Raus aus der Nische: So verändert sich die Plus Size Mode
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Frauen stehen immer mehr zu ihrem Körper. Mit den Trends zu Inklusivität und Positivität rund um den Körper ist das Segment für Große Größen nicht nur einer der am schnellsten wachsenden Segmente bei Onlinehändlern wie Zalando, es hat sich auch verändert. Eine steigende Anzahl an konventionellen Modeunternehmen wie Bestseller hat in den vergangenen Jahren neue Linien lanciert, während Start-ups wie Universal Standard aus den USA den Markt aufwirbeln.
"Im Moment fangen Frauen wirklich an ihre Körpergröße zu akzeptieren, sie versuchen nicht mehr, sie zu verbergen; sie versuchen nicht, zu ändern, wer sie sind”, sagte Sabrina Shairzay, Head of Trend beim Modefilialisten C&A in einem Interview. C&A bietet Damenmodegrößen bis 60 und erweitert seine Brautmodekollektion kommenden Herbst auf Größe 52. Ebenso Potential sieht C&A beim Ausbau des Angebots an legeren und formalen Blazern, sowie Anlassbekleidung – bisher lag die Stärke vor allem im Casualbereich.
Ein Stil für alle
Mit den jüngeren Konsumenten, die beleibter werden, hat sich auch die Mode für Große Größen verändert, sagte Nico Jonker, Brand Manager für das dänische Label Zhenzi. Die Jungen trauen sich mehr zu zeigen, erzählte er auf der Messe WFC Big Brands Ende Juli in Amsterdam. Die Kleidung ist nicht mehr lang und bedeckend, stattdessen verkaufen sich beispielsweise auch enge, körperbetonte Jeans gut.
Diese Beobachtung teilt auch Marrit Goselink, Buying & Sales Koordinatorin Basics & Denim, beim niederländischen Unternehmen Buur Fashion. Zum Unternehmen gehören das Label Yest und seine größere Schwester Yesta, sowie Ivy Beau und Ivy Bella. Die Unterschiede zwischen Bekleidung für schmale und vollere Frauen verschwinden zusehends. “Wir glauben, dass molligere Frauen, dasselbe tragen möchten, wir möchten hier keinen Unterschied machen“, sagte sie bei der Messe. Bei den Stilen gibt es keine Unterschiede zwischen den Größen mehr, erzählt Goselink. Bei den Großen Größen würden die Schnitte noch angepasst, aber nicht mehr so viele.
Mit dem sich verändernden Körperbewusstsein gehen neben den weiten, langen Schnitten auch die expressiven Drucke in lauten Farben zurück, die die Körperformen überdecken. Stattdessen verkaufen sich auch unifarbene Teile sehr gut, sagte Goselink.
Ein Segment auf dem Vormarsch
Luxusmodehäuser, die sich lange gegen inklusivere Größen gesperrt haben, geben ihre Widerstände zusehends auf. In diesem Jahr weitete Dolce & Gabbana als erstes Luxuslabel seine Größenauswahl bis 54 aus. Immer mehr Massenmarktmarken wie Tom Tailor führen ihre eigene Plus Size Kategorie ein. Diese Saison stellte der Hamburger Bekleidungshersteller seine Linie für Große Größen, My True Me, vor mit der er ein Drittel seines Umsatzes mit Damenmode innerhalb der kommenden drei Jahre verdienen will.
Auch online legt das Segment zu, nicht nur bei spezialisierten Webshops wie Navabi oder Sheego, sondern auch bei Zalando, wo rund 5 Prozent der europäischen Bevölkerung einkauft. Das Sortiment für Große Größen beim Onlinehändler hat sich seiner Einführung verdoppelt und in Zukunft will Zalando sein komplettes Womenswear Segment in Plus Size “spiegeln”. Das heißt: Ebenso umfassend Marken anzubieten wie bei seinen ‘Kerngrößen’, damit Kunden jeden Stils unabhängig von ihrer Körperform Mode bei Zalando finden.
“Das Thema Größeninklusivität hat im europäischen Markt in den letzten Jahren viel Unterstützung und starkes Wachstum erfahren”, sagte Michelle Burkholder, Director of Buying Women Apparel, Special Sizes, Underwear & Beachwear von Zalando SE, per Email. “Bestehende Modemarken erweitern ihr Sortiment um größere Größen. Neue Marken kommen in der Plus Size Kategorie am Markt dazu und wachsen erfolgreich.”
Die Plus Size Kollektionen der Eigenmarken von kommerziellen, britischen Modeanbietern haben sich von 2015 bis 2018 mehr als verdreifacht, wie Zahlen des Datenunternehmenens Edited zeigen. In Deutschland hatten mehr als die Hälfte der Frauen zwischen 14 und 70 Jahren Konfektionsgröße 42 oder größer, wie die letzte Messung von SizeGermany zeigt. Und der Trend zu größeren Körpern war seitdem in Europa steigend.
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In der Kategorie Plus Size beobachtet Burkholder den gleichen Appetit für Mode wie in den Kerngrößen von Zalando: “Die Topseller reichen von Denim und T-Shirts bis hin zu trendorientierten Artikeln in den Kategorien Blusen und Kleider. Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Wachstumsbereich für alle Kategorien in Textil, auch für Große Größen.”
Den Trend zur grünen Mode reflektiert auch die Swimwear des Lingerielabels Plaisir, das seit 2015 Econyl benutzt, Nylon aus recycelten Materialien wie Fischernetzen. Pastelltöne laufen derzeit bei der Lingerie gut und bei der Bademode sind es die Prints, erzählte Aafke de Boer auf der WFC Big Brands. Sie vertritt mit ihrer gleichnamigen Agentur Plaisir und die Curvy-Strumphosen von Pamela Mann. In Deutschland will Plaisir weiter wachsen und sucht nach mehr Agenten.
Bei dem Bekleidungshändler C&A ist das Segment für Große Größen traditionell ein wichtiger Markt. Derzeit gefragt bei den Kundinnen sind Rundstrick-Basics und leichte Flachstrick-Cardigans, und das vor allem in mittleren Brauntönen. Auch Kleider wurden in den vergangenen Saisons verstärkt ins Sortiment aufgenommen.
Eine oder zwei Marken?
So wie sich der Stil zwischen den Größen angleicht, nähert sich auch die Markenidentität langsam aneinander an. Tom Tailor entschied sich mit “My True Me” noch für einen eigenen Namen bei seiner neuen Linie; die Plus-Size-Sortimente der Label des dänischen Bekleidungskonzerns Bestseller tragen einen Zusatz: Only Carmakoma, Vero Moda Curve. Bei Yest und Yesta besteht der Größenunterschied nur noch aus einem “a”.
Das US-Startup Universal Standard schließlich bietet unter einer Marke alle Größen an, die in den USA von 0 bis 40 (30 bis 72 in Europa) reichen. Und das mit Überzeugung. Denn rund 67 Prozent der US-amerikanischen Frauen tragen Größe 14 (EU 46) oder größer, sagte Alexandra Waldman, eine der Gründerinnen des Labels. “Die Idee von ‘Plus Size’ als separater Kategorie und als ‘Nische’ muss verschwinden!”
Dieser Beitrag enstand mithilfe von Yasmine Esser und Marjorie van Elven.
Bild: Nike Town London courtesy of Nike