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Nachhaltigkeitsexpertin kritisiert viralen TikTok-Modetrend

Von Don-Alvin Adegeest

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Mode |Interview

Bild: Pexels

Die Gen Z mag in Sachen Nachhaltigkeit tonangebend sein, aber bisher werden ihre Bemühungen um eine Zukunft ohne Klimakatastrophe durch ihre eigenen Einkaufsgewohnheiten getrübt. Fast-Fashion-Einzelhändler wie Shein und H&M bleiben auch bei der jungen Generation hoch im Kurs. Ein viraler Hashtag auf TikTok mit dem Titel ‚Keep or Return‘ (Behalten oder zurückgeben) hat bereits über 140 Millionen Aufrufe verzeichnet.

Hier bestellen Modeblogger:innen Berge von Kleidungsstücken zum Anprobieren und rufen ihre Follower:innen dazu auf, zu entscheiden, welche Einkäufe einen Platz in ihrem Kleiderschrank verdienen. Dank der kostenlosen Rücksendung können die Videos mit knappen Budgets produziert werden, indem sie die meisten (wenn nicht sogar alle) ihrer Einkäufe zurückschicken.

Die Modeindustrie hat einen notorisch hohen ökologischen Fußabdruck, und die Rücksendung von Kleidung ist sowohl für die Unternehmen als auch für die Umwelt äußerst problematisch. Rund 30 Prozent der Online-Einkäufe werden zurückgeschickt, ein Großteil davon landet auf der Mülldeponie.

Whitney Carthcart, Nachhaltigkeitsexpertin, Mitbegründerin und CCO von 3DLOOK, dem Unternehmen hinter der führenden virtuellen Umkleidekabine YourFit, sagt zu diesem Trend:

„In meinen 30 Jahren in der Modebranche habe ich gesehen, wie die schädlichen Praktiken der Branche außer Kontrolle geraten sind, als die Kundschaft ins Internet abgewandert ist und fröhlich von Vorteilen wie kostenlosen Rücksendungen Gebrauch gemacht hat, ohne wirklich zu verstehen, was mit den Artikeln passiert, die sie zurückschicken. Das Oberteil, das nicht richtig gepasst hat, liegt doch sowieso wieder im Regal und wird von jemand anderem gekauft, oder?“

„Nein. Ihr Kauf wird von Ihnen zu Hause zu einem Verteilungszentrum und dann irgendwann in einem benzinschluckenden Lastwagen zum Laden transportiert, wobei die Luft auf dem Weg mit schädlichen Emissionen belastet wird. Vielleicht wird es irgendwann wieder zum Verkauf angeboten, aber wenn es nicht mehr in Top-Zustand ist, landet es in der Schnäppchenabteilung oder in den Regalen eines Discounters. Am Ende des Tages landen 92 Millionen Tonnen Kleidung auf einer Mülldeponie, wo sie entweder verbrannt werden – wobei sofort schädliche Schadstoffe in die Atmosphäre gelangen – oder vergraben werden, um sich langsam zu zersetzen und die Umwelt für kommende Generationen zu schädigen.“

FashionUnited sprach mit Whitney Carthcart über die langsamen Veränderungen im Konsumverhalten und den Weg in eine nachhaltige Zukunft:

Soziale Medien werden nicht verschwinden und die Kommunikation in der digitalen Welt ist die Norm. Was ist die Alternative für Modemarken und Influencer, deren Erfolg daran hängt, immer wieder neue Looks zu zeigen?

Wenn eine Marke der steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Praktiken gerecht werden will, sollte sie einen Weg finden, diese im gesamten Unternehmen zu implementieren. Dazu gehört auch die Einbeziehung nachhaltiger Praktiken in den Bereichen Design, Materialbeschaffung, Marketing und E-Commerce. Die Kundschaft von heute weiß, wann eine Marke wirklich authentisch ist, und die Kommunikation ihres Engagements für den Planeten und ein nachhaltigeres Mode-Ökosystem ist heute mehr denn je entscheidend, um treue Fans zu gewinnen und zu halten.

Marken, die eine große Fangemeinde in den sozialen Netzwerken haben, können ihre Kanäle nutzen, um sie über den Schaden aufzuklären, den die Mode verursacht – und zwar nicht nur die Produkte selbst, sondern auch die Auswirkungen übermäßiger und unnötiger Retouren. Die Menschen lieben und vertrauen den Marken, denen sie folgen, und werden zweifellos für diese neue, umweltfreundliche Botschaft empfänglich sein – schließlich sind sie nicht übermäßig rückgabefreudig, weil es ihnen Spaß macht, der Umwelt zu schaden. Sie sind sich nur nicht bewusst, welchen Schaden sie damit anrichten.

Viele Marken sind im digitalen Bereich nachhaltig erfolgreich, ohne dass sie das Engagement über die Umwelt stellen. Arbeiten Sie mit umweltbewussten Influencer:innen zusammen, präsentieren Sie Ihre Produkte transparent und schaffen Sie ein Erlebnis, das den Menschen das Rätselraten abnimmt. Marken können beispielsweise Produktbilder zur Verfügung stellen, die eine Vielzahl von Körperformen zeigen, oder Videos erstellen, die Kleidung aus verschiedenen Blickwinkeln zeigen. Alternativ können Sie eine virtuelle Umkleidekabine einrichten, in der die Passform und das Aussehen eines Kleidungsstücks am eigenen Körper anprobiert werden kann. Gleichzeitig kann man die Kund:innen ermutigen, ihre Outfits mit ihren eigenen Followern in den sozialen Medien zu teilen, ganz ohne zusätzliche Kosten.

Viele Influencer:innen kaufen Kleidung, um sie in den sozialen Medien zu präsentieren, und geben sie anschließend zurück. Eine virtuelle Umkleidekabine würde dieses Problem des Konsums nicht lösen. Was denken Sie über die Entwicklung der Branche hin zu einer realistischen und nachhaltigen Zukunft?

Bild: 3DLook

Der Wandel hin zu nachhaltigen Praktiken vollzieht sich bereits! Statistiken zeigen, dass mehr als 50 Prozent der Menschen wollen, dass die Modeindustrie nachhaltiger wird und sie wollen aktiv ihren Teil für unseren Planeten tun. So versuchen 57 Prozent, ihre Einkäufe länger zu tragen, um die Umwelt zu schonen, und sind bereit, mehr für Produkte zu bezahlen, die weniger negative Umweltauswirkungen haben.

Die Verbraucher:innen der Generation Z stehen an der Spitze dieses Wandels. 90 Prozent haben ihr Verhalten in Richtung Nachhaltigkeit geändert. Etwa 70 Prozent lassen sich von Verpflichtungen zu fairen Löhnen beeinflussen, 60 Prozent achten auf den CO2-Fußabdruck einer Marke und 45 Prozent suchen bereits nach umweltfreundlichen Materialien. Diese jungen Menschen beobachten genau, was die Marken, bei denen sie einkaufen, sagen und tun, und sind bereit, diejenigen zu boykottieren, die ihre zunehmend hohen Nachhaltigkeitsstandards nicht erfüllen.

Der Wandel kann nicht von heute auf morgen erfolgen, aber die Branche muss akzeptieren, dass exzessives Konsumverhalten und schnelle Renditen aus der Mode kommen – man denke nur an den Zusammenbruch von Missguided. Es gab zwar eine Vielzahl von Problemen, aber das wachsende Wissen der Verbraucher:innen über die Nachhaltigkeit und die ethischen Verfehlungen der Fast Fashion hat sicherlich eine Rolle gespielt. Die Verbraucher:innen werden sich der Tatsache bewusst, dass die Mode ihnen jahrzehntelang unnachhaltige Praktiken aufgezwungen hat, und auf die Einzelhändler:innen, die es versäumen, ihr Image aufzufrischen, wird von Marken abgelöst, die diese Bedenken ernst nehmen.

Bild: Whitney Carthcart

Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.uk veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ

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