Fashion Changers Konferenz: Vorschläge für eine bessere Modebranche
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Positive Veränderungen in der Modebranche vorantreiben – dieses Ziel hat sich die Fashion Changers Konferenz gesetzt. Am Donnerstag fand die digitale Veranstaltung zum dritten Mal statt.
In Paneldiskussionen, Impulsvorträgen und Streitgesprächen wurden Themen von Recommerce bis Inklusion diskutiert. Außerdem wurden Ansätze und Tipps für verantwortungsvolleres Handeln aller Akteur:innen in der Branche gegeben. Deutlich wurde, dass Nachhaltigkeit und Fairness auf allen Ebenen gedacht und in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext gesehen werden müssen. Ökologische Aspekte alleine reichen nicht aus, um verantwortungsvoll zu handeln – echte Nachhaltigkeit ist auch sozial. FashionUnited hat die wichtigsten Themen der Konferenz für Sie zusammengefasst.
Verabschiedung von konventionellen Strukturen
Ein nachhaltiges Modelabel sollte mehr Größen als die konventionelle Mode anbieten – mit diesem Standpunkt startete Norah Joskowitz, die Gründerin des Labels Valle ō Valle, ihren Vortrag zum Thema bedarfsgerechte Produktentwicklung. Mit ihrer Brand setzt sie auf ein flexibles Größenkonzept und hat sich dabei von den konventionellen Maßen verabschiedet.
Sie erklärte, dass in einer ‘fettfeindlichen Gesellschaft’ wie unserer große Größen in der Mode diskriminiert und Menschen somit strukturell ausgeschlossen werden. Der Standard bleibt bei Konfektionsgröße 34 und 36 – auch bei fairen Labels. Joskowitz Ziel ist es, dass große Größen in der Mode und im Blickfeld der Gesellschaft zu einer Selbstverständlichkeit werden. Aber dafür müssen Labels aktiv werden, weitere oder neue Größen anbieten und vor allem dafür sorgen, dass sich die Zielgruppe wieder eingeladen fühlt, denn die Nachfrage ist da.
Tipps für die Umsetzung:
- Zusammenarbeit: In den Austausch gehen, mit den Menschen arbeiten und an vielen verschiedenen Körpern fitten.
- Sichtbarkeit: Große Größen auf allen Kanälen sichtbar machen und integrieren.
- Produktentwicklung Ausgangsgröße des Grundschnitts hinterfragen, größenverstellbare Kleidung anbieten, eigene Größen etablieren.
- Transparenz: Größentabellen für jedes Produkt erstellen, reduziert zudem die Retourenquote.
Auch andere gesellschaftliche Gruppen finden in der konventionellen Mode wenig Beachtung. Anna Flemmer, Modedesign-Expertin für Inklusion, setzt sich dafür ein, Barrieren durch Design abzubauen und so Kleidung inklusiver zu gestalten. In ihrer Arbeit setzt sie den Fokus auf Inklusion als sozialen Aspekt, Nachhaltigkeit im ökologischen Sinne ist für sie selbstverständlich.
Mit inklusiver Mode soll die Stigmatisierung von Kleidung für behinderte Menschen gegenüber konventioneller Kleidung überwunden werden. Dafür müssen Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen nicht nur als Zielgruppe wahrgenommen, sondern auch als Expert:innen in den gesamten Design- und Herstellungsprozess einbezogen werden.
So wird Kleidung inklusiver:
- Reflektierende Details in das Design integrieren, so entsteht ein Sicherheitsgefühl im Straßenverkehr.
- Farbkontraste für Menschen mit Seheinschränkungen einbauen, so können beispielsweise Verschlüsse sichtbarer werden.
- Schnitte entwickeln, die wendbar sind, sodass es egal ist, wie man die Kleidung anzieht.
- Prototypen entwerfen und im Alltag testen.
Ökologisch handeln und kreislauffähiger werden
Wenn über Nachhaltigkeit, verantwortungsvolles Handeln und Veränderungen gesprochen wird, darf auch das Thema Kreislaufwirtschaft nicht fehlen. In einer Diskussion zum Thema Recommerce haben drei Referent:innen über verschiedene Konzepte, ihre Umsetzung und Vor- und Nachteile diskutiert. Klar wurde, dass Recommerce alleine keine Veränderungen bringt, sondern dass für eine konsequente Müllvermeidung und die Kreislauffähigkeit von Mode an den Ursprung des Problems geschaut werden muss: die Überproduktion und immer schlechter werdende Qualität von Fast Fashion.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch die Diskussion über Recyclingmaterial zwischen Kai Nebel, Nachhaltigkeitsbeauftragter der Fakultät Textil & Design an der Hochschule Reutlingen, und Johann Bödecker, Geschäftsführer der Pentatonic GmbH. Ein großes Problem ist, dass nach wie vor Faser-zu-Faser-Recycling in der Modebranche nur marginal genutzt wird. Nicht nur fallen die Materialien dort an, wo sie nicht recycelt werden können, auch stoßen Recyclingunternehmen schon jetzt an ihre Kapazitätsgrenzen. Zudem sorgt die Vielfalt der Fasermischungen in Fast-Fashion-Kleidung dafür, dass die Materialien im Recyclingprozess nicht mehr getrennt werden können. Die Idee von Recycling ist gut und sorgt für Ressourcenschonung, die bisherige Umsetzung trägt jedoch noch nicht zu einer ökologischen Nachhaltigkeit bei. Dafür müssten Produkte verantwortungsvoll hergestellt, lange genutzt und in den Kreislauf zurückgeführt werden.
Forderungen für eine bessere Kreislaufwirtschaft:
- Handlungsbedarf der Politik: Produktionsmengen müssen reguliert und Greenwashing bestraft werden.
- Weniger Konsum und weniger Produzieren: Das Konsumverhalten der Gesellschaft muss sich ändern und die Überproduktion heruntergefahren werden.
- Sortenreines Material:Damit Kleidung lange genutzt und recycelt werden kann, muss die Qualität der Kleidung wieder steigen.
- Upcycling weiterdenken: Neue Funktionalitäten für Materialien finden und Kleidung auch in andere Dinge upcyceln.
- Modemarken in die Verantwortung ziehen: Nicht nur für die Herstellung der Produkte, auch für die Entsorgung.
Hinterfragen, informieren und weiterdenken
Kritisch betrachtet wurde auch die Bedeutung von fairer Produktion in der Fair Fashion Branche. Drei Expert:innen sprachen darüber, was eigentlich hinter der Bezeichnung “fair produziert” steckt und wie viel Fairness in den Produktionsländern ankommt. Kaplona Akter, Teamleiterin beim Bangladesh Centre for Worker Solidarity, machte deutlich, dass die Arbeiter:innen in ihrem Land nicht viel davon sehen. In den Produktionen würden keine Unterschiede zwischen fairen und konventionellen Brands gemacht, die Arbeiter:innen ziehen keine Vorteile dadurch und erhalten auch nicht mehr Lohn – die Unterschiede werden lediglich durch Zertifikate für die Kundschaft gemacht.
Etwas bewirken
- Um Veränderungen und bessere Arbeitsbedingungen in den Herstellungsländern zu bewirken, seien nicht nur Gesetzgebungen und politische Strategien notwendig, auch Labels und Konsument:innen müssen aktiv werden, Zertifikate hinterfragen und sich ein Bild über die Lage in den Fabriken und Produktionen machen.
Das Thema Nachhaltigkeit hat auch die Modemedien und ihren Umgang mit dem Thema verändert. Durch das Hinzukommen der Sozialen Medien musste sich der Modejournalismus zudem neu positionieren: Klassische Magazine standen Umstrukturierungsprozessen gegenüber, Print und Digitales mussten verknüpft und neue Darstellungsformen etabliert werden.
Kerstin Weng, Redaktionsleiterin der Vogue Germany, sieht in dem Aufkommen der Onlineangebote eine positive Veränderung: So können Marken mit Konsument:innen in Verbindung treten, erhalten Feedback und werden auch auf Kritik aufmerksam. Auch Journalistin Anna Schunck unterstützt diese Ansicht und betonte, dass die Mode mit den Sozialen Medien weniger elitär geworden ist, nahbarer.
Diskutiert wurde aber nicht nur die Bedeutung von Onlinepräsenz für die klassischen Medien, sondern auch die Vermittlung von kritischen und nachhaltigen Themen auf den Sozialen Medien für beide Seiten – die Labels und den Modejournalismus. Wie ist es möglich, Menschen mit schwierigen Themen zu erreichen und muss man heutzutage auf allen Plattformen aktiv sein?
Kritische Inhalte und nachhaltige Themen auf Sozialen Medien vermitteln:
- Glaubwürdigkeit und Fokus: Es geht nicht um die Anwesenheit in allen Kanälen. Aber dort wo man ist, sollte man authentisch sein.
- Shareable Content: Inhalte müssen kurz und knapp rübergebracht werden. Follower:innen müssen gewillt sein, es zu reposten.
- Sprache und Memes: Leichte Sprache ist wichtig für ein schnelleres Verständnis und um Inhalte mehr Menschen zugänglich zu machen. Memes eignen sich, um sich für kritische Themen Gehör zu verschaffen.
- Credit und Recherche: Quellen nennen, um Greenwashing vorzubeugen. Expert:innen und Betroffene verlinken.
Die Konferenz war ein kritischer Weckruf an alle in der Branche. Denn alle Akteur:innen in dem System tragen Verantwortung nicht nur auf ökologischer, sondern auch auf sozialer und ökonomischer Ebene.