Erste digitale Pariser Couture-Woche: Beeindruckende Visuals, Modefilme und ein Blick hinter die Kulissen
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Ein Tag, den die Modewelt vor sechs Monaten noch nicht erwartet hatte: Der Beginn einer vollständig digitalen Pariser Haute-Couture-Woche. Am Montag, dem 6. Juli, begannen die Haute-Couture-Schauen mit einer beeindruckenden Vielfalt an Videos online. Bei den digitalen Präsentationen gab es es bisher drei Genres: Die Laufsteg-Präsentationen, den Blick hinter die Kulissen und ganze ‘Modefilme’.
Noch bevor die Shows und Präsentationen überhaupt begannen, erschien zuerst das Topmodel Naomi Campbell auf der Leinwand. Campbell forderte die Modeindustrie auf, sich auf mehr Integration und Vielfalt zu fokussieren. Nach dem Video des Topmodels wurden auf der Plattform mehrere Videos von Modehäusern uraufgeführt.
Hinter den Kulissen der Couture
Mehrere Modehäuser haben sich entschlossen, einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren. Schiaparellis künstlerischer Leiter Daniel Roseberry und der Designer Rabih Kayrouz lassen sich beim Zeichnen über die Schulter schauen und geben einen tieferen Einblick in den Designprozess. Ulyana Sergeenko und Dior zeigen die detaillierte hohe Kunst der Schneiderei, indem sie ihren Ateliers einen besonderen Platz in der Präsentation bieten. Das Modehaus Ralph & Russo entschied sich für ein Gespräch mit dem Designer über den Skizzen- und Kreationsprozess bis hin zu den Lookbook-Fotografien, sowie der Erstellung digitaler Designs und Models.
Fotos: Iris van Herpen
Am ersten Tag entschieden sich eindeutig mehr Modehäuser dafür eine Performance oder einen Kurzfilm zu zeigen. Die erste videografische Präsentation kam von Iris van Herpen, die ihre neueste Kreation ‘Transmotion’ mit ihrer Muse Carice van Houten vorstellte. Das Couture-Stück, das die niederländische Schauspielerin trug, repräsentiert den Wandel, den die Welt gerade durchmacht.
Dior zieht am ersten Tag die Aufmerksamkeit auf sich
Diors märchenhafter Film kann mit Sicherheit als der Höhepunkt des ersten Tages bezeichnet werden, was sich auch in den sozialen Netzwerken bemerkbar gemacht hat – Posts über die Präsentation überschwemmten Instagram und andere Kanäle..
Das Video beginnt mit einer Meerjungfrau, die die Erwartungen an den Film sofort steigert. Doch bei diesem Fabelwesen soll es nicht bleiben. Neben der Meerjungfrau tauchen auch griechische Göttinnen, Waldnymphen und Statuen, die zum Leben erwachen, auf. Das sind nur einige Kreaturen, die in dem fast 15-minütigen Video erscheinen. Nicht umsonst trägt die Präsentation den Namen "Le Mythe Dior", die zugleich eine Ode an das Théâtre de la Mode, einer Wanderausstellung von kleinen Schaufensterpuppen nach dem Zweiten Weltkrieg, ist. In dem Kurzfilm zeigt Dior einen Koffer, voller Miniatur-Couture-Kreationen, der von zwei Pagen durch einen mystischen Wald getragen wird. Die Kofferträger besuchen die Wesen und diese entscheiden sich für eines der Kreationen. Anschließend werden die Maße genommen, das Stück vom Atelier angefertigt und dann von den zauberhaften Kundinnen getragen.
Fotos: Dior
Azzaro Couture erzählt mit einer Gesangseinlage die Geschichte der neuen Haute-Couture-Kollektion. Der Modefilm der Marke Antonio Grimaldi wählt dagegen einen dunkleren Weg und erzählt die Tragödie der Electra, die symbolisch für die Beziehung zwischen Mutter und Tochter steht.
Haute Couture Online: Modehäuser gehen online
Bei all den Filmen und den Blicken hinter die Kulissen könnte der Zuschauer fast vergessen, worum es eigentlich geht: Haute-Couture-Kleidung. Mit der Betonung auf 'fast'. Einige der Marken entscheiden sich für eine (teilweise) digitale Präsentation oder eine digitale Modenschau. Bei Georges Hobeika finden Sie genau das, was Sie von einer digitalen Haute-Couture-Woche erwarten: Eine aufgezeichnete Modenschau.
Bei der Designerin Ulyana Sergeenko geht die "Modenschau" noch einen Schritt weiter: Modelle laufen vor einem schwarzen Hintergrund durcheinander und erscheinen mehrfach auf dem Bildschirm, sodass eine Art Kaleidoskop-Effekt entsteht.
Giambattista Valli wählt eine digitale Präsentation mit dem Topmodel Joan Smalls. Aufgenommen wurde das Format in einem Studio. Die Kreationen des Designers sind wie immer großartig , allerdings hätte man von einem Modehaus wie Giambattista Valli mehr erwarten können.
Foto: Chanel
Das Modehaus Chanel hielt es am Dienstag kurz: In einem nicht einmal anderthalb Minuten langen Film von Mikael Jansson tanzen zwei Models in glamourösen Tweed- oder Taftkleidern. Sie tragen aufgetürmte Punk-Frisuren, Federn und viel Schmuck. «Ich hatte exzentrische Prinzessinnen im Kopf, die Art von Frauen, die Karl Lagerfeld gerne zu Soireen oder ins Palace begleitete», erklärt Kreativdirektorin Virginie Viard.
Die Frage bleibt: Braucht die Haute-Couture-Welt wirklich Modenschauen? Lässt sich die Haute-Couture-Kundin nur nach einer physischen Modenschau verführen oder wird diese ohnehin von Modehäusern wie Dior, Iris van Herpen und Giambattista Valli angesprochen?
Die Shows sorgen normalerweise für die nötige Aufmerksamkeit, aber auch besonders innovative Konzepte wie der Film von Dior können um die Welt reisen. Es gibt Modehäusern eine neue Chance, ihre Kreativität zu entfalten. In jedem Fall ist diese digitale Ausgabe eine willkommene Abwechslung zu den verschlossenen Türen der exklusiven Haute-Couture-Woche, mit denen gewöhnliche Verbraucher oder viele Journalisten sonst konfrontiert sind. Von einer Demokratisierung der Haute Couture zu sprechen, geht vielleicht zu weit. Aber für die Neugierigen unter uns ist es eine ausgezeichneter Zeitvertreib. (FashionUnited/dpa)
Die digitale Ausgabe der Couture-Woche, Haute Couture online, läuft noch bis Mittwoch. Sie möchten keine Neuigkeiten mehr verpassen? Melden Sie sich hier für den FashionUnited-Newsletter an.
Dieser Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.nl. Übersetzung und Bearbeitung: Ole Spötter
Titelbild: Dior