Französischer Modeverband: „Wenn alle aus dem System aussteigen, verlieren alle"
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Die Pandemie hat die Modewoche auf das Internet beschränkt, aber das ist nur „ein Einschub“, sagt Pascal Morand, Präsident der Fédération de la Haute Couture et de la Mode, der an die Zukunft der Pariser Modewoche glaubt.
Können wir noch von der Pariser Modewoche sprechen, wenn alles im Internet stattfindet?
Pascal Morand: Diese dritte digitale Modewoche ist nichts Neues für uns, wir haben die Plattform sehr schnell eingerichtet [Anm. d. Red.: um die Online-Präsentationen vergangens Jahr zu übertragen]. Die zweite im September war eine „phygitale“ Modewoche, eine Mischung aus „physischer“ Präsentation und Laufsteg im Internet.
„Für diese Ausgabe waren wir bereit, es gab keine Überraschungsmomente. In der Zukunft, wenn wir zu analogen Präsentationen zurückkehren, wird es eine zusätzliche digitale Dimension geben, die ursprünglich aus der Not erwuchs, und die zu einer Quelle der Innovation und Kreativität geworden ist.
Wir sind mit Vollgas im 21. Jahrhundert gelandet. In der Welt von Gestern ergänzte das Digitale das Physische, heute ist es umgekehrt. Der Anteil von E-Commerce ist von 13 Prozent auf 25 Prozent auf allen Ebenen des Sortiments gestiegen.
Aber nicht alles, was physisch ist, kann digitalisiert werden. Jeder ist müde von den Zoom-Meetings, und die grundlegenden sensorischen Bedürfnisse werden nicht erfüllt. Die Visualisierung ist nicht die gleiche, das gilt besonders für die Mode mit Bewegung, fließenden Stoffen, und Präzisionsabeit.
Wir sind im digitalen Raum sehr weit davon entfernt, diese besondere Kombination der extrem feinen Auflösung des menschlichen Sehens zu haben, in Bezug auf Kontraste, Farben, Tiefe. Es gibt eine Art Klammer in Bezug auf die Lebenskunst, und alle Hauptstädte sind davon betroffen. Das ändert aber nichts an der Attraktivität von Paris für junge Marken. Hier wollen sie anerkannt werden.
Welche Auswirkungen hat die Krise auf die Branche?
Sie ist wichtig. Wenn man sich den französischen Bekleidungsmarkt anschaut, waren wir 2020 um 17 bis 18 Prozent rückläufig. Die bestgewappneten Marken sind die, die digital am weitesten entwickelt sind und nach China exportieren.
Luxusmarken exportieren zu 90 Prozent und besonders viel nach Asien und China, und sie sind oft sehr präsent auf dem digitalen Markt. Dies kann ein Faktor des Überlebens, der Widerstandsfähigkeit, der wirtschaftlichen Erholung von der aktuellen Situation sein. Eine Marke, die von einem Designer oder einem Art Director verkörpert wird, hat einen zusätzlichen Wert. Die Marken, die auf der Pariser Modewoche präsentieren, haben genug Kapital, um diese Zeit zu überstehen. Für junge Marken ist es komplizierter und wir unterstützen sie.
Einige Labels verlassen den offiziellen Kalender, andere machen weniger Kollektionen, kleine Marken versuchen sich an der Digitalisierung. Was wird aus den Modewochen nach der Pandemie?
Das Risiko der Digitalisierung ist, das Gefühl den Rhythmus zu verlieren, den die Modewoche vorgibt.
Es gibt Rituale, die enden werden, aber das ist bei uns absolut nicht der Fall. Wir stellen ein starkes Bedürfnis nach kreativem Ausdruck fest - das Feld wird nur erweitert. Das zeigt die Kreativität von Filmemachern, Videografen, Zeichentrickfilm- und Videospieldesignern. Wenn das normale Leben wieder beginnt, wird es eine Reflektion darüber geben, wie man eine Modenschau veranstaltet, wie man ein physisches Ereignis mit einem digitalen Gegenstück konzipiert. Wenn alle aus dem System aussteigen, verlieren alle.
In diesem Zusammenhang ist es gut, dass es Sicherheitsvorkehrungen, Elemente der Glaubwürdigkeit gibt. Der offizielle Kalender war schon immer ein Faktor der Demokratie. Alle Marken sind gleichberechtigt, die größten genauso wie die, die gerade dazugekommen sind, trotz eines großen Unterschieds bei Umsatz und Bekanntheit. Die Öffentlichkeit ist auch eine Einflusssphäre der Kommunikation, sie gibt dem, was geschieht, mehr Leben. Das hat Auswirkungen auf den digitalen Aspekt, weil die anwesenden Personen die Informationen weitergeben.(AFP)
Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.fr
Bild: Dior H/W21, Adrien Dirand