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Recovo-CEO: „Mit uns spart man nicht nur Material und CO2, sondern auch Geld“

Von Regina Henkel

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Mode |Interview

Recovo scannt Lagerbestände von Unternehmen. Diese können dann über die Plattform verkauft werden. Bild: Recovo

Um Reststoffe vor ihrer Vernichtung zu bewahren, hat das spanische Re-Commerce Start-up Recovo einen internationalen Online-Marktplatz entwickelt, auf dem Modeunternehmen ihre Produktionsreste weiterverkaufen können. Auch an weiteren Lösungen arbeitet das Unternehmen.

Mónica Rodriguez gründete das Unternehmen Recovo 2021 in Barcelona. Ihre Motivation damals: Sie wollte der Branche neue Lösungen für mehr Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung anbieten. Sie kommt selbst aus der Modeindustrie, kennt die Probleme der Branche und die Herausforderungen, denen sie sich in den nächsten Jahren stellen muss.

Vor allem bei den Stoffresten sieht sie großes Potenzial, denn viele Modeunternehmen horten in ihren Lagern Stoffe und Zutaten aus den vergangenen Jahren. Oft wissen sie gar nicht, welche Schätze dort schlummern. Recovo will helfen, diese Schätze wieder nutzbar zu machen. CEO Mónica Rodriguez erklärt, wie das funktioniert und welche Ideen sie sonst noch hat.

Was war die Idee hinter Recovo? Was genau machen Sie?

Recovo ist eine Plattform, die Kreislauflösungen für die Modeindustrie anbietet. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um zwei Hauptdienstleistungen, die alle im Zusammenhang mit Textilabfällen stehen und letztlich bewirken, dass Textilabfälle in eine Ressource umgewandelt werden.

Ein Service umfasst unseren Marktplatz, über den Marken überschüssige Materialien, Garne, Stoffrollen, Zutaten et cetera aus der Modeproduktion kaufen und verkaufen können. Wir haben jede Kategorie auf Lager, von Brautmode bis zu Oberbekleidung und Baumwollstrick für T-Shirts und Sweatshirts. Hier können Marken Materialien mit Rückverfolgbarkeit kaufen und mithilfe einer LCA-Methode auch die Auswirkungen dieser Materialien pro Meter berechnen lassen. Im Grunde handelt es sich bei Recovo also um eine Plattform, die Verbindungen zwischen Unternehmen, die Restbestände haben, und Unternehmen, die diese kaufen möchten, herstellt.

Mónica Rodriguez, Gründerin und CEO von Recovo. Bild: Recovo

Welchen zweiten Service bieten Sie Ihren Kund:innen?

Die zweite Dienstleistung ist eine Software. Diese Software ist ein Bestandsmanagement-Tool. Hier klassifizieren wir die Restbestände aus der Produktion in wiederverwendbare und nicht wiederverwendbare Abfälle.

Für die wiederverwendbaren Abfälle erstellen wir eine digitale Bibliothek mit allen Materialien, die das Unternehmen auf Lager hat. Wir erstellen einen visuellen, attraktiven, digitalen Katalog mit Fotos, Videos, Scans der Materialien, Menge, Zusammensetzung und allen Beschreibungen.

So können die Designer:innen und die Einkaufsteams, bevor sie eine Kollektion entwerfen, zuerst das wiederverwenden, was im Unternehmen bereits vorhanden ist, anstatt sich auf die Suche nach neuen Lieferanten zu machen. Mit unserer Unterstützung können Unternehmen die Wiederverwendung ihrer eigenen Materialien um 50 Prozent steigern. So können wir einem Unternehmen sagen: Okay, Sie haben im Lager ausrangierte Waren im Wert von fünf Millionen Euro. Lassen Sie uns Ihnen helfen, damit Ihr Unternehmen sie wiederverwendet. So kann man nicht nur Ressourcen sparen, sondern auch Geld. Zudem werden alle Bestände in Daten wie Auswirkungen, Wasserverbrauch, vermiedene Emissionen und Chemikalien umgerechnet.

Wer solche Restposten verwendet, statt neue Ware zu kaufen, kann also aktiv seinen ökologischen Fußabdruck reduzieren?

Wenn Sie eine Bekleidungsmarke sind und eine neue Kollektion entwerfen, können Sie, indem Sie über uns etwa Baumwolle kaufen, den Wasserverbrauch und die Emissionen der Produktion von neuer Baumwolle einsparen. Diese Einsparung können Marken in ihrer Kollektion angeben.

Woher kommen die Stoffe oder Materialien meistens?

Wir beziehen sie von verschiedenen Modemarken aus der ganzen Welt.

Das Outfit von der Marke Alohas besteht aus Recovo-Stoffen. Bild: Recovo

Mit wie vielen Unternehmen arbeiten Sie zusammen?

Das sind sehr viele, inzwischen mehr als 800.

Und wie international ist Ihr Netzwerk?

Wir sind in 15 Märkten vertreten. Spanien ist das Hauptland, aber gleich nach Spanien kommt Frankreich, dann Italien, dann Portugal, dann Deutschland, die Niederlande, und inzwischen sind wir auch in Skandinavien vertreten.

Können Sie ein aktuelles Beispiel nennen, wo man Recovo-Materialien verwendet?

Vor ein paar Wochen waren wir zum Beispiel auf der Copenhagen Fashion Week. Dort zeigte eine Marke auf dem Laufsteg eine Kollektion aus Stoffen, die Recovo von einem anderen Unternehmen zurückgewonnen hatte. Dieses Unternehmen kam aus Spanien. Gestern haben wir Stoffe eines deutschen Modehauses wiederverwertet, und ein spanischer Designer hat eine ganze Kollektion aus Recovo Stoffen entworfen und auf der Madrid Fashion Week gezeigt. Das haben wir schon mit vielen Designer:innen gemacht.

Was für ein Unternehmen Abfall ist, kann für ein anderes eine Ressource sein. Das ist das Schöne. Ohne Recovo würde diese Weiterverwendung nicht stattfinden, und das finde ich großartig, das motiviert mich.

Die Stoffe werden in einer Datenbank erfasst und können über die Plattform gekauft werden. Bild: Recovo

Was geschieht normalerweise mit diesen Restmengen?

In der Vergangenheit war es so, dass die Firma ihre Stoffe auf Lager legt. Am Anfang sind Stoffe ein Aktivposten. Nach einer gewissen Zeit sind die Stoffe veraltet und werden abgeschrieben. Somit sind sie für das Unternehmen nicht mehr wertvoll. Also werden sie weggeworfen und verbrannt. Manche Restbestände werden auch kiloweise von Restpostenhändlern aufgekauft. Aber stellen Sie sich vor, Sie haben eine hochwertige Seide auf dem Lager. Die wird dann auch im Kilopreis verkauft. Auch sie verliert damit massiv an Wert. Wir wollen sicherstellen, dass die Ware ihren Wert nicht verliert. Sie wird natürlich günstiger, aber sie behält einen Wert.

Außerdem gibt es jetzt eine neue Gesetzgebung, die das Verbrennen oder Entsorgen von überschüssigem Inventar verbietet und die Unternehmen in die Verantwortung nimmt. Sie müssen es also entweder recyceln, wiederverwenden oder auf nachhaltige Weise entsorgen. Sie sind für diese überschüssigen Bestände verantwortlich und können sie nicht wegwerfen oder verbrennen. Sie müssen Lösungen finden. Recovo ist eine davon.

Sie haben die neue Gesetzgebung erwähnt, die besagt, dass Lagerbestände nicht mehr vernichtet werden dürfen. Aber Sie bieten auf Ihrer Website auch an, dass Sie Altbestände oder sogar überproduzierte Neuware recyceln. Was genau machen Sie damit?

Das ist der neueste Service, den wir anbieten. Er befindet sich derzeit in der Pilotphase. Was wir tun, ist, Verbindungen herzustellen. Sagen wir mal, ein Kunde hat Restware und braucht seinen Lagerplatz. Dann helfen wir ihm, ein Recyclingunternehmen dafür zu finden, auch über Ländergrenzen hinweg, je nachdem, wo sich die Ware befindet. Wir helfen ihm also dabei, den richtigen Partner für das Recycling zu finden. Vor allem für kleine und mittlere Unternehmen ist das interessant, weniger für große Unternehmen, die bereits Prozesse für all das haben.

Welche Art von Recycling können Sie anbieten? Im Allgemeinen steckt das textile Recycling ja noch in den Kinderschuhen.

Je nach Material werten wir das Material auf. Wenn es sich um 100 Prozent Baumwolle handelt, bieten wir an, sie in Garn umzuwandeln und für eine neue Kollektion zu verwenden. Wenn es sich um eine Mischung aus Polyamid, Polyester und Elastan handelt, ist es kompliziert. Das wird dann normalerweise downgecycelt, beispielsweise zu Materialien für Matratzen oder Dämmmaterial. In jedem Fall helfen wir dabei, die Ware aus dem Lager zu bekommen und ihr ein verantwortungsvolleres Lebensende zu geben.

Wie haben Sie angefangen? Wie kamen Sie auf die Idee, Recovo zu gründen?

Wir kommen aus der Modeindustrie und wissen, dass nach der Produktion eines Kleidungsstücks Reststoffe übrigbleiben, die man verwenden kann. Es gibt eine Menge Textilabfälle. Also haben wir versucht, einen intelligenten Weg zu finden, um den Textilabfall zu reduzieren, bevor er dem Recycling zugeführt wird. Wir dachten uns, dass wir durch die Schaffung von Verbindungen eine Menge bewirken können, wenn wir skalieren und groß werden, was natürlich unser Ziel ist.

Wir sind 2021 gestartet, direkt nach Covid-19. Heute umfasst unser Katalog 1,7 Millionen Meter Stoff, den wir zurückgewonnen haben und der für Unternehmen verfügbar ist. Recovo hat also tatsächlich Auswirkungen auf die Branche. Und wenn wir wachsen, natürlich noch viel mehr.

Eine Kollektion aus Recovo-Stoffen von Moises Nieto. Bild: Recovo

Welche Rolle hat Mango bei Ihrem Start gespielt?

Mango hat ein ‘Acceleration Program’ für Start-ups in Spanien geschaffen, das Unternehmen fördert, die Probleme der Modebranche lösen. Es heißt Mango Startup Studio. Sie hielten Recovo für einen Problemlöser, unsere Lösung war interessant. Und haben in uns investiert, damit wir wachsen können.

Welche Art von Unternehmen arbeitet normalerweise mit Ihnen zusammen?

Auf der Verkäuferseite haben wir viele große Marken, beispielsweise Pronovias oder auch Mango, die ihre Produktionsreste über uns verkaufen. Auch Stoffproduzenten gehören dazu, denn auch dort bleiben hin und wieder Stoffe übrig. Hier haben wir in der Regel Unternehmen mit einem Umsatz von über 50 Millionen Euro. Auf Käuferseite sehen wir vor allem mittelgroße Unternehmen mit einem Umsatz von über eine Million Euro bis vielleicht 50 Millionen Euro. Aber jeder, egal wie groß, kann bei Recovo einkaufen.

Gibt es eine Mindestmenge beim Kauf?

Das Minimum sind 20 Meter. Wir wollen eine Bewegung schaffen, die alle einschließt. Wenn wir mit hohen Mindestmengen beginnen, werden alle kleinen Marken und Designer:innen, die neu anfangen, aus dem Service ausgeschlossen. Das wollen wir nicht.

Kollektion aus Recovo-Stoffen von Moises Nieto. Bild: Recovo

Gibt es noch mehr Unternehmen wie Sie? Haben Sie Konkurrent:innen?

Ja, sie bieten nicht genau dieselbe Dienstleistung an, aber wir haben Gemeinsamkeiten, und das ist gut so, denn wir schaffen einen Markt für die Wiederverwendung von Materialien, den es vorher auf der Bestands- und Rohstoffseite so nicht gab. Es ist also gut, dass wir Konkurrenz haben. Beispielsweise hat die LVMH-Gruppe ein Unternehmen gegründet, das all ihre überschüssigen Stoffe verwaltet und an andere Unternehmen in der Welt weiterverkauft. In den USA gibt es Queen of Raw und in Frankreich We Turn. Frankreich ist ein starkes Land für diese Art von Lösungen. Im Bereich Kreislaufwirtschaft ist Frankreich anderen Ländern weit voraus.

Sammeln Sie auch Altkleider? Ab 2025 gelten in der EU neue Vorschriften für das Sammeln von Alttextilien.

Nein, mit Altkleidern machen wir im Moment gar nichts.

Was sind Ihre weiteren Pläne? Woran arbeiten Sie im Moment?

Wir arbeiten an der Skalierung. Unser derzeitiger Fokus liegt also darauf, mehr Unternehmen an Bord zu holen, mehr Bestände zu katalogisieren und in der Lage zu sein, größere Unternehmen zu bedienen.

In Bezug auf die Dienstleistungen haben wir zudem eine neue Circularity Management Software (CiMS) entwickelt. Sie ermöglicht die Verwaltung von Materialien, die in einem Unternehmen als veraltet oder übriggeblieben eingestuft werden, und hilft, sie im Unternehmen wiederzuverwenden. Sie funktioniert wie eine digitale Bibliothek und soll die Optimierung der Lagerbestände fördern. Sie will die Mitarbeiter:innen im Unternehmen dazu anregen, zuerst die Bestände aufzubrauchen und dann neue Kollektionen anzulegen.

Indem wir den Unternehmen Informationen darüber geben, wie viel Material übrig bleibt, wie wertvoll es ist und welche Auswirkungen es auf die Umwelt hat, helfen wir ihnen, das Problem zu lösen, und machen ihnen auch bewusst, wie sie im nächsten Jahr Überbestände vermeiden können. Die Idee ist also auch, ihnen bei der Reduzierung zu helfen.

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