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Nach einem Ausnahmejahr: Wie Designer, Modehändler und CEOs auf 2021 blicken

Von Weixin Zha

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Mode

Was für ein Jahr! Langsam neigt sich 2020 seinem Ende zu und auch wenn das Coronavirus die Menschen weltweit in Atem hält, kommt 2021 unaufhaltsam näher. Was bringt das neue Jahr und wie blicken die Stimmen am Puls der Modebranche weltweit auf 2020 zurück? Wir haben Philosophen, Streetwear-Macher und Modehändler gefragt.

Mumi Haiati, Gründer der Kommunikationsagentur Reference Studios

Bild: Mumi Haiati by Jonas Lindstroem

Zu den Kunden von Reference Studios zählen das tonangebende Modemagazin 032c und der Londoner Luxus-Modehändler Browns. Dieses Jahr präsentierte die Berliner Agentur zum ersten Mal eine Modenschau im Videospiel Animal Crossing beim Reference Festival, das kommenden Januar zur Berlin Fashion Week stattfindet.

„2020 kam mit vielen Herausforderungen. Es war wichtig zu lernen, mit der Situation umzugehen, sich Notizen zu machen, anstatt nachzugeben und sich aufhalten zu lassen. Auf diese Weise konnten wir viel Potenzial erkennen und entsprechend handeln. Unser Ansatz war schon immer disruptiv, in diesem Sinne waren wir vorbereitet. Wir glauben, dass das Jahr 2021 eine neue Offenheit gegenüber bestimmten Formaten, vor allem in der Mode, mit sich bringen wird, und die Art, wie wir die Dinge insgesamt betrachten. Wir sind gespannt.”

Bernd Hausmann, Gründer und Geschäftsführer von Glore

Bild: Bernd Hausmann / Glore

Hausmann gründete 2006 Glore in Nürnberg und setzte damit auf grüne Mode lange bevor das Thema den Mainstream der Modebranche erreichte. Als Händler musste er sich 2020 mit vorübergehenden Ladenschließungen und Lockdowns auseinandersetzen.

„Das Leben ist Veränderung. 2020 hat das wieder so schön aufgezeigt. Der Mittagsschlaf ist meistens ausgefallen und Corona hat alles auf den Kopf gestellt. Das Herunterfahren im Lockdown war für mich eine schöne Entschleunigung. Gleichzeitig hat die Zeit viele Fragen aufgeworfen. Wird die Modebranche nach Corona tatsächlich nachhaltiger werden – wie von so vielen vorausgesagt?

Ich bin da sehr skeptisch und glaube, dass eher das Gegenteil der Fall sein wird. Allerdings erkennen immer mehr Kunden und Kreative, dass sich die Branche verändern muss. Die Fashionbranche bietet keine passenden Antworten mehr auf die Fragen der Zukunft. Ich möchte weiterhin mit Glore an einer Veränderung hin zu mehr sozialer Verantwortung und Nachhaltigkeit arbeiten.”

Christina Fontana, Head of Fashion and Luxury for Europe, Alibaba Group

Bild:Christina Fontana / Alibaba Group

Während die Modemärkte in Europa und Nordamerika sich frühestens 2022 erholen sollen, könnten die Umsätze in China bereits Anfang 2021 auf das Niveau vor der Pandemie zurückkehren. Wie sehr Luxusunternehmen nun auf den chinesischen Markt setzen, zeigt nicht zuletzt der Zusammenschluss der europäischen Modeunternehmen Kering und Farfetch mit dem chinesischen Onlinehändler Alibaba.

„Die Pandemie hat unser tägliches Leben grundlegend verändert, aber auch die digitale Umstellung und Transformation beschleunigt. Ein großer Teil unserer Arbeit bei Alibaba besteht darin, unsere Partnermarken bei der Anpassung an die neue Umgebung zu unterstützen. Seit Anfang des Jahres haben wir eine ganze Reihe von Luxusmarken in unseren Tmall Luxury Pavilion aufgenommen: Zum diesjährigen 11.11. hatten wir über 200 Marken, die über den Luxury Pavilion teilnahmen, viel mehr als die 65 beim ersten Mal. Die Digitalisierung ist die größte Chance unserer Zeit.”

Edwin Keh, Geschäftsführer des Hong Kong Research Institute of Textiles and Apparel

Bild: Edwin Keh

Das Forschungsinstitut aus Hongkong arbeitet an den Fragen zur Zukunft der Modeindustrie. Im November sorgte eine Kollaboration mit dem schwedischen Modekonzern H&M für Aufsehen: Die Green Machine verspricht Mischfasern aus Baumwolle und Polyester im großen Umfang zu recyceln.

„2021 ist es vielleicht die größte Herausforderung zu verstehen, wie sich der Kunde verändert hat und was der Kunde jetzt will. Was ist das neue Wertversprechen und was sind die neuen Gründe zum Einkaufen? Bekleidung kann einige der Funktionen und Eigenschaften von PPEs (dt.: persönliche Schutzausrüstungen) übernehmen. Wir alle wollen geschützt sein und in der neuen Normalität gesund bleiben.

Da wir mehr von zu Hause aus arbeiten, werden wir mehr Freizeitkleidung für die Arbeit benötigen. Unsere Kleidung wird also bequemer und vielseitiger sein müssen. Die Anforderungen an die Garderobe werden also anders sein, und die Lieferketten werden intelligenter, schneller und genauer werden müssen, um die Kunden besser bedienen zu können. 2021 wird ein Jahr der Gewinner und Verlierer sein. Gewinner sind die Unternehmen, die einen Sinn kommunizieren, neue Werte liefern und sich an diese neue Normalität anpassen.”

Abderrahmane Trabsini, Mitbegründer und Creative Director von Daily Paper

Bild: Abderrahmane Trabsini

Das Amsterdamer Streetwear-Label hat 2020 seinen ersten Store in New York eröffnet und plant einen eigenen Laden in London. Trabsini vermisst das Reisen für die Arbeit, dafür hatte er aber mehr Zeit für Sport und fühlt sich fitter als je zuvor.

„Mein Fazit für 2020 - als die Welt stehen blieb - ist, dass wir zu schnell unterwegs waren. Als Marke mussten wir unsere Strategie überdenken, und Covid war eine Gelegenheit, uns wieder mit unserer Community zu vernetzen. In all dieser Zeit haben wir überlebt, weil wir eine treue Community haben. Wir wollen nicht taktlos sein. Es sind verrückte Zeiten, die Leute verlieren ihre Jobs und Brands schalten noch mehr Werbung, die dazu auffordert, mehr Hoodies oder so zu kaufen. Das ist nicht cool.

Für uns ging es nicht darum, mehr Produkte zu verkaufen, sondern darum, unsere Community zu informieren. Wir haben einen monatlichen Newsletter namens ‘Unite Hub’ erstellt, um die Geschichte hinter Daily Paper zu zeigen und wie es für uns als Marke läuft. Wir arbeiten auch an einer App. Wir werden nicht mehr zu dem zurückkehren, wie es vorher war. Die Menschen werden die Welt anders und bewusster betrachten. Die Leute wollen in eine Marke investieren und werden keine seelenlosen Marken mehr kaufen, die nur Dinge verkaufen wollen. Ich weiß nicht, was nächstes Jahr passieren wird, aber ich bleibe geduldig und positiv.”

Benjamin Simmenauer, Mode-Philosoph am Institut Français de la Mode Paris

Bild: Benjamin Simmenauer

Simmenauer forscht am IFM, eine der renommiertesten französischen Modeschulen, zur Modetheorie und unterrichtet Markenstrategie sowie Weiterbildungsprogramme für Führungskräfte.

„2020 ist ein Jahr, in dem die Mode mehr als sonst infrage gestellt wurde: am Produzieren gehindert durch die Pandemie, in ihren Werten und Botschaften herausgefordert durch Black Lives Matter und als Branche geschwächt durch die wirtschaftlichen Folgen von Covid-19. Die Frage ist, ob es der Mode gelungen ist, diese Turbulenzen zu nutzen, um sich selbst glaubwürdig und relevant zu hinterfragen. Es ist noch ein bisschen früh, um das zu beurteilen, aber zwei interessante Richtungen sind erkennbar:

Zum Beispiel hat sich Thebe Magugu eine Fake-Doku über Spione während der Apartheid ausgedacht, um seine Kollektion zu zeigen, und Marine Serre einen Film der Vorfreude ‘Amor Fati’. Balenciaga entwickelte ein Videospiel. Interessant sind nicht unbedingt die Inszenierungen selbst, sondern vielmehr die Idee, dass Mode auch anders als durch eine Modenschau präsentiert werden kann, und dass die Narration vielleicht in manchen Fällen die reine Show ersetzen kann, um Lust auf Mode zu wecken.

Die Darstellung von Mode durch Mode ist ein wichtiges Thema 2020. Sich selbst überlassen, haben sich Designer und Studios oft für Selbstporträts oder Introspektion entschieden. Bei Margiela entstand die faszinierende Serie “S.W.A.L.K.”, die den kreativen Prozess der Kollektionen dokumentiert.”

Anita Tillmann, Geschäftsführerin des Messeveranstalters Premium Group

Bild: Anita Tillmann / Fotograf Lottermann und Fuentes

2020 war ein schwieriges Jahr für alle Geschäftsformen in deren Zentrum das physische Zusammentreffen von Menschen steht. Die Premium Group musste ihre Messen absagen und verkündete ihren Umzug ab Juli 2021 zur Frankfurt Fashion Week.

„Uns ist aufgefallen, dass besonders im digitalen Bereich noch viel Nachholbedarf herrscht, Technologie nicht effizient eingesetzt wird. Es ist unumgänglich, sich spätestens jetzt damit auseinanderzusetzen. Brands und Retailer müssen verstärkt auf Alternativen zu veralteten Systemen zugreifen, Personal schulen und auch fortgehend up-to-date bleiben.

Das heißt nicht, dass der persönliche Kontakt nicht wichtig sei – ganz im Gegenteil. Ich höre von vielen Geschäftspartnern den natürlichen, tiefliegenden Wunsch sich endlich wieder persönlich zu treffen, zu diskutieren, zu lachen, zu brainstormen, sich zu zeigen, zu verhandeln.”

Dieser Beitrag entstand mithilfe von Ole Spötter und Julia Garel.

Bild: Saint Laurent SS21

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