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Outdoor in der Modewelt: eine Berg-und-Tal-Fahrt

Von Regina Henkel

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Mode|Kommentar
Adidas Originals x Edison Chen, the CLOT Silk Gazelle Collection, SS25 Credits: Adidas

Outdoor und Mode nähern sich seit Jahren einander an – sichtbar in Trends wie Gorpcore oder modischen Funktionsteilen. Doch was Konsument:innen längst selbstverständlich kombinieren, bringt Marken und Handel oft in eine strategische Zwickmühle.

Grenzen der Segmente sind im Handel noch recht starr

Gorpcore ist nur das jüngste Beispiel einer langen Reihe von Verschmelzungen innerhalb der letzten Jahre. Mal wurde dafür geworben, Fashion Brands im Outdoor-Handel zu platzieren, mal dafür, dass Outdoor-Marken den Modehandel attraktiver machen könnten. Denn schließlich machen es die Konsument:innen vor: Sie kombinieren beide Segmente völlig sorglos, etwa die Outdoor-Jacke zur Jeans oder die Trailrunning-Schuhe zum Rock. Nur weil ein Produkt für den Bergsport entwickelt wurde, heißt das noch lange nicht, dass es dort auch zum Einsatz kommt.

Aber: Was im Kleiderschrank der Konsument:innen ganz unkompliziert möglich ist, ist es in der realen Handelswelt keineswegs. Die Grenzen zwischen beiden Segmenten sind undurchlässiger, als man meinen könnte – und das sogar aus gutem Grund. Denn langfristig kann diese Unentschiedenheit, zu welcher Seite man gehören möchte, ernsthafte Probleme verursachen. Ein Blick in die letzten 20 Jahre beweist es.

Mode kapert Outdoormarken – nicht immer zu ihrem Besten

Ein frühes Beispiel hierfür ist Helly Hansen. Die skandinavische Outdoor- und Segelmarke wurde in den 1990er Jahren von der HipHop-Szene „gekapert“, ohne dass dies von Helly Hansen beabsichtigt gewesen wäre. Plötzlich waren die HH-Puffer-Jacken überall auf den Straßen und Schulhöfen zu sehen, und es war völlig egal geworden, woher die Marke eigentlich kam und wofür sie ursprünglich stand. Dem unerwarteten Umsatzboom folgte ein unsanftes Erwachen, denn die eigentliche Zielgruppe von Helly Hansen empfand diese Aneignung eher als abschreckend. Und natürlich zog der Mode-Trend nach ein paar Saisons weiter. Die Marke war verbrannt.

Adidas hatte mit dem gleichen Phänomen zu kämpfen, als die Hip-Hop-Band RunDMC ein Loblied auf die drei Streifen sang, und ging schließlich mit dem Launch von Adidas Originals und weiterer Sub-Brands dazu über, Mode und Performance strickt zu trennen – in der Kollektion, im Vertrieb und im Marketing. Bis heute fährt Adidas gut damit und schafft so den beachtlichen Spagat zwischen Spitzensport, Massenware und Modewelt.

Adidas Terrex, die Outdoor-Sparte der Marke, hat es jedoch bis heute schwer. Als Terrex 2011 gelauncht wurde, konnte sich Adidas zwar die besten Bergsportler:innen fürs Marketing einkaufen, für die nötige Glaubwürdigkeit reichte das aber nicht. Die Outdoor-Szene blieb skeptisch. Adidas haftete genau das an, womit sie sich nicht identifizierte: Massenmarkt und Mode. Bis heute wirkt Terrex so, als sei es noch in der Findungsphase: Mal steht Nachhaltigkeit im Fokus, mal Urbanität, mal Highend-Funktionalität. Ob die Terrex-Läden in Deutschland deshalb nicht funktioniert haben, darf spekuliert werden.

Aber grundsätzlich lässt sich festhalten: Die klassische Outdoor-Zielgruppe fühlt sich nicht geadelt, wenn plötzlich Modeleute oder Stars ihre Outdoor-Marken in die Kameras halten und auf der Straße nicht mehr erkennbar ist, wer den Outdoor-Sport wirklich liebt und wer sich damit nur schmückt.

Outdoor-Marken distanzieren sich aktiv vom Mode-Image

Die Liste der Outdoormarken, die in den letzten Jahren plötzlich von der Mode gehypt wurden oder auf einmal hybride, modische Kollektionen entwickelten, lässt sich leicht verlängern: The North Face und Salomon versuchen es inzwischen ebenfalls mit separaten Performance- und Fashion-Kollektionen, zum Teil auch mit getrennten Läden. Auch Mammut wagte mit goldenen Daunenjacken, weißen Bergstiefeln und rosafarbenen Kletterseilen den Weg in die Mode - und wurde dafür abgestraft. Der heutige CEO Heiko Schäfer (der interessanterweise von Boss kommt) machte letztes Jahr Werbung mit dem Slogan „We are not a Streetwear Brand“ und betont gerne, solche Eskapaden werde es bei Mammut nicht mehr geben.

Die kanadische Premium Outdoor-Marke Arc’teryx hatte mit der Sub-Brand Veilance vor über 15 Jahren ohnehin schon einen Fashion-Ableger gegründet, mit hochpreisigen, minimalistischen Hightech-Teilen für den Alltag. Interessanterweise stürzte sich die Fashion-Crowd aber nicht auf den Fashion-Ableger Veilance, als Arc’teryx vor zwei, drei Jahren den Modeolymp erklomm – beispielsweise durch eine Collab mit Jil Sander –, sondern auf die klassische Outdoor-Linie oder gar die Military-Sparte. Auch hier dürfte der plötzliche Mode-Boom der Glaubwürdigkeit der Brand eher geschadet und der Kernzielgruppe wenig behagt haben. Daher distanziert sich auch Arc’teryx inzwischen wieder von der kurzen, aber heftigen Mode-Liaison. „Je größer unser Footprint wird, desto mehr achten wir darauf, dass wir unsere Core-Positionierung stärker kommunizieren und definieren“, sagte Sven Radtke, General Manager EMEA von Arc’teryx zur Eröffnung des neuen Stores in München im FashionUnited-Interview. „Selbstverständlich dürfen alle Kund:innen unsere Produkte kaufen, doch wir würden uns nie Gorpcore oder einem anderen Trend zuliebe in der Mode positionieren.“ Größere Mode-Collabs sind „kein Thema mehr und auch für die kommenden Saisons keineswegs geplant“, lautet heute die Strategie.

Das Beispiel Arc’teryx zeigt auch: Die Mode interessiert sich genau deshalb für Outdoor-Kollektionen, weil sie ein bestimmtes Image haben und für etwas stehen. Warum sonst begnügt sich die Modewelt nicht mit Veilance? Warum muss es die Hardcore-Outdoor-Linie sein? Weil Outdoor das Original ist, weil es in erster Linie funktionell und daher unterscheidbar ist von anderen Looks. Weil es von der technischen Innovation lebt, nicht von der optischen. Outdoor-Marken sind stolz darauf, dass einige ihrer Produkte über Jahrzehnte unverändert Teil der Kollektion bleiben. Man denke an Fjällräven, das seit über 50 Jahren seine Greenland Kollektion oder den Kanken Rucksack nahezu unverändert im Sortiment hat. Oder an Lowa, dessen Renegade Wanderschuh bald sein 30-jähriges Jubiläum feiert. Diese Beständigkeit im Gegensatz zur Mode macht Outdoor aus, und das ist der gleiche Grund warum auch Tennis-, Fußball- oder Ballett-Looks von der Mode als sichtbare Elemente aufgegriffen werden können und als solche erkennbar bleiben.

Die bislang einzige Luxus-Collaboration von Arc'teryx mit Jil Sander, 2021. Credits: Jil Sander x Arc’teryx

Wer profitiert vom Outdoor-Hype?

Schauen wir noch darauf, was der Gorpcore-Hype nun tatsächlich gebracht hat – und wem. Dem Outdoor-Markt brachte er auf alle Fälle Reichweite und neue Zielgruppen – erst recht nach der Pandemie, als ein urbanes Modepublikum plötzlich anfing, sich für funktionelle Kleidung und die Vorzüge von klassischen Outdoor-Aktivitäten wie Wandern und Camping zu interessieren. Diese neue Zielgruppe und die Frage, wie lange sie relevant bleiben wird, bereitet(e) der Outdoorbranche allerdings Kopfzerbrechen, weil sie nicht in erster Linie vorhatte, das Outdoor-Image für modische Zwecke zu kapern, sondern sie wollte wirklich Funktionskleidung – die aber zu ihren Bekleidungsgewohnheiten passte, die modisch war und sich nicht wie eine Verkleidung anfühlte.

Wem bescherte der Hype mehr Umsatz? Den Brands kurzfristig ganz sicher. Arc’teryx und Salomon verzeichneten die letzten Jahre gute Umsatzzuwächse. Für den klassischen Outdoor-Handel dürfte der Mode-Hype jedoch recht uninteressant gewesen sein, allen voran für die kleinen Händler:innen, die keinen Platz haben, das Thema gesondert zu präsentieren. „Fashion-Kund:innen gehen nicht plötzlich in ein Outdoor-Geschäft, um dort eine Outdoor-Marke zu kaufen, nur weil Outdoor jetzt im Trend liegt“, sagte schon vor Jahren eine Retail-Expertin aus der Outdoor-Branche und stellte sich damit gegen das übliche Storytelling mancher Messen oder Fach-Publikationen. Immerhin: Auch große Händler:innen wie Sport Schuster in München haben das Thema aufgegriffen und eingangsnahe Flächen den modischen Gorpcore-Kollektionen gewidmet, um Neukund:innen anzulocken.

Vor allem aber dürften es die Modehändler:innen gewesen sein, die das Thema gewinnbringend umsetzen konnten. Geschäfte wie beispielsweise Newseum in Nürnberg, Prm in Prag oder Ka-Yo in Kopenhagen haben neue, hybride Konzepte für Modekund:innen entwickelt, die genau diesen Vibe zwischen Outdoor-Tradition und Mode-Innovation suchen. Hier entstanden zudem neue Bühnen für junge, neue Brands, die sich genau auf diese hybride Welt zwischen Sport und Mode spezialisiert haben.

Fazit: Die echte Annäherung der Segmente dauert Generationen

Bleibt die Frage, wie lange dieser Hype noch anhält und wohin er sich entwickelt? Es ist nicht davon auszugehen, dass die Bedeutung von Körperkult und Naturerlebnis in den kommenden Jahren abnehmen werden. Es spricht daher viel dafür, dass Sport und Outdoor weiterhin eine wichtige Inspirationsquelle für die Mode bleiben werden, allen voran die authentischen Styles, die wiedererkennbar sind und Emotionen auslösen. Das Ausmaß dieses Einflusses wird jedoch schwanken. Dauerhaft integrationsfähig ist vermutlich nur der Komfort, der mit funktionellen Materialien einhergeht, und von dem sich moderne Konsument:innen kaum mehr verabschieden wollen. Solange sich jedoch echte Outdoor-Sportler:innen und Mode-Menschen voneinander abgrenzen wollen, werden sie weder in den gleichen Geschäften einkaufen – auch nicht online– , noch werden Marken ein echtes Interesse daran entwickeln, die jeweils andere Zielgruppe stärker und dauerhaft in den Fokus zu nehmen.

Die hybride Zielgruppe aber, die jünger ist, sportinteressiert und weder allein der klassischen Outdoor-Zielgruppe noch den reinen Mode-Kund:innen zugeordnet werden kann, wird bestehen bleiben. Sie ist die Keimzelle für die allmähliche Weiterentwicklung der Outdoor- und Sportkollektionen sowie für die echte Annäherung zwischen Mode und Outdoor, selbst wenn diese Themen in der Mainstream-Mode für ein paar Saisons nicht mehr so stark sichtbar sein sollten. Für die nahe Zukunft dreht das Trend-Barometer erstmal auf „konventionelle Mode“.

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