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Synthetische Fasern: Zügelloses Greenwashing und keine Lösung in Sicht

Von Don-Alvin Adegeest

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Mode
Bild: Plastik und Müll, mit freundlicher Genehmigung von Pexels

Trotz kühner Versprechen, eine nachhaltigere Zukunft zu schaffen, setzen globale Modemarken weiterhin auf Plastik, indem sie synthetische Fasern in ihren Kollektionen verwenden. Laut einem nun erschienenen Bericht von Changing Markets heizen diese Fasern den Plastikmüll und die Klimakrise an, da zu ihrer Herstellung fossile Brennstoffe benötigt werden.

Zügelloses Greenwashing

59 Prozent der Behauptungen von europäischen und britischen Unternehmen, darunter H&M, Asos und Marks & Spencer, sind haltlos oder irreführend für die Verbraucher, so der Bericht. Die Studie mit dem Titel „Synthetics Anonymous: Fashion brands' addiction to fossil fuels“ analysierte fast 50 große Modemarken und bewertete 46 der vermeintlich transparentesten Marken der Welt, von Fast Fashion bis zum Luxussegment, darunter Zara, Primark, H&M und Burberry, hinsichtlich der Menge an auf fossilen Brennstoffen basierenden Materialien in ihren Kollektionen und ihrer Zusagen, sich davon zu verabschieden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es kein klares Bekenntnis zur Beendigung der Abhängigkeit der Modemarken von Fasern auf Basis fossiler Brennstoffe zu geben scheint.

Ein weiterer Teil der Untersuchung – bei der zwölf Marken und über 4.000 Produkte unter die Lupe genommen wurden – zeigt, dass die Marken die Verbraucher routinemäßig mit falschen Behauptungen bezüglich der Nachhaltigkeit – also durch Greenwashing – täuschen. Die Mehrheit der Marken traf Nachhaltigkeitsaussagen, wobei 39 Prozent der untersuchten Produkte in irgendeiner Form mit einem grünen Claim versehen waren. 59 Prozent der Nachhaltigkeitsversprechen verstießen in irgendeiner Weise gegen die Richtlinien der britischen Wettbewerbsbehörde (UK Competition and Markets Authority).

Die schlimmsten Übeltäter waren H&M mit 96 Prozent, Asos mit 89 Prozent und M&S mit 88 Prozent Falschangaben. Bei der Conscious Collection von H&M wurde sogar ein noch höherer Anteil an synthetischen Stoffen festgestellt als bei der Hauptkollektion (72 Prozent gegenüber 61 Prozent). 85 Prozent der Produkte von Boohoo enthielten irgendeine Art von Synthetik, wobei 60 Prozent der Produkte zu 100 Prozent aus reiner Synthetik bestanden.

Es gibt so viel Greenwashing in Bezug auf Kreislaufwirtschaft – ein dringend benötigtes Geschäftsmodell, das wir alle übernehmen müssen, das aber in der Modeindustrie durch die große Menge an synthetischen Fasern fast unmöglich gemacht wird.

Livia Firth, Eco-Age-Mitbegründerin und Kreativdirektorin

Livia Firth, Eco-Age-Mitbegründerin und Kreativdirektorin, sagte dazu: „Für uns bei Eco-Age kommt dieser Bericht genau in dem Moment heraus, in dem wir ihn am meisten brauchen. Es gibt so viel Greenwashing in Bezug auf Kreislaufwirtschaft – ein dringend benötigtes Geschäftsmodell, das wir alle übernehmen müssen, das aber in der Modeindustrie durch die große Menge an synthetischen Fasern fast unmöglich gemacht wird. In dieser Hinsicht haben wir auch auf EU-Ebene gearbeitet, um sicherzustellen, dass das vorgeschlagene PEF-Label die korrekte Methodik verwendet, und wir hoffen, dass die EU-Kommission diesen bahnbrechenden Bericht berücksichtigen wird, um den korrekten legislativen Weg nach vorne zu gewährleisten.“

Der Bericht enthüllt auch das Ausmaß der Abhängigkeit der Modeindustrie von Fasern aus fossilen Brennstoffen. Während einige Marken sich verpflichten, von der Verwendung von Virgin-Polyester – also nicht wiederverwertetem, neu gewonnenen Polyester – wegzukommen, gehen sie keine solche Verpflichtung in Bezug auf synthetische Stoffe im Allgemeinen ein. Die meisten Marken versuchen, das Problem der Mode aus fossilen Brennstoffen zu lösen, indem sie Virgin-Polyester durch Polyester ersetzen, das aus downgecycelten Einweg-Plastikflaschen gewonnen wird – eine Lösung, die ebenfalls eine Einbahnstraße zur Mülldeponie oder Verbrennung ist.

Urska Trunk, Kampagnenmanagerin bei Changing Markets, sagte: „Marken schlagen schnell aus der Besorgnis der Verbraucher Kapital, indem sie Nachhaltigkeit als Marketingtrick nutzen. Die Mehrheit solcher Behauptungen ist reine Optik und hat keine Substanz. Während sie ihre Bekleidungskollektionen ‘grün waschen’, zögern sie gleichzeitig, echte Kreislauflösungen anzustreben, indem sie zum Beispiel nicht die notwendigen Investitionen tätigen, um eine Zukunft zu gewährleisten, in der Kleidung wieder zu Kleidung recycelt werden kann."

Einweg-Plastik

Der Einzelhändler H&M berichtet, dass 90 Prozent seines recycelten Polyesters aus Einweg-Plastikflaschen stammen. Wie H&M setzen auch Primark und der Zara-Konzern Inditex auf die Scheinlösung des Downcyclings von Einweg-Plastikflaschen. Im Gegensatz zum Mitbewerber hat Inditex jedoch, nach eigenen Angaben, drei Millionen Euro in die Finanzierung von Tech-Innovationen investiert, die Lösungen für das Textilrecycling erforschen, darunter der MIT-Spain Inditex Circularity Seed Fund.

Das Problem mit Kunststoffen

Synthetische Fasern machen 69 Prozent aller in Textilien verwendeten Materialien aus. Es wird erwartet, dass diese Zahl bis 2030 auf fast drei Viertel ansteigt. 85 Prozent davon werden Polyester sein, ein Material, das aus fossilen Brennstoffen wie Öl und Fracking-Gas hergestellt wird. Die Produktion von synthetischen Fasern macht derzeit 1,35 Prozent des weltweiten Ölverbrauchs aus, was den jährlichen Ölverbrauch Spaniens übersteigt und 1,29 Milliarden Barrel Öl pro Jahr ausmacht.

Billige Kunstfasern sind nicht nur schädlich, weil sie minderwertige Kleidung ermöglichen, die im Müll landet, sondern auch die Abhängigkeit der Modeindustrie von der Förderung fossiler Brennstoffe in Zeiten des Klimanotstands zementieren.

Mikroplastik entpuppte sich ebenfalls als ein kritischer blinder Fleck für die meisten Marken. Trotz der bekannten Schäden, die es für die Gesundheit von Mensch und Umwelt verursacht – einschließlich jüngster Erkenntnisse, die Mikroplastik in der Plazenta und im Stuhl gefunden haben und sogar zeigen, dass es sogar in der Lage ist, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden – wurde festgestellt, dass die überwiegende Mehrheit der Marken beim Thema Mikroplastik schläft und sinnvolle Maßnahmen verzögert, indem sie sich auf Unsicherheit berufen und noch mehr Forschung fordern.

Der Bericht rief auch Patagonia und Adidas auf den Plan, die oft als Vorreiter und Innovatoren im Bereich der modischen Nachhaltigkeit gelten. Patagonia, so der Bericht, ermutigt die Menschen zwar, „weniger zu kaufen, mehr zu fordern“ und „sich dem Kampf gegen die unverantwortliche Fast-Fashion-Fertigung anzuschließen“, geht aber keine Verpflichtung ein, von synthetischen Materialien wegzukommen.

Patagonia sagte in einer Stellungnahme gegenüber Vogue Business, dass synthetische Fasern für Oberbekleidung und Schutz vor den Elementen benötigt werden. Das Unternehmen sagte, dass es einen Grund gebe, „dass Baumwolle nicht für alles verwendet werden kann“, besonders bei technischer Kleidung. Da Pelz kaum noch gefragt ist, muss in Innovationen in den Bereichen Wärmetechnologie, Performance und Schutz vor kaltem Wetter dringend weiter investiert werden, um neue nachhaltige Lösungen zu finden.

Keine Modemarke führt den Wandel gegen synthetische Fasern an

Keine einzige Marke wurde als Vorreiter für ihren Umgang mit synthetischen Fasern eingestuft; zusammen mit dem im Bericht aufgedeckten Greenwashing deutet dies darauf hin, dass die Branche noch einen langen Weg vor sich hat, um einen sinnvollen Beitrag zur Bewältigung der Klima- und Plastikkrise zu leisten. Aktuell scheint sie keine echten Antworten auf diese drängende Frage zu haben.

Artikelquelle: „Synthetics Anonymous: Fashion brands' addiction to fossil fuels“ von Changing Markets

Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.uk veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ

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