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Reparabel und tragbar: Das ehrliche Schuhdesign von Sophia Guggenberger

Von Heide Halama

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Mode
Die erste tragbare Schuhkollektion von Sophia Guggenberger, ‘¡OJO’'. Bild: Johanna Magdalena Guggenberger

Weiches Leder, markante Flechttechniken und reduzierte Formen – Sophia Guggenberges Schuhmodelle fallen auf. Die Wiener Designerin stellte kürzlich ihre erste tragbare Fußbekleidung unter dem Titel ‘¡OJO!’ in den Räumlichkeiten der Austrian Fashion Association (AFA) vor. Ihre Entwürfe haben den Skizzenblock verlassen, denn erst in der Realisierung des Schuhdesigns, zeigt sich, wie zirkulär der Aufbau der verschiedenen Elemente ist und wie lokale Produktionsstätten einbezogen werden. Die experimentelle und kreative Herangehensweise an den Schuh schöpft Guggenberger aus bisherigen Projekten, die sich als Ganzes in der Kollektion widerspiegeln. Werte wie Zirkularität, Verantwortung und Ehrlichkeit prägen ihr Schaffen, indem sie Herausforderungen offen annimmt und stets nach neuen Perspektiven und Lösungen sucht.

Ohne ihre Entwürfe plakativ als ‘nachhaltig’ oder ‘grün’ zu bezeichnen, verfolgt Guggenberger einen Designansatz, der Techniken, Materialien und Infrastrukturen überdenkt: Die Bestandteile ihrer Schuhe sind zerlegbar, reparaturfähig und können getrennt entsorgt werden. Bei der Suche nach einem moralisch vertretbaren Umgang erkennt sie die Komplexität jeder Entscheidung an. Um negative Aspekte positiv zu beeinflussen, setzt sie sich intensiv mit ihnen auseinander. FashionUnited war bei der Kollektionspräsentation im ‘AFA Space’ in Wien dabei und sprach mit der Designerin über ihren Zugang zur Tragbarkeit und Langlebigkeit ihrer Schuhe sowie ihren Umgang mit der lokalen Infrastruktur.

Guggenbergers Schuhentwürfe sind Schicht für Schicht aufgebaut, das erleichtert das Reparieren. Bild: Johanna Magdalena Guggenberger

Zurück zur Tragbarkeit

Für ihre Karriere in der Modebranche ist Guggenberger viel herumgekommen. Die Reise begann in Wien, wo sie einen zweijährigen Diplomlehrgang für Mode und Bekleidungstechnik an der HLMW9 Michelbeuern absolvierte. Darauf folgten ein Bachelorstudium am London College of Fashion und ein Masterstudium an der Universität der Künste in Berlin. Seit 2015 erforscht Guggenberger nach ihrer Tätigkeit als freischaffende Designerin, wie für die spanische Schuhmarke Camper, die Produktion als Werkzeug der Transformation. Projekte wie das in Berlin entstandene ‘Konglomerate’ untersuchen Konstruktionen, Werkzeuge und Abläufe in der Schuhindustrie. ‘Ra(h)menschuh’ beschäftigt sich mit dem Wechselspiel zwischen digitaler Fabrikation und Handwerk. Zuletzt wurden ihre Forschungsergebnisse in der HKDI Gallery in Hongkong im Rahmen der Ausstellung ‘Syntropia’ präsentiert.

Bei ‘¡OJO!’ sind Klarheit und Strukturiertheit der Kollektion klare Indikatoren für Guggenbergers forschungsorientierte Arbeitsweise. Doch was hat die Wienerin dazu bewogen, nach Jahren der Produktforschung wieder selbst zu designen und ihre Entwürfe tragbar zu machen? „Manchmal muss man sich vom Tragbaren entfernen, um wirklich zu sehen, was tragbar ist“, sagt Guggenberger. „Die Ideen kamen von allem, was ich zehn Jahre zuvor gemacht hatte. Alles ist aus der Arbeit mit dem Material hervorgegangen.“ Erkenntnisse aus den Gebieten Werkstoffe, Design und Konstruktion fließen in eine gut tragbare Ausformung des Schuhs ein.

Guggenberger kombiniert alles bisher Gelernte und Erforschte in ihrer ersten Kollektion. Bild: Johanna Magdalena Guggenberger

Materialien, die kontrollierbar sind

Für die Schuhmodelle werden hauptsächlich Materialien verwendet, die sich kontrollieren lassen. „Eigentlich bin ich eine Diktatorin des Materials. Ich möchte ihm sagen, was es zu tun hat“, lacht die Designerin. Dies wird deutlich in den von Guggenberger selbst gefertigten, fußförmigen Stühlen und Bänken, die den Ausstellungsbereich der AFA zieren. Leder und Stoffe bevorzugt sie daher ebenfalls. Herkömmliche vegane Optionen kommen bei ihr jedoch nicht zum Einsatz: „Ich bevorzuge echtes Leder, weil es haltbarer ist und anders funktioniert. Da viele Menschen immer noch Fleisch essen, muss etwas mit der Haut passieren. Ich mag den Begriff ‘veganes Leder’ nicht – es ist meist PU-beschichtetes Erdöl.“ Unter anderem hat sie mit ‘Malai’ gearbeitet, einem Material, das aus bakterieller Zellulose von Kokosnusswasser in der Slowakei hergestellt wird. Sobald der Fermentationsprozess abgeschlossen ist, wird das Material geerntet und mit der Naturfaser Hanf verstärkt.

Guggenberger arbeitet mit Materialien, die leicht verfügbar sind, um die Reparierbarkeit zu garantieren. Bild: Johanna Magdalena Guggenberger

Langlebigkeit durch Verfügbarkeit

„Um die Idee des Tragbaren umzusetzen, konzentriere ich mich auf Dinge, von denen ich weiß, dass sie bereits funktionieren. In der Materialforschung und -entwicklung kann man dann weiterarbeiten, wenn man eine gewisse Basis geschaffen hat“, erklärt Guggenberger. „Deshalb arbeite ich mit Materialien, die leicht verfügbar sind.“ Das wiederum fördert die Reparierbarkeit ihrer Modelle: Schuster:innen können Teile wie die aus Naturkautschuk gefertigte Sohle bei Bedarf leicht austauschen, da dieser überall erhältlich ist. Zudem wird er beim Abschleifen selbstklebend, sodass kein weiterer Rohstoff zum Zusammensetzen benötigt wird. „Man kann alles auseinandernehmen und wieder zusammennähen, ansonsten flicken.“

Auch Weben und Flechten sind gängige Handwerkskünste, die das Reparieren der Schicht für Schicht aufgebauten Schuhmodelle erleichtern. Auch das Modellieren des Leders erfolgt nach altbewährten traditionellen Techniken. Durch die Konstruktionsmerkmale ist die Zerlegbarkeit gegeben, die Materialien können getrennt entsorgt oder gesammelt werden und die textilen Oberteile sind biologisch abbaubar. Die Herstellung ohne Leisten, da der Schuh vom Fuß geformt wird, spart zusätzlich Rohstoffe.

Makel anerkennen

Guggenbergers Arbeit basiert auf einer Ehrlichkeit, die ihr im Leben wichtig ist. „Es gibt Schlagworte, die verwendet werden, in der Mode ‘sustainable’, ‘green’ oder ‘degenerativ’. Das sind Labels, die ihre eigentliche Bedeutung verlieren. Auch wenn es kitschig klingt, ist es für mich ehrlich zu sagen, dass ich mir nicht irgendein Wort überlege, das gut klingt, aber schwammig wird, weil es eigentlich keine Bedeutung mehr hat“, so Guggenberger. Stattdessen sollten Nachteile erkannt und durch die Auseinandersetzung möglicherweise in Vorteile umgewandelt werden. Als problematisch nennt sie beispielsweise den Naturkautschuk. Er wird auf Plantagen in Südostasien angebaut, wo die Arbeitsbedingungen undurchsichtig sind. Durch die Kooperation mit bestimmten Lieferant:innen können jedoch Standards wie Transparenz vorangetrieben werden, um anders zu arbeiten. „Es ist ein Stück Ehrlichkeit, zu sagen, es gibt Gründe, warum ich es benutze, und andere, warum nicht. Viele Dinge haben Fehler, aber das ist in Ordnung, weil man daran arbeitet. Das wäre gut für die ganze Welt.“

Mit Methoden wie Flechten und Weben werden weit verbreitete Handwerkstechniken genutzt. Bild: Johanna Magdalena Guggenberger

Lokalität muss nicht an Grenzen gebunden sein

Das Design von Guggenberger bezieht die lokale Infrastruktur ein. Da es nur wenige Arbeitsschritte in der Herstellung ihrer Schuhmodelle gibt, können Weber:innen und Flechter:innen, eine Seilerei, Schuster:innen sowie Materiallieferant:innen im näheren Umfeld gefunden werden. Die Frage nach dem Umgang mit den umliegenden Ressourcen beginnt also bereits bei der Auswahl der Materialien und der Zusammenstellung eines Produktes. „Vertrieb und Produktion, da ist der lokale Aspekt sehr wichtig. Ich meine, lokal im weitesten Sinne, das ist nicht an Grenzen gebunden, sondern an Einflussräume, ein Schienennetz oder Ähnliches“, sagt Guggenberger.

Im Moment ist ihre Kollektion noch nicht käuflich zu erwerben, das hänge von den mit dem Produktionsprozess einhergehenden Schritten ab. „Ich habe mir vorgenommen, alles langsam anzugehen. Es läuft, wie es läuft.“

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