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Julien Fournié, der Couturier, der in der Krise Spaß hat

Von AFP

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Mode

Paris – „Ich hatte noch nie so viel Spaß wie in diesem Jahr“, sagt Modeschöpfer Julien Fournié, der vornehmlich Königinnen und Prinzessinnen aus dem Nahen Osten einkleidet. Sinnlich und glamourös gehen seine drei Models in einer digitalen Präsentation für seine Haute-Couture-Kollektion „durch den Sturm“.

Die letzten Vorbereitungen für diese Filmsequenz laufen in einer Welt aus weißen Lilien, die einen herben und berauschenden Duft verströmen: In langen, enganliegenden Kleidern in „Himmel vor dem Sturm“-Farben – grau, lila, nachtblau – legen die Models Michaela Tomanova, Angeliki Tsionou und Sheherazade Dakhlaoui ihre Pantoffeln für schwindelerregend hohe Absätze ab und die Dreharbeiten beginnen.

„Es gibt viele Kleider, die im Voraus gekauft werden, ich kenne meine Kunden auswendig“, sagt der Designer.

Eigentlich war das Oratorium des Louvre für die Show reserviert, doch die ursprünglich für Dienstag geplante Modenschau, die wegen der Coronakrise nur ohne Publikum stattfinden darf, fand nicht statt.

Die Kollektion wurde stattdessen in einem Film enthüllt, bei dem der Couturier selbst Regie führt und seine Musen in symbolische Universen eintauchen lässt – mit einem Wink an seine Vorbilder Georges Méliès, Quentin Tarantino oder Jacques Demy.

Preis nach oben offen

Keine Spur von Bedauern bei dem Couturier, dessen Kleider ab 40.000 Euro bis „the sky is the Limit“ kosten – was so viel heißt wie: nach oben offen – und von seinen Kundinnen im Mittleren Osten und Asien geradezu verschlungen werden.

Ein Kleid ist ein Trompe-l'oeil-Anzug mit Stickereien, der an Akademikerinnen erinnert: „Es ist eine intellektuelle Kollektion“, sagt er. „Wir haben schon manchmal wahnsinnige Preise erreicht, weil ein Kleidungsstück Stickereien beinhaltet, die 290 Arbeitsstunden in Anspruch nehmen oder eine Federarbeit, die 390 Arbeitsstunden dauert. Ich biete Taschentuchsäume oder Handsäume an; letztere bedeuten einen kolossalen Zeitaufwand, wenn man 200-300 Meter Musselin hat. Wir verkaufen Zeit, Handarbeit und französisches Know-how".

Die langen Kleider mit ihrem cleanen Schnitt und der aufwendigen Ausarbeitung der Büste sind in dieser Saison mit Kimono-Ärmeln ausgestattet, – „schwierig zu machen“, wie der Designer betont.

„Ich habe Stopp gesagt“

Dank seiner sehr reichen – und diskreten – Kunden geht es Julien Fournié trotz der Pandemie recht gut. „Früher war ich wie in einem Hamsterrad gefangen, ich musste alle sechs Monate neue Kollektionen erstellen. Ich hatte keine Freude mehr daran, das zu tun ... Diese Zeit der Pandemie hat mich dazu gebracht, Stopp zu sagen“, vertraute er AFP an.

„Haute-Couture-Kleider evozieren oft das mentale Bild von Pailletten und Rüschen, die von Celebritys auf dem roten Teppich getragen werden. Das ist ganz und gar nicht so. Es sind durchdachte Kleidungsstücke, die für eine einzigartige Frau und einen einzigartigen Moment gefertigt werden“. Julien Fournié träumt von dem großen Luxus, „aus den sozialen Netzwerken zu verschwinden“ und bedauert die „Celebritysierung" seines Berufs.

In der Ausbildung wurde uns gesagt: „Ihr werdet Kleider machen“. Und dann muss man auf einmal Geschäfte machen. Denn natürlich kann man nicht nur von Luft und Liebe leben... und dann muss man Marketing machen, Sourcing. OK. Und dann muss man ein begnadeter Komiker und der Gott von Instagram sein. Es ist sehr zeitaufwendig und es ist nicht mein Job, das Bohei auf Instragram zu machen", sagt der Modedesigner.

Das Model sitzt zu Hause fest

Wenn er sich in Europa aufhält, besucht er normalerweise die Häuser, Paläste oder Villen seiner Kunden. Aber in der Coronakrise ändert sich die Arbeitsweise.

Kleider für eine verschobene Hochzeit stünden noch aus, aber seit Ende Oktober seien die Bestellungen für Kunden mit repräsentativen Aufgaben wieder aufgenommen worden, sagte Jean-Paul Cauvin, Direktor des Hauses, der Nachrichtenagentur AFP. Eine neue Kundin aus einer königlichen Familie im Nahen Osten, sei „eine, die wir noch nie gesehen haben“, so der Direktor. Sie schickte ihre Maße per E-Mail, aber ohne Foto. Die Firma schickte ihr das Muster, das sie mit ihrer Schneiderin anprobierte. Sie schickte es zurück und bestellte „zehn Kleider made by Julien“.

Ein weißrussisches Model, das in dem Präsentationsfilm mitspielen sollte, durfte nicht zu den Dreharbeiten nach Paris reisen, sagt er, weil „nicht essentiell”. Aber die Kleider wurden für ihre Maße maßgeschneidert. „Die haben nichts von Haute Couture verstanden!“, echauffiert sich der Designer über die Behörden. (AFP)

Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.fr veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ

Bild : Julien Fournié, Haute Couture SS20

Haute Couture
Julien Fournié
Paris Fashion Week