Norwegische Mode im Aufschwung: Designer:innen trauen sich mehr und wollen die Besten sein
Oslo Runway 2025 war mehr als eine Modewoche. Es war eine Bühne für norwegische Kultur. Die Modenschauen fanden an den schönsten Orten der Stadt statt. Models von Pearl Octopuss.Y liefen durch das Munch Museum und pausierten, um die Kunst zu betrachten. Der Schmuck von Josephine Studio wurde auf einem Boot präsentiert, mit dem blauen Wasser und den Fjorden als Kulisse. Oslos Modeszene zeigte sich dabei von ihrer künstlerischen Seite: mit Live-Musik, modernem Tanz im Nationaltheater (Pia Tjelta Studio) und einer Anti-Konsum-Performance von Livid. Besuche in der International Library of Fashion und Europas ältestem Warenhaus Steen & Strøm (1797) unterstrichen die reiche Geschichte der präsentierten Mode.
„Wir haben in dieser Saison viel Wert auf die Verflechtung von Mode mit Kultur, Kunst und Musik gelegt. Wir haben versucht, das norwegische Erbe, insbesondere die Stricktradition, modern zu interpretieren und auf ein höheres Niveau zu heben“, erklärt Elin Carlsen, CEO von Oslo Runway.
Im Bereich Nachhaltigkeit folgt Oslo Runway dem Beispiel anderer Modestädte: Soziale und ökologische Mindeststandards für Design und die Präsentation von Kollektionen wurden eingeführt. Ein eigener Beitrag ist ein umfassender Leitfaden für Diversität, der Marken zu inklusivem Casting ermutigt. Auf dem Laufsteg für FS26 waren Models unterschiedlichen Alters, mit verschiedenen Körperformen und Hintergründen zu sehen.
Norwegischer Markt wächst und internationalisiert sich
Der Umsatz norwegischer Mode- und Designmarken wächst stark. Im Jahr 2020 betrug der Gesamtumsatz der zehn größten norwegischen Modeunternehmen 63 Millionen Euro. Drei Jahre später, im Jahr 2023, hatte sich dieser Betrag auf 119 Millionen Euro verdoppelt. Wichtige Exportmärkte sind unter anderem Deutschland, Japan und Südkorea. Tourist:innen kommen vor allem aus Asien und den Golfstaaten.
Laut Carlsen sind Internationalisierung und Professionalisierung die Grundlage dieses Wachstums. „Mit nur 5,6 Millionen Einwohner:innen ist der norwegische Heimatmarkt zu klein für substanzielles Wachstum. Zum Vergleich: London hat mit zehn Millionen Einwohner:innen fast doppelt so viel Marktpotenzial wie Norwegen. Wenn die norwegische Mode als Branche einen ernstzunehmenden Beitrag leisten will, muss sie den internationalen Durchbruch schaffen.“
2023 debütierte Holzweiler auf der London Fashion Week. Vor dem Tom Wood Flagshipstore in Tokio, der sich im gleichen Viertel wie Prada, Comme des Garçons und Stella McCartney befindet, bilden sich laut Carlsen mehrere Tage pro Woche Schlangen. Die floralen Designs von ByTiMo hängen weltweit in den Kleiderschränken. Und 2024 investierte der Luxury Ventures-Fonds von LVMH in die norwegische Reise- und Gepäckmarke Db. Dies war die erste Investition von LVMH in Norwegen, die die weltweite Expansion von Db fördern soll.
Mit Unterstützung von Innovation Norway und dem Norwegian Fashion Hub organisierte Oslo Runway in diesem Jahr Showrooms in London und Kopenhagen. Darüber hinaus wurden die Mode- und Lifestyle-Segmente als Schlüsselbranchen in der neuen „National Export Initiative on Norwegian Manufacturing and Design“ ausgewiesen. Dieses kürzlich gestartete Regierungsprogramm strebt bis 2030 eine Steigerung der Exporte um 50 Prozent an.
Konsument:innen zeigen mehr Mut
Die norwegische Modewelt hat sich in den letzten Jahren professionalisiert, so David Wilkinson, Direktor von Steen & Strøm. „Die Kluft zwischen dem, was Designer:innen auf dem Laufsteg zeigen, und dem, was Konsument:innen tatsächlich kaufen, ist weitgehend geschlossen. Wir als Steen & Strøm wollen eine Brücke zwischen Designer:innen und Publikum schlagen. Für viele Designer:innen ist ein eigener Laden schlicht zu teuer. Daher bieten wir ihnen die Möglichkeit, ihre Arbeit einem breiten Publikum zu präsentieren. Gleichzeitig geben wir Konsument:innen die Gelegenheit, norwegisches Design hautnah zu erleben. Vor allem junge Menschen schätzen diese norwegischen Designer:innen; sie tragen stolz norwegische Labels von Kopf bis Fuß, was vor sechs Jahren noch undenkbar war. Damals entschieden sie sich eher für dänische oder schwedische Marken.“
Auch Kaia Kongsli, Marketingleiterin des luxuriösen Einkaufsviertels Promenaden Fashion District, beobachtet einen Mentalitätswandel. „Norwegische Designer:innen haben lange nach ihrer Identität neben den weiter entwickelten skandinavischen Modestädten, insbesondere Kopenhagen, gesucht. Sie hatten lange das Gefühl, ‚fancy‘ sein zu müssen – mit viel Gold und Schwarz. In den letzten Jahren sehe ich mehr Selbstvertrauen in ihrem Design. Am Umsatz merken wir, dass die Konsument:innen neugieriger auf diese neuen Stile werden, um ihre Persönlichkeit auszudrücken. Sie geben auch mehr für Mode aus als frühere Generationen.“
Avantgardistisches norwegisches Design
Modeexpert:innen auf der Oslo Runway nennen 2015 als Wendepunkt in der norwegischen Mode. „Vor dieser Zeit war Mode in Norwegen vor allem mit einer Art Celebrity-Glamour-Kultur verbunden“, erinnert Sunniva Hartgen, Head of Fashion bei Oslo Runway. „Es ging mehr darum, wer es trug, und die Mode selbst fühlte sich wenig mit Kultur verbunden an.”
Mit dem Aufkommen avantgardistischer Designer:innen wie Haik, Anne Karine Thorbjørnsen und Michael Olestad änderte sich das. Sie läuteten einen neuen, raueren Stil ein, der die Grundlage für die heutige Ästhetik bildet. Beispiele hierfür sind der kühle, bunkerartige Look von Envelope1976 unter der Leitung der Modeikone Celina Aagaard oder die anonymen Uniformen von 1313 Selah. 1313 Selah ist das Streetstyle-Label von Tomas Silva, Duy Ngo und Erik Spanne, das Depression als Ausgangspunkt nimmt und Sample Sales in Techno-Clubs veranstaltet.
Mehr Mut zur eigenen Meinung
„Die norwegische Kultur ist ursprünglich introvertiert und geht stark von der Gleichheit aller aus. Norwegische Mode verbindet man mit Utility und Clean – aber das ändert sich. Im letzten Jahrzehnt hat man gesehen, wie Designer:innen das norwegische Erbe auf andere Weise nutzen: weniger minimalistisch und expressiver“, erklärt Designerin Tarinii Martinsen.
Diese Veränderung zeigt sich laut der Designerin Julie Josephine auch im Modeunternehmertum. Sie sieht immer mehr gesunde und ambitionierte Modeunternehmen entstehen: „Die traditionelle norwegische Denkweise lautet: Glaub nicht, dass du besser bist als jemand anderes, heb dich nicht hervor. Aber immer mehr Marken bewegen sich davon weg, hin zu: Wir werden versuchen, die Besten zu sein und eine starke Marke aufzubauen. Es ist okay, erfolgreich zu sein.“
Ökosystem
Hartgen zufolge ist es ein Zeichen des Fortschritts, dass erfolgreiche Labels wie Woodling und Pearl Octopuss.y nicht mehr in Modestädte wie Kopenhagen und Paris abwandern. Sie beteiligen sich weiterhin aktiv an der norwegischen Modeszene, zeigen Kollektionen auf der Oslo Runway und präsentieren sich über Concept Stores wie F5 und Moniker einer jungen, modebewussten Generation.
„Es war ein langsamer Prozess, aber jetzt sehe ich, dass die Modeszene zu florieren beginnt und mit der breiteren Kultur verschmilzt. Jede Marke hat ihre eigene Community, wodurch ein Ökosystem entsteht. Es ist bezeichnend, dass große kulturelle Institutionen nun die Relevanz der norwegischen Modebranche erkennen. Dadurch können wir öffentlichkeitswirksame Kooperationen eingehen, zum Beispiel mit dem Munch Museum.“
Der Stylist und ehemalige stellvertretende Direktor von Oslo Runway, Adam Duong, betrachtet die Entwicklungen kritisch: „Es hat lange gedauert, bis Norwegen einen Platz auf der Modekarte bekommen hat, und kurz vor der Corona-Pandemie standen wir gut da. Viele der größeren, etablierten norwegischen Marken engagieren sich nicht mehr so stark, und das finde ich sehr schade. Oslo Runway bleibt vor allem ein Sprungbrett für neue Labels. In Kopenhagen kennt man die norwegischen Talente, aber verglichen mit deren Größe und Identität haben wir hier noch viel zu tun, um uns in Skandinavien zu etablieren.“
Made in Norway
Einzigartig an der norwegischen Modeszene ist das Netzwerk lokaler Produzent:innen: Viele Marken lassen ihre Produkte in Norwegen herstellen und messen ihre Handwerkskunst an den Standards der Luxusbranche.
Dass norwegische Unternehmen stolz auf ihr Handwerk sind, hat laut Gerda Sørhus Fuglerud, CEO der Strickmarke Oleana, mit einem noch jungen Kapitel der norwegischen Geschichte zu tun. „Vor den 1970er-Jahren war Norwegen ein armes Land. Textilien waren eine der wichtigsten Einnahmequellen, vor allem Wolle, weil so viel davon verfügbar war. In den letzten Jahren hat Innovation diesem Thema eine neue Wendung gegeben. Dank Investitionen in 3D-Maschinen können wir Arbeitsstunden reduzieren. Unsere eigene Fabrik in Bergen bietet viele Vorteile: Wir können die Qualität sichern, an Kreislaufwirtschaft forschen und mit jungen Designtalenten zusammenarbeiten, für die wir eine Ausbildungsstätte sind. Gewinn machen wir noch nicht, aber dank großzügiger staatlicher Unterstützung sehe ich die Zukunft positiv.“
Auch laut Elisabeth Pedersen vom Label ESP macht die Verwendung lokaler Materialien die norwegische Industrie besonders. Dutzende Produktionsbetriebe verarbeiten Wolle von weißen Kreuzungsschafen zu hochwertigen Produkten, indem sie sie beispielsweise kämmen, pressen oder mit einer weicheren Wollsorte auf der Innenseite kombinieren. „Für Oberbekleidung ist norwegische Wolle hervorragend geeignet: Die Fasern sind ziemlich lang und brechen nicht so schnell, wodurch ein solcher Pullover Wind und Wetter standhält. Norwegische Wolle hält warm, auch wenn sie nass wird, und sie enthält mehr Lanolin als andere europäische Kreuzungsschafe, weil die Tiere frei in den Highlands herumlaufen. Lanolin wirkt wie eine natürliche Beschichtung: Es weist Regen ab und verleiht den Fasern einen schönen Glanz.“
Lokales Handwerk an der Modeschule
An norwegischen Modeschulen werden diese Techniken und die Wertschätzung für natürliche Materialien vermittelt, sagt Kari Søreide, Design-Dozentin bei ESMOD. „Im ersten Jahr gibt es ein festes Fach über Naturfasern, damit alle Studierenden den Umgang damit lernen. Meistens wollen sie das auch, weil sie mit Materialien wie Wolle aufgewachsen sind. Von klein auf kleiden sie sich in Schichten – ein Baby wird sofort in Wolle gewickelt – und Handarbeit wird früh gelernt. Außerdem kann man Wolle in allen möglichen Variationen verarbeiten, von fein bis grob, und sie ist enorm funktional. In einem Land wie Norwegen, wo es richtig kalt wird, verliebt man sich als angehende:r Designer:in schnell in ein solches Material.“
Line Møller-Stray Nissen hat gerade den beliebten Studiengang Fashion & Production an der ESMOD abgeschlossen und berichtet darüber auf der Oslo Runway: „Nicht alle wollen in die norwegische Modebranche einsteigen – etwa die Hälfte meiner ehemaligen Kommiliton:innen will nach Paris – aber die Liebe zum Handwerk kennen alle. Gerade weil große Modemarken so stark auf Outsourcing setzen. Ich setze mich leidenschaftlich für die Rückverlagerung der lokalen Produktion und die eigene Ausführung von Handwerkskunst ein. Ich bin mit einem Vater aufgewachsen, der noch selbst Kleidung genäht hat, und habe es wieder von ihm gelernt. In Norwegen ist das durchaus üblich. Allerdings merkt man auch hier, dass Wissen verloren geht. Die Zahl der Modeschulen in Oslo ist in den letzten Jahren zurückgegangen.“
Finanzierung von Oslo Runway
Oslo Runway beantragt jährlich staatliche Fördermittel und erhält keine strukturelle finanzielle Unterstützung. In diesem Jahr besteht die Finanzierung zur Hälfte aus staatlichen Zuschüssen und 40 Prozent stammen aus kommerziellen Kooperationen. Die Marken, die an Oslo Runway teilnehmen, zahlen eine symbolische Gebühr, die sich an ihrem Umsatz orientiert. Das deckt etwa zehn Prozent der Einnahmen. Oslo Runway erhält außerdem Unterstützung von Innovation Norway, der Stadt Oslo, Visit Oslo, Visit Norway, dem Außenministerium und norwegischen Botschaften weltweit.
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