navabi: “Plus Sizes sind allein in Europa ein Milliardenmarkt”
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Auf der Suche nach ungewöhnlichen Marken, Unternehmen und Geschäftsmodellen ist FashionUnited auf navabi gestoßen, den weltweit führenden Online-Shop für Premium-Mode ab Größe 42. Dabei ist Mode in Plus Sizes eigentlich nichts Ungewöhnliches, schließlich gibt es weltweit Millionen Menschen, die sie tragen. Doch weit gefehlt - schöne, ausdrucksstarke Mode in Plus Sizes zu finden war lange ein K(r)ampf, gerade für Frauen. Die beiden navabi-Gründer Zahir Dehnadi und Bahman Nedaei erzählten uns mehr.
Erzählen Sie uns doch bitte ein bisschen von den Anfängen von navabi
- die Geschäftsidee entwickelte sich ja quasi unbeabsichtigt, während Sie
einer Tante beim Verkauf der Mode Ihrer Boutique auf Ebay halfen.
Ja, die Anfänge waren schon spannend und ein bisschen beängstigend. Wir
haben tatsächlich dabei geholfen, die Mode der Boutique meiner Tante auf
Ebay zu verkaufen und bekamen bereits damals Liebesbriefe von Kundinnen,
die mit unserer Mode so glücklich waren. Wir waren natürlich erstaunt, dass
Plus-Size-Mode diese Gefühle hervorrief und haben uns daraufhin näher mit
dem Markt auseinandergesetzt.
Warum zum Beispiel nahmen australische Kundinnen damals 100 Euro
Liefergebühren in Kauf und bestellten doch immer wieder? Wie konnte das
sein? Wie kam es, dass der Plus-Size-Markt noch so unentdeckt war?
Zugleich hatten wir auch keine wirkliche Konkurrenz im Bereich
Premium-Plus-Size-Fashion, da war wirklich kein anderer, der das machte und
diesen großen Markt abdeckte. Wir waren erstaunt und es war eine aufregende
Zeit.
Zuerst wurden wir tatsächlich nur ausgelacht, mit dem Argument, es gäbe
keinen Markt und Plus-Size Frauen hätten kein Geld. Wir haben dann aber
trotzdem den Schritt gewagt und sind nur mit privaten Mittel gestartet.
Erst später, als klar wurde, dass unsere Idee ein Erfolg wird, kamen
Investoren an Bord.
Wurde dieser Markt inzwischen mehr erforscht, hat sich in den Jahren
seit Ihrer Gründung von navabi etwas getan?
Anfangs gab es wirklich das Stigma in der Branche zum Thema Plus-Size, das
war ein richtiges "Fashion Ghetto". Allein die Google Suche nach dem
Begriff 'Plus-Sizes' erzeugte damals relativ wenig Ergebnisse. [Anmerkung:
Das hat sich inzwischen deutlich geändert und man erzielt heute Millionen
von Treffern.]
Wir kämpften praktisch an vorderster Front, stellten aber auch fest, dass
dies eine weltweite Bewegung war. Der Bedarf nach Plus-Sizes ist global.
Im Laufe der Jahre haben wir auch gemerkt, dass wir uns einen Namen gemacht
haben und immer mehr Brands auch mit navabi reden und von unseren
Erfahrungen profitieren wollen.
Wie viel sich verändert hat beziehungsweise wie stark der Markt gewachsen
und in den Mainstream gerückt ist, sieht man auch daran, dass im letzten
Jahr mehr Plus-Size-Models auf den Titelseiten von Top-Modemagazinen waren
als in den letzten 20 Jahren zusammen.
Aber nichtsdestotrotz: die Top Fashion Brands trauen sich immer noch nicht
an Plus-Size heran und vernachlässigen so die Realität. Da sind wir noch
ein gutes Stück weg vom Ideal.
Wie sieht das Ideal aus?
50 Prozent aller europäischen Frauen tragen eine Größe 42 oder größer. In
einer idealen Welt, würde sich rein logischerweise 50 Prozent des
Modeangebots an sie richten - inklusive eines ausreichenden Angebots an
hochwertiger Bekleidung. Hiervon sind wir jedoch weit entfernt! Sehen Sie
sich nur einmal in einem x-beliebigen Kaufhaus oder Ladengeschäft Ihrer
Stadt um: Große Größen werden hier allenfalls in Basic-Modellen angeboten,
gerne verdrängt in unattraktive Ladenecken und von aktuellen Styles können
Kundinnen nur träumen. Shopping-Freude kommt dabei nicht gerade auf.
Hätte sich das ganze damals für Sie auch ohne E-Commerce so
entwickelt?
Wir haben damals nicht nur in E-Commerce investiert, sondern auch viel in
die Marktforschung, haben Street Interviews gemacht, Panels abgehalten und
auch sonst viel in die Forschung gesteckt.
So haben wir auch herausgefunden, dass der 'Offline'-Einkauf für
Plus-Size-Frauen eigentlich schon immer frustrierend ablief und weit von
'Retail Therapy' entfernt war. So ist zum Beispiel selbst in einer Stadt
wie London die Plus-Size-Abteilung immer noch neben dem Klo angesiedelt
oder tief versteckt in der Männerabteilung. Da macht das Einkaufen über den
stationären Handel einfach keinen Spaß. Dabei ist dies allein in Europa ein
Milliardenmarkt!
Der Weg, Plus-Size-Kundinnen zu bedienen, ist da über E-Commerce einfach
viel besser. Sie können in Ruhe und von zu Hause aus auswählen und
bestellen und ersparen sich peinliche oder frustrierende Momente.
Das sehen wir auch beim Feedback der Kundinnen, was natürlich auch ein
Vorteil des E-Commerce ist: Man erhält Daten und Rückmeldungen und wir
haben extrem loyale Kundinnen, die uns sofort sagen, was funktioniert und
was nicht.
Und bekommen Sie immer noch 'Liebesbriefe' von Kundinnen?
Ja, wir bekommen Feedback aus der ganzen Welt. Keine Liebesbriefe, aber
sehr positive Erfahrungsberichte von Kundinnen. Zum Beispiel danken sie
uns, weil sie durch die von uns angebotene Mode ihre Fashion-Sprache wieder
gefunden haben. Sie können jetzt auch endlich ihre Identität ausdrücken,
durch Mode, die für sie steht und nicht nur zweckmäßig ist. Wir bekommen
oft die Rückmeldung, dass sich dadurch das Leben unserer Kundinnen
verändert hat.
Das ist auf der einen Seite natürlich super, auf der anderen Seite
stimmt es einen aber auch ein wenig traurig, dass die Situation früher so
unbefriedigend war.
In den letzten fünf Jahren hat sich viel getan, nicht nur in der Mode, auch
in den Medien, die sich langsam mit Plus Size und einem realistischen
Körperbild angefreundet haben und mehr über dieses Thema berichten.
Allgemein ist die Modebranche aber sicher immer noch eher realitätsfern.
Warum hat es so lange gedauert, bis sich der Plus Size-Markt
herausgebildet hat? ?
Historisch gesehen, ist die Entwicklung interessant: Kurvig war immer
wieder in, nur leider nicht in den letzten 100 Jahren. Und die Modemagazine
haben das propagiert - sie forcieren das Ideal, was eben Size Zero ist. Von
daher ist es ganz normal, dass die gesamte Industrie realitätsfern ist.
Vom geschäftlichen Aspekt ist es sicher nicht leicht, in einen komplett
neuen Markt mit negativem Stigma einzutreten. Große Retailer haben es
halbherzig versucht, sind aber gescheitert, weil eben keine Liebe zu großen
Größen dahinter steckte. Große Retailer verstärken daher oft ihr
Kerngeschäft, statt in Plus Size zu investieren.
Wir helfen dabei, große Marken zum Thema Plus Size zu beraten. Wir sind
inzwischen die erste Adresse für Premium-Plus-Size - in Großbritannien, in
Deutschland, in Frankreich und Rest of the World. Das Wachstum ist dort
auch generisch. Wir wollen erst einmal in Europa stark sein und dann
vielleicht in den USA. Durch die Eigenmarke navabi können wir auch ein
besseres Angebot bieten.
Wie sieht es in den Entwicklungsmärkten wie Indien, China und Nahost
aus? Haben Sie Pläne, dort zu expandieren?
Wir haben in Nahost und Indien bereits jetzt schon einige Kundinnen, auch
in Arabien, die immer wieder von uns bestellen. Es ist eben ein 'Blue
Ocean'-Markt - wir haben keine Konkurrenz. Aber wir wollen uns Schritt für
Schritt entwickeln und nichts überstürzen.
Wie sehen Sie das Thema Plus-Size in der Ausbildung, gibt es
Kooperationen mit Hochschulen?
In Großbritannien gibt es die ersten Unis, in London, die Plus-Size in
ihren Lehrplan aufgenommen haben. Ende des Jahres planen auch wir die
ersten Kooperationen mit Universitäten. Unsere Kernaufgabe ist es, viel
darüber zu reden, was wir machen.
Sie bieten auf Ihrer Website jeden Tag neue Styles an - wie schaffen
Sie das?
Auf jeden Fall steckt viel Arbeit dahinter. Unsere Kundinnen schätzen
Aktualität auf unserer Seite. Sie kommen so oft wieder, da wollen sie gerne
jeden Tag etwas Neues entdecken. Deshalb wird bei navabi auch alles
In-house gemacht, einschließlich der Logistik. Dadurch bleiben wir schnell
und reaktionsfähig.
In diesem Zusammenhang sollten wir erwähnen, dass wir das beste In-House
Team haben; Designer, Einkäufer - die haben alle schon etliche Jahre
Erfahrung in der Branche und wollten endlich einmal etwas anderes machen.
Die Leute, die zu uns kommen, haben das Gefühl, sie arbeiten endlich da, wo
es Sinn macht, und wo sie etwas bewegen. Wir sitzen in Aachen und nicht
etwa in der Startup- oder Mode-Hype-Stadt Berlin und trotzdem kommen die
Leute.
Wir gehen niemals den einfachen Weg und rebellieren direkt an der Front
gegen die Fehler der Modeindustrie. Gegen alles Alteingesessene, das es zu
hinterfragen gilt. Die Veränderung beginnt bei uns selber, beim gesamten
Thema und wie wir die Sachen vorantreiben. Wir sind sehr stolz auf unser
navabi-Team und unsere modemutigen Kundinnen.