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Glitzer und Grauen? Eine Modeschau zu DDR-Zwangsadoptionen

Vor acht Jahren hörte der Berliner Designer Kilian Kerner zum ersten Mal, dass in der früheren DDR Eltern ihre Kinder weggenommen wurden. Seither lässt ihn das Thema nicht mehr los.
Von DPA

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Mode
Kilian Kerner (Mitte) bei seiner FW25-Show Credits: ©Launchmetrics/spotlight

Ein gesundes Baby wird von staatlichen Stellen für tot erklärt und zur Adoption vermittelt - und die leiblichen Eltern bleiben verwaist zurück mit dem Trauma dieser Lüge. Zwangsadoptionen in der DDR. Ausgerechnet dieses Thema hat sich der Berliner Modemacher Kilian Kerner für seine neue Kollektion ausgesucht, die er heute im Rahmen der Berlin Fashion Week präsentiert.

Kerner weiß, dass das Fragen aufwirft. „Mode hat mit Zwangsadoption oder angeblichem Säuglingstod erstmal gar nichts zu tun, natürlich», sagt der 46-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. „Und ich kann auch verstehen, dass die Leute fragen: Warum macht er das?“ Das Thema hat ihn persönlich gepackt, seit er vor acht Jahren eine Dokumentation über angebliche Säuglingstode und Adoptionen in der DDR sah. „Ich war schockiert und tief berührt, dass es sowas gibt“, sagt Kerner.

Tausende ungeklärte Fälle

Jahrelang informierte er sich weiter, nahm Kontakt zum Verein „Gestohlene Kinder der DDR“ auf. Nach seinen Informationen begann die Geschichte der „gestohlenen Kinder“ in den späten 1950er Jahren. Vermutet würden insgesamt 15.000 Fälle vermeintlicher Säuglingstode und etwa 10.000 Zwangsadoptionen. Aufgeklärt seien bisher nur fünf Fälle angeblich gestorbener Babys. Bei Zwangsadoptionen seien es etwa 20 bis 40 Fälle.

Das Bundesinnenministerium startete 2021 eine Studie, um das Unrecht aufzuklären. Ergebnisse sollen Anfang 2026 vorliegen. Offiziell ist die Rede von „politisch motivierter Kindeswegnahme“, oft im Zusammenhang mit politischer Haft oder Ausreisebegehren der Eltern.

Denim als Symbol der 80er

Wie also setzt man so ein Thema in Mode um? „Die Hochphase der Zwangsadoption und dem angeblichen Säuglingstod war in den 80er Jahren“, erzählt Kerner. „Deshalb war für mich schnell klar, dass es eine 80er-Jahre-Kollektion wird.“ 80er in der DDR, das war Denim als Symbol des Westens und der USA, aber in einem ganz bestimmten Grauton, wie Kerner sagt.

„Ich habe viel über die Mode in der DDR recherchiert. Und zuerst dachte ich: Wie machst du das, weil ich ja schon glamouröse Sachen mache und die DDR so gar nicht glamourös schien. Aber das war ein Trugschluss. Die hatten echt glamouröse Klamotten, eine Menge Glitzer. Ich war total fasziniert.“

Punkte, die unangenehm sind

Das alles will er in seiner Show in der Uber-Arena in einer Weise präsentieren, die dem Publikum Zugang zu seinem dunklen Thema ermöglicht. „Es soll keine Beklemmung erzeugt werden“, sagt Kerner. „Aber ich glaube, wenn man sich darauf einlässt, passiert das einfach. Wir versuchen, das realistisch darzustellen. Es gibt Punkte, die nicht angenehm sind.“

Dass dies alles nur PR sei, lässt er sich nicht vorwerfen. „Es geht hier nicht darum, Mode zu promoten. Ich mache dieses Thema aus tiefstem Herzen.“ Klar wolle er, dass seine Mode gesehen werde. Aber er habe diesmal andere Ziele: „Dass eine DNA-Bank eingerichtet wird, dass es den Eltern, die Zweifel haben, erlaubt wird, in die Adoptionsakten oder in ihre Akten zu gucken. Das dürfen ja nur die Kinder. Und dass sich Zeitzeugen melden.“ Um finanzielle Gutmachung oder Bestrafung gehe es nicht. Wenn alles läuft, wie Kerner es sich vorstellt, sind in einem Jahr zumindest zehn weitere Fälle aufgeklärt.

Berlin Fashion Week
Kilian Kerner
SS26