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Erinnerungen, Schutz und Stärke: Die Highlights der Berliner Modewoche

Von Ole Spötter

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Mode
Backstage bei Richert Beil FW25 Credits: Caroline Kynast für BFW

Die Berliner Modewoche ist von einem beklemmenden Gefühl, aber auch von viel Hoffnung geprägt. Während die Welt von Krisen und Unsicherheit geprägt ist, blicken Designer:innen für die Herbst/Winter-Saison 2025, auf eine andere Zeit zurück und wiegen sich so zumindest für einen Moment in Sorgenfreiheit und Harmonie. Andere Marken arbeiten derweil vielleicht eigene Erfahrungen auf und leiten mit einer düsteren Kollektion den Selbstheilungsprozess ein. Die Höhen und Tiefen im Überblick.

Von der Schiene auf die Rennstrecke

Haderlump transportiert seine Gäste in ein S-Bahn-Depot im Berliner Stadtteil Schöneweide, wo zwischen den Zügen eine Haltestelle aufgebaut ist. Das Label erzählt die individuellen Geschichten von Reisenden, die sich begegnen und zumindest einen Augenblick miteinander teilen. Die Kollektion unternahm ebenfalls eine Zeitreise in die Mitte des 20. Jahrhunderts, bei der klassische Looks mit Hüten und Fracks das Stadtbild geprägt haben. Asymmetrische Schnitte, Schichten und unterschiedlich lange und weite Stücke erzeugen neue Silhouetten. Details wie eine Trillerpfeife an einer Silberkette in Kombination mit einer Weste spielen auf den Charakter eines Schaffners an.

Haderlump HW25 Credits: Marc Aldinger

Inspiriert von der Rennstrecke und schnellen Flitzern bringt Colrs ein Stück Sommer und italienische Leichtigkeit nach Berlin. Der Designer bringt den “mühelosen Coolness-Faktor” des früheren Fiat-Chefs Gianni Agnelli und das Selbstbewusstsein von Rennfahrern der 50er Jahre wie Stirling Moss und Juan Manuel Fangio auf den Laufsteg. Details von Autorennen wie die Karos der Zielfahne und ein Auto-Logo treffen auf lässige Anzüge und Pullover, die locker über die Schultern geworfen werden. Abgerundet wird das Konzept durch italienische Schriftzüge wie “Ciao Bella” und den Verweis auf verschiedene italienische Metropolen.

Colrs FW25 Credits: Boris Marberg für BFW

Mütterlicher Schutz

Marie Lueder lässt ihre Gäste in eine mythische Welt eintauchen, die durch Design mit der Moderne in Verbindung tritt. Die gebürtige Hamburgerin vereint die Gewänder mittelalterlicher Charaktere und Fabelwesen mit aktueller Sport- und Workwear. In der aktuellen Kollektion “The Shell” erforscht sie auch Archetypen des 21. Jahrhunderts, wie den Hooligan oder dekadenten Romantiker, heißt es in den Shownotes. So treffen Ritterkapuzen, Gauklerschuhe mit gebogener Spitze auf Mesh Tops, Trikots und Workwear. Wandteppiche des 19. Jahrhunderts und kunstvolle Vorhänge sind ebenfalls Teil von Lueders Arbeit, die sowohl im Setdesign als auch in die Kollektion integriert wurden. Auch scheinen Werwölfe einen besonderen Platz gefunden zu haben. Sie wurden durch Kunstfell und Styling-Elemente wie lange, gewölbte Fingernägel und „blutverschmierte“ Zähne heraufbeschworen.

Lueder FW25 Credits: Finnegan Koichi Godenschweger

Clara Colette Miramon lädt am Sonntag in die St. Thomas Kirche im Stadtteil Kreuzberg ein. Im Mittelpunkt ihrer Kollektion „Maria hat geholfen“ steht die heilige Maria und die Stärke, Hingabe und Widerstandsfähigkeit einer Mutter. Bei Miramon wird sie als „coole Goth Mom“ neu interpretiert und in schwarze Samtkleider und Kunstfell gehüllt, die auf Puffer Jackets, Korsetts sowie einen Brustpanzer treffen. Die Designerin bringt auch Details wie Verzierungen der Kirchenfassade als Detail in den Ausschnitt von Kleidern. Farblich setzte die Kollektion besonders auf Schwarz, die um vereinzelte Akzente wie Bordeaux ergänzt wurden.

Clara Colette Miramon FW25 Credits: Boris Marberg

Auch bei Richert Beil steht mütterliche Fürsorge beziehungsweise die emotionale und körperliche Erschöpfung im Mittelpunkt, die mit dieser Tätigkeit einhergeht. Im Fichtebunker, der im Zweiten Weltkrieg Müttern und ihren Kindern Schutz bieten sollte, ertönen verschwimmende Kinderstimmen und dann das Gekreische eines Babys. Dazu läuft eine düstere Kollektion auf, die von viel Schwarz, Latex und Lederoptik geprägt ist. Dabei scheint Cocooning, also das Verpuppen, eine wichtige Rolle zu spielen. Die Models sind teils umschlungen von den Stücken und auch der Kopf von eng anliegenden Hauben und verlängerten Silhouetten eingehüllt – wie ein Hemd, das über den Haaren geknöpft ist.. Verschiedene Schichten verstärken diesen Gedanken.

Richert Beil FW25 Credits: Tom Funk

Die Berliner Marke GmbH, die nach vielen Shows in Paris zum zweiten Mal in ihrer Heimatstadt zeigt, hat sich für Herbst/Winter 25 von ihrer eigenen Vergangenheit inspirieren lassen. Das Designduo Benjamin Huseby und Serhat Isik hat in den Erinnerungen vergangener Schauen und im Archiv gestöbert, um Ideen aus einer Zeit zu finden, wo die Welt weniger bedrohlich und stabiler schien als die jetzige, so die Shownotes. Dabei bekommen auch Elemente und Looks, die in vorangegangenen Kollektionen vielleicht weniger im Mittelpunkt standen, eine neue Bühne.

Die Designer suchten auch Trost in den Werken des norwegischen Dichters Gunvor Hofmo, die von Verlust, Isolation und Melancholie geprägt sind. Aber auch Anmut und Eleganz sind Teil der FW25-Kollektion, wobei Huseby und Isik sich von ihren in Anzügen gekleideten Vätern inspirieren lassen haben. Die Kollektion spielt mit der Silhouette des Anzugs, legt auch mal die Schultern frei und ergänzt ihn durch Details wie Kunstpelz. Auch spielen Outerwear-Stücke wie weite Mäntel und sportliche Bomberjacken eine Rolle. Die Marke vereint anliegende Stücke wie enge Anzughosen mit weiter Oberbekleidung und erzeugt so verschiedene Silhouetten. Anzüge stechen auch unter einem leichten Tüll-Überwurf hervor, wodurch eine spannende Dynamik der Materialien entsteht.

GmbH Credits: Finnegan Koichi Godenschweger

Freudiges Debüt von Andrej Gronau

Andrej Gronau schwelgt für sein Berlin-Debüt auch in Erinnerungen. Für FW25 beschäftigt er sich mit Kitsch, der ihn an zuhause erinnert, erklärt der Designer nach der Show. Die Wanddekoration seiner Oma, das Lametta vom letzten Weihnachtsfest sowie die Schätze von Trödelmärkten interpretiert er in einer farbenfrohen Kollektion, bei der nicht nur eine große Farbpalette, sondern auch Muster wie Streifen, Sterne und Blumen und Materialien aufeinander prallen. Die verspielte Kollektion spielt mit Schichten, Volumen und Detail wie einer großen Schleife, die Cardigans und Pullover ziert.

Andrej Gronau FW25 Credits: Finnegan Koichi Godenschweger
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