüchtlingen. H&M und Next gaben in der BHRRC-Umfrage zu, dass sie 2015 in ihren türkischen Zulieferbetrieben die Arbeit syrischer Kinder verzeichnet und entsprechende Maßnahmen eingeleitet hätten, um sie zu schützen.
Adidas, Otto Group, Puma und Kik nahmen an Umfrage teil
Von den restlichen 17 Unternehmen lehnten 9 - Arcadia Group, ASOS, BHS, Burberry, Debenhams, HUGO BOSS, Marks & Spencer, New Look and Superdry - es ab, an der Umfrage teilzunehmen, veröffentlichten aber kurze Stellungnahmen, die jedoch keinen Handlungsplan enthielten. Während Gap, Tchibo und Waikiki angaben, bald auf die Umfrage antworten zu wollten, lehnten Monsoon und VF ihre Beantwortung ab - Monsoon mit der Begründung, das Unternehmen lasse kaum in der Türkei herstellen und seine Antwort sei daher nicht relevant. Nur 3 Unternehmen - Esprit, River Island und s. Oliver - reagierten bis jetzt überhaupt nicht.
“Die Behandlung syrischer Flüchtlinge in ihrer Lieferkette ist ein Hinweis darauf, wieviel Wert Marken auf die Einhaltung von Menschenrechten legen, die sich in ihrer Kleidung widerspiegelt, die sie in ganz Europa verkaufen”, kommentierte Phil Bloomer, geschäftsführender Direktor des BHRRC, in einer Erklärung. “Es ist auch eine wichtige Möglichkeit, die Unternehmen haben, zur Lösung der Flüchtlingskrise beizutragen. Doch für viele sind Flüchtlingsarbeiter aus den Augen und aus dem Sinn. Die Tatsache, dass eine kleine Anzahl von Marken wie Next, White Stuff und C&A entscheidende Maßnahmen ergreifen, unterstreicht die Notwendigkeit für die anderen Marken, hervorzutreten und das gleiche zu tun.”
Von den befragten Unternehmen gaben vier zu - unter anderem Primark und C&A - festgestellt zu haben, dass syrische Flüchtlinge in den Fabriken ihrer Zulieferer arbeiten. Die Marken Adidas, Arcadia Group, Burberry, Nike und Puma gaben an, dass sie während Betriebsprüfungen im Jahr 2015 keine syrischen Flüchtlinge ohne Papiere gefunden hätten. Der britische Einzelhändler Next, der vom BHRRC für seinen Handlungsplan gelobt wurde, fand auch Erwachsene Flüchtlinge aus Syrien in den Fabriken seiner Zulieferer und wandte seinen Plan auch auf sie an, um sie vor Entlassungen und Ausbeutung zu schützen.
Die Überwachungsinstanz betonte, dass die Entscheidung der türkischen Regierung im letzten Monat, mehr Arbeitsgenehmigungen für syrische Flüchtlinge ausstellen zu wollen, das Problem nicht beseitigen werde, da viele Flüchtlinge innerhalb der Bekleidungsindustrie weiterhin illegal bleiben werden. Deshalb drängte sie alle Modemarken, ihre eigenen Handlungspläne zu erstellen, mehr unangekündigte Betriebsprüfungen auch in Zweit- und Drittbetrieben durchzuführen und mit Gewerkschaften und NROs vor Ort, die sich um Flüchtlinge kümmern, Kontakt aufzunehmen.
“Der Bürgerkrieg in Syrien hat den in der Türkei herstellenden Marken Ausnahmezustände beschert. Mitglieder der Ethical Trading Initiative haben gehandelt und Richtlinien zu ethischen Standards erarbeitet..., aber es ist klar, dass noch mehr getan werden muss”, ergänzt Martin Buttle, Leiter der Initiativen zum ethischen Handel von Bekleidung und Textilien. “Flüchtlinge, vor allem Frauen, haben ein Recht auf faire und gleiche Behandlung am Arbeitsplatz, und Fabriken müssen von Kinderarbeit frei bleiben. Das erfordert zusätzliches Handeln der Regierung und von den Unternehmen.”