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Modewoche wird persönlich: Kopenhagen setzt auf Bewegung der Nachwuchsdesigner:innen

Von Rachel Douglass

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Mode

Rolf Ekroth SS24, CPHFW. Bild: Launchmetrics Spotlight.

Aufstrebende Designer:innen sind ein wichtiger Bestandteil der Branche. Sie kreieren oft besonders innovativ und produzieren Kollektionen, die über die Mode-Normen hinausgehen und manchmal als ihrer Zeit voraus gelten. Auch wenn die Branche behauptet, dass ihr Fundament auf den Köpfen dieser Menschen aufgebaut ist, kann der Aufstieg für die Neulinge dennoch schwierig sein.

Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, hat die Copenhagen Fashion Week (CPHFW) 2022 ihr NewTalent-Programm in Zusammenarbeit mit dem Kreislauf-orienierten Textilunternehmen Cellulose ins Leben gerufen. Die Initiative soll aufstrebende Talente durch Mentoring-Möglichkeiten, finanzielle Unterstützung und einen Platz im Programm der CPHFW unterstützen. In diesem Jahr nahmen P.L.N. und Latimmier sowie die Newcomer Rolf Ekfroth und Nicklas Skovgaard, der Finalist des Wessel & Vett Fashion Prize 2022, an dem Programm teil.

Für diese Designenden, von denen viele völlig unabhängig und daher auf solche Projekte angewiesen sind, um ihr Geschäft auszubauen, ist eine Finanzierung dieser Art oft unerlässlich. Auch wenn dies an sich schon mit Herausforderungen verbunden ist, wird den Designer:innen in dieser Kategorie ein Gefühl der Freiheit gewährt, das etablierte Marken nicht ganz wiedergeben können, da die Unterstützung es ihnen ermöglicht, ihre Kreativität zu ihren eigenen Bedingungen zu erforschen, ohne sich einer anderen Präsenz gegenüber verpflichten zu müssen. Als Erweiterung ihrer Bemühungen richtete die CPHFW für die Saison SS24 einen Showroom ein, in dem die Kollektionen handverlesener nordischer Designer:innen im Anschluss an ihre Shows besichtigt werden konnten.

Latimmier: “Ich habe keine Macht über mich und meinen Erfolg…”

P.L.N. SS24, CPHFW. Bild: Launchmetrics Spotlight.
P.L.N. SS24, CPHFW. Bild: Launchmetrics Spotlight.

In dieser Saison standen für viele der Teilnehmer:innen sehr persönliche Konzepte im Vordergrund. Die Themen drehten sich größtenteils um intime Geschichten über die Vergangenheit, das Erbe und die Erziehung der Designer:innen. Diese Art von Themen sind in der Welt der aufstrebenden Designenden weit verbreitet und werden durch die Unabhängigkeit, die sie besitzen, ermöglicht und in Linien umgesetzt, die für ihre Schöpfer eine große Bedeutung haben. Die Kollektion von P.L.N. beschäftigte sich mit der Suche des Designers - Peter Lundvald Nielsen - nach Gemeinschaft. Nielsens Kollektion bestand daher aus experimentellen Silhouetten und Proportionen, die den Betrachtenden einluden, das Kleidungsstück auf ihre eigene Weise zu interpretieren. Für Nielsen war dies die dritte und letzte Kollektion im Rahmen des Programms, die den Beginn einer neuen Reise markiert.

Für den neu ausgewählten finnischen Designer Rolf Ekroth hingegen war es erst der Anfang. Ähnlich wie bei Nielsen handelte es sich um eine sentimentale Erzählung, die in Ekroths Fall mit seinem eigenen Lebensweg verwoben war. Ein integraler Bestandteil der Kollektion war der Rosenprint des Designers, der von seiner Freundin handgemalt wurde und sich auf den Blick in die Vergangenheit durch eine rosarote Brille bezog. Andere Elemente der Linie kombinierten Sportbekleidung, Patchwork-Steppung und Strick, die alle mit vergangenen Zeiten in Verbindung gebracht wurden. Im Gespräch mit FashionUnited sagte Ekroth über das Konzept: "Es ist eine leichtherzige Anspielung auf mich selbst, weil ich meine Teenagerjahre verpasst habe. Jede Saison denke ich, dass dies die Saison ist, in der ich anfange, über etwas anderes nachzudenken, aber dann kehre ich zu dieser Zeit zurück."

Ekroth sagte, dass er normalerweise auf den Kalender für Herrenmode hinarbeitet. Seine Teilnahme am NewTalent-Programm hat ihn aber dazu gebracht, seinen Prozess neu zu strukturieren. Die Kollektion, die im Laufe von sechs Monaten entstanden ist, wurde auf der dänischen Modemesse einem Publikum von 600 Personen präsentiert - ein Fortschritt im Vergleich zu seiner letzten Präsentation in Mailand, bei der die Menge der etablierten Marken die Menschen von seinem Showroom weglockte. Zu seiner neuen Erfahrung sagte Ekroth: "Da es sich in erster Linie um eine Herrenbekleidungsmarke handelt, ist es mit zwei Monaten Verspätung etwas schwierig, sich zu diesem Zeitpunkt zu verkaufen. Aber ich habe mir schon lange keinen Stress mehr wegen des Verkaufs gemacht. Für mich ist es wichtiger, dass wir tun, was wir tun, denn jede Saison gibt es eine neue Zusammenarbeit und eine neue Chance, etwas zu tun. Der Umsatz wird kommen, wenn er kommt. Wenn wir mehr finanzielle Unterstützung haben, ist es für uns einfacher, in dieser Richtung zu denken. Wenn wir natürlich irgendwann wachsen wollen, müssen wir anfangen, an den Umsatz zu denken, aber meistens hören wir von den größeren Geschäften, dass sie deine Karriere drei Jahre lang verfolgen wollen. Ich kann das System nicht ändern."

Rolf Ekroth SS24, CPHFW. Bild: Launchmetrics Spotlight.
Rolf Ekroth SS24, CPHFW. Bild: Launchmetrics Spotlight.

Ein weiterer Newcomer in Kopenhagen war Vain, ein finnisches Label, das trotz seines kurzen Bestehens bereits eine weltweite, kultige Fangemeinde gewonnen hat. Dies ist zum Teil auf frühere virale Projekte zurückzuführen, darunter eine Kapsel mit McDonald's im letzten Jahr oder der kollaborative Air Jordan 1-Sneaker. Der Kreativdirektor der Marke, Jimi Vain, der bereits auf der Herrenmodemesse Pitti Uomo ausgestellt hat, möchte das internationale Interesse weiter steigern, insbesondere in Großbritannien, den USA und Korea, wo die Marke einen Großteil ihres Umsatzes erzielt hat. Auch wenn Vain sehr ehrgeizig ist, bleibt er bei seiner Absicht, weiterhin Kollektionen herauszubringen, die persönlich sind und die Community der Marke ansprechen. Das gilt auch für die SS24-Kollektion, die durch Vains eigenen Umgang mit Ängsten geprägt ist und sich in geschnürten Elementen, Jacken von Bestattungsunternehmer:innen und von Leichensäcken inspirierten Looks widerspiegelt.

Vain hat zwar Zugang zu Beständen des Luxusgüterkonzerns LVMH, um seine Kollektionen zu entwerfen, und hat im Laufe der Zeit gute Mentoren gefunden, aber, er findet, dass die Marke ist immer noch klein ist und nicht die Möglichkeit hat, in großem Stil zu produzieren. Er lässt sich jedoch nicht von Hindernissen einschränken - eine Einstellung, die sich in Kleidungsstücken wie Anzughosen mit verstellbaren Schnallen an der Taille zeigt, die für verschiedene Größen geeignet sind und somit die Notwendigkeit einer Massenproduktion verringern. Diese Kollektion wird die erste sein, die Vain in den Großhandel bringt und damit die Marke über ihren Onlineshop und Laden in Helsinki hinausführt, doch der Designer ist fest entschlossen, seinen Wurzeln treu zu bleiben: "Ich möchte Kleidung produzieren, die ich und unsere Community gerne tragen. Wir sind offen für neue Wege, aber es geht um mehr als nur um die Jahreszeiten. Ich schaue mir nicht einmal andere Marken an, ich kreiere nur für unsere Gemeinschaft. Das ist so organisch und so leidenschaftlich. Ich und mein Team wollen eine ganz eigene Welt schaffen."

Vain SS24, CPHFW. Bild: Launchmetrics Spotlight.
Bild: Vain SS24, CPHFW.

Im Gegensatz dazu nutzte der Designer Ervin Latimer vom finnischen Label Latimmier seine Plattform, um das aktuelle Klima, in dem aufstrebende Talente agieren, zu hinterfragen. Da dies seine letzte Kollektion im Rahmen des NewTalent-Programms ist, muss sich Latimer nun der Welt außerhalb der CPHFW-Kulisse stellen. Er ist sich des Umfelds, in das er eintritt, sehr bewusst. Der Designer äußerte sich zur aktuellen Lage der Branche: "Ich bin dankbar dafür, dass wir [aufstrebende Designer:innen] angefeuert werden, aber das schlägt sich oft nicht in den Verkaufszahlen nieder. Es gibt eine seltsame Unausgeglichenheit, bei der man hört, dass man Talent und Interesse hat, aber man versucht immer noch, das Schiff nicht zum Sinken zu bringen. Mir wurde klar, dass ich keine Macht über mich und meinen Erfolg habe, und das hat mich dazu bewogen, mich mit der Welt der Menschen zu beschäftigen, die für uns alle wichtige Entscheidungen treffen."

Seine Kollektion mit dem Titel "Positions of Power" befasst sich mit den Machthaber:innen und dem Status, den sie innehaben. In Anlehnung an das Leben von Führungskräften in Unternehmen und durch die Brille der Popkultur, wie beim Film 'The Wolf of Wall Street', wollte Latimer die Grenzen der traditionellen Herrenmode sprengen, indem er mit Grundelementen der formellen Garderobe spielte und sie umstrukturierte - wie bei Button-ups mit übertriebenen Manschetten oder Blazern mit einer einschränkenden Bindung. Ein Strickpullover bildete sogar die exakte Trendlinie des Lehman-Brothers-Börsencrashs von 2008 ab, wobei es Latimer nicht darum ging, den eigenen Untergang zu feiern, sondern ihn sich zu Diskussionszwecken anzueignen.

Wenn es eine Sache gibt, die Latimer durch sein Engagement bei NewTalent gewonnen hat, dann ist es das Vertrauen in seine eigenen Unsicherheiten, sagte der Designer, was ihm bewusster gemacht hat, was er auf Laufstegen und nicht in Showrooms zeigen sollte. Letztendlich hat dies zur Entwicklung einer verschwenderischen Denkweise geführt, wodurch die Produktion seiner Kollektionen bewusster und durchdachter wird. Über seinen Prozess sagte er: "Ich plane die Dinge, aber es gibt immer Raum für diese Formbarkeit. Es gibt Raum für Veränderungen und für die Reaktion auf alles, was in der Welt passiert. Man muss wirklich bereit sein, als kleinere Marke so schnell wie möglich zu reagieren."

Latimmier SS24, CPHFW. Bild: Launchmetrics Spotlight.
Latimmier SS24, CPHFW. Bild: Launchmetrics Spotlight.

Wie die bereits erwähnten Designer:innen bereitet sich auch Latimer darauf vor, seinen Aktionsradius zu erweitern. Er erwägt, nach Asien, Nordamerika und Europa zu expandieren, da die Marke beginnt, über ihren eher begrenzten Heimatmarkt hinauszuwachsen. Er fügte hinzu: "Wir haben einen wirklich kleinen Markt in Finnland, also wussten wir von Anfang an, dass wir ins Ausland gehen müssen, wenn wir loslegen wollen. Das ist natürlich eine Herausforderung, denn viele Marken sind auf den lokalen Markt angewiesen, aber die Anzahl der Menschen, die wir im Land haben, reicht nicht aus. Wir wollen uns hier in Europa eine gute Basis schaffen und uns dann hoffentlich anderswo umsehen. Man braucht diese Langlebigkeit, das habe ich gelernt. Es ist eine Frage des Timings und der Leute, die die richtigen Augenpaare haben.

“Verantwortung sollte nicht auf den Schultern der aufstrebenden Talente lasten…”

Das Gespräch über diese Art von Designer:innen stand auch im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion im Rahmen der CPHFW-Talkreihe, die einen zusätzlichen Teil des Programms darstellen und verschiedene Elemente der dänischen und globalen Branche beleuchtete. Bei dieser Veranstaltung mit dem Titel "Die Rolle der aufstrebenden Designer:innen", die von der freiberuflichen Autorin Lakeisha Goedluck geleitet wurde, sprachen die Designer Elisabet Stamm und Cengiz Güdücu, die beide 2022 ihre gleichnamigen Labels gründeten, über ihre eigenen Erfahrungen als aufstrebende Talente und wurden dabei von Ane Lynge-Jorlén, der Direktorin der finnischen Talentförderplattform Alpha, unterstützt.

Die Diskussion begann damit, die Verbindung zwischen aufstrebenden Designer:innen und Nachhaltigkeit zu untersuchen. Stamm, die für ihre erste AW23-Kollektion mit dem Zalando Sustainability Award ausgezeichnet wurde, hob die Zugänglichkeit von Plattformen hervor, die eine bewusste Denkweise hervorrufen, sowie die Möglichkeiten, die sich aus der engen Zusammenarbeit mit kleinen Herstellern ergeben. Allerdings argumentieren sowohl Güdücu als auch Lynge-Jorlén, dass die Verantwortung für einen nachhaltigen Wandel nicht auf den Schultern solcher Talente lasten sollte. Lynge-Jorlén erläuterte dies wie folgt: "[Aufstrebende Designer:innen] werden oft als diejenigen hingestellt, die Rebellionen schüren. In kleinem Rahmen kann man die Agenda nicht wirklich vorantreiben".

Stamm SS24, CPHFW. Bild: Launchmetrics Spotlight.
Stamm SS24, CPHFW. Bild: Launchmetrics Spotlight.

Auch an anderer Stelle des Gesprächs erklärte sie, dass diese Personen einen Einfluss auf Mikroebene haben und kleine Veränderungen bewirken, die mit der Gemeinschaft, in der sie tätig sind, übereinstimmen. Lynge-Jorlén sagte, ihr Ziel sei es, mit Alpha "die Kultur im Großen zu verändern", Designer:innen durch ein Netzwerk zu unterstützen und die Debatte über die Branche als Ganzes zu erweitern. Stamm bekräftigte die Bedeutung von Organisationen wie Alpha und merkte an, dass die Zusammenarbeit mit ihnen von entscheidender Bedeutung sei, da sie Menschen mit einer neuen Perspektive einbrächten und die Punkte eines Unternehmens über den reinen Designaspekt hinaus vernetzten.

Wie die NewTalent-Designer legen auch Stamm und Güdücu großen Wert auf ihre persönlichen Geschichten, die den Rahmen für ihre Kreationen bilden. Während Güdücu, der bei seinen Entwürfen in der Regel auf seine Jugend und seine Kultur zurückgreift, sagte, dass dies möglich sei, da sie nicht so sehr an Zahlen gebunden seien, fügte Stamm hinzu, dass es notwendig sei, natürlich authentisch zu sein, was sich in der Art und Weise widerspiegelt, wie sie soziale Medien und ihre Kollektionen nutzt - die jüngste Kollektion wurde von einem persönlichen Essay anstelle einer Pressemitteilung begleitet. Lynge-Jorlén bekräftigte die Haltung des Duos und fügte hinzu: "Aufstrebende Talente sind von Gemeinschaft und Authentizität geprägt, etwas, wonach wir alle streben können. Sie müssen ihre eigene Sprache sprechen".

Mit Blick auf die Zukunft war klar, dass beide Designenden nicht auf der "aufstrebenden" Schiene verharren werden. Stamm sprach über ihre Bestrebungen, Programme zur Unterstützung von Herstellenden in ähnlicher Weise zu etablieren, wie sie selbst unterstützt wurde, um Brücken zu bauen. Sie fügte hinzu: "Für mich muss mein Ziel größer sein als ich selbst. Es kann von mir ausgehen, aber es muss größer sein als ich". Güdücu äußerte auch einen Wunsch, der weit über ihn selbst hinausgeht, und erklärte, dass er es vorziehen würde, sein Wissen an die nächste Generation weiterzugeben, anstatt mit seiner Marke die Branche zu beeinflussen, und schließlich ein Ausbilder zu werden, der "die Schulter für aufstrebenden Designer:innen sein kann, auf der sie stehen können". Er schloss: "Das größte Ziel, das ich habe, ist es, jemand anderen zu inspirieren, etwas zu schaffen, das 20 Mal größer ist als das, was ich je gemacht habe."

Dieser übersetzte und bearbeitete Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.uk.

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