Elly Azizian: Die Illustratorin, die die Haute Couture-Schauen skizziert
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Elly Azizian, die unter dem Künstlernamen Fashion Strokes illustriert, hat zweifellos eine beeindruckende Kundenliste. Darunter befinden sich unter anderem Van Cleef & Arpels, Oscar de la Renta, Valentino und Sotheby's. Von Ihren Auftraggeber:innen wird sie nach Paris eingeladen, um die Haute Couture zu skizzieren. Azizian erzählt FashionUnited, wie sie sich diesen Nischenplatz im Bereich der Modeillustration geschaffen hat.
Wie sind Sie dazu gekommen, bei den Haute-Couture-Schauen zu zeichnen?
Ich habe am Fashion Institute of Technology (FIT) Couture studiert und hatte das Glück, großartige Professor:innen zu haben. Aber obwohl ich drapieren, Schnittmuster schneiden und nähen konnte, sagten alle meine Professor:innen einstimmig, dass meine Zeichnungen viel besser seien. Und sie hatten Recht. Deshalb wandte ich mich voll und ganz der Illustration zu, traf mich mit einem chilenischen Modemagazin, einer super kleinen Nischenpublikation, und da es gerade Couture-Saison war, schlug ich vor, dass ich zur Modewoche gehen und für sie berichten könnte. Ich glaube nicht, dass sie das wirklich für realistisch hielten, aber ich beantragte einen Presseausweis und wurde zur Überraschung aller akkreditiert. Wir bekamen ein paar Einladungen, anfangs waren es kleine Shows, die zweite und dritte Reihe, nicht die großen Marken, aber einige wirklich großartige Couture-Häuser. Dann wurden es immer mehr, denn wenn man erst einmal auf der Liste steht, haben die Leute ein Auge auf Sie. Ich lernte einige großartige PR-Firmen kennen, die wirklich nett waren, und ich zeigte ihnen ein paar Arbeiten und es entwickelte sich zu einem regelmäßigen Event für mich.
Wo befinden Sie sich beim Skizzieren der Laufsteg-Looks?
Ich denke, Paris ist sehr spezifisch, weil viele der Shows an historischen Sehenswürdigkeiten stattfinden und daher die Aufbauten etwas umständlich sein können. Aber je nachdem, wie viel Platz uns zur Verfügung steht, habe ich gelegentlich den Luxus eines Tisches, der sich normalerweise in der kleinen Lücke zwischen den Fotograf:innen und dem sitzenden Publikum befindet. Gelegentlich, wenn es sich um eine Marke handelt, die keine sofortigen Skizzen, sondern eine detailliertere Skizze wünscht, darf ich auch im Publikum sitzen, was Spaß macht.
Was halten die Fotograf:innen davon, Sie an ihrer Seite zu haben?
Zunächst war es für sie wohl ein Novum und sie waren überrascht, jemanden neben sich zu sehen, der keine Kamera, sondern einen Skizzenblock dabei hat. Inzwischen habe ich einige von ihnen kennengelernt und es ist ein bisschen geselliger geworden, vor allem auf den Messen, die ich jedes Jahr besuche. Sie sind sehr freundlich und machen Platz für mich.
Welches sind Ihre bevorzugten Materialien zum Skizzieren von Laufstegshows?
Ich muss definitiv eine reduzierte Auswahl treffen, aber ich neige dazu, viel mit Linien zu arbeiten, egal zu welchem Anlass. Zu Hause arbeite ich mit Collagen, Pastellfarben und experimentiere gerne. Bei den Shows arbeite ich eher mit Bleistift, Graphit, ein paar Markern und wenn ich Pastellkreiden verwende, dann sind es immer diese schönen Stifte, die man ein wenig verwischen kann, ohne dass überall Staub herumfliegt. Ich achte darauf, dass es nicht zu viel wird. Es gibt diese tollen Stifte mit Wasser, die ich einmal ausprobiert habe. Aber man sieht die Angst in den Augen der Fotograf:innen, wenn sie Wasser in der Nähe ihres Equipments sehen.
Gibt es Anfragen, digitale Skizzen zu erstellen?
Digitale Optionen sind überraschenderweise tatsächlich nie zur Sprache gekommen. Ich vermute, dass die meisten Unternehmen, die mich engagiert haben, wissen, dass ich hauptsächlich mit analogen Methoden arbeite. Ich finde auch, dass es eine gewisse Romantik und einen gewissen Luxus hat, ein feines, stabiles Papier mit Tinte und Skizzen in der Hand zu halten. Das entspricht dem Wesen der Couture, zumal die Skizzen oft an Kund:innen verschenkt werden.
Wie bereiten Sie sich auf das Skizzieren bei den Couture-Shows vor?
Ich mache vorher Live-Zeichensitzungen, wie zum Beispiel mit Drawing Cabaret Couture oder Ami Benton, Londoner Produktionen über Zoom. Ich gerate in einen Rhythmus von wirklich schnellem Live-Zeichnen oder langsamer, akribischer Arbeit und es ist schwer, das Gleichgewicht zu halten. Das eine fühlt sich immer angenehmer an als das andere. Ich blättere auch einfach durch Zeitschriften und mache schnelle Skizzen daraus. Manchmal, wenn ich weiß, dass es ein überfülltes Event mit vielen Gästen sein wird, das nicht unbedingt eine Couture-Show ist, habe ich vielleicht ein Backup an vorgeplanten Posen, von denen ich weiß, dass ich sie schnell abrufen kann.
Wie fangen Sie die Looks ein, die in so kurzer Zeit an Ihnen vorbeiziehen?
Die Kleider sind so kompliziert, dass die tatsächliche Geschwindigkeit auf dem Couture-Laufsteg etwas langsamer ist als bei der Ready-to-Wear, was mir zu Gute kommt. Natürlich kann man nie alle Looks einfangen. Und die Models halten an bestimmten Stellen auf dem Laufsteg an. Bei der Juana Martin Show ließ sie einige der Models kleine abstrakte Performances aufführen, was sehr hilfreich war.
Wie viele Skizzen erstellen Sie pro Show?
Es kommt darauf an. Ich habe von Firmen gehört, die eine bestimmte Anzahl verlangen, aber das ist mir noch nicht begegnet. Alle sind wunderbar flexibel mit mir umgegangen. Ich denke, dass ich, sagen wir mal konservativ, sieben bis acht Sketche pro Show machen kann, was nicht viel ist, wenn man bedenkt, wie viele Looks gezeigt werden. Die großen Traditionsmarken haben vielleicht 80 Looks, aber kleinere Couture-Marken haben 20 bis 30, wenn ich also ein Drittel davon schaffe, sind alle zufrieden. Bei diesem Tempo fühle ich mich nicht überfordert und kann immer noch alles einfangen, was ich wahrnehme.
Wie war das Skizzieren bei Zuhair Murad?
Ich glaube, er ist die höchstrangige Marke, mit der ich gearbeitet habe. Die Kleider sind so wunderschön kompliziert, dass ich mich schlecht fühle, weil ich nicht so viele Looks einfange, wie ich gerne würde. Ich denke, das ist eine der Shows, die mit einem größeren Zeitdruck verbunden sind. Aber weil das Haus so freundlich ist und die Komplexität meiner Arbeit schätzt, weil die Menschen dort aus eigener Erfahrung ein Verständnis für Handwerk haben, gab es nie ein Problem mit der Anzahl.
Wie würden Sie das Gefühl beschreiben, in dieser stressigen und doch aufregenden Umgebung zu skizzieren?
Als Fan jeder Aufführung denke ich, dass der Moment, in dem die Lichter gedimmt werden und die Musik anschwillt und Sie wissen, dass gleich etwas passieren wird, einfach fantastisch ist, egal ob es sich um ein Konzert, ein Theater oder eine Modenschau handelt. Das ist ein toller Adrenalinkick. Dann sieht man das erste Kleid und es geht los. Diese ersten Minuten der Ehrfurcht, dann ein kurzer Anflug von Panik, die Erkenntnis, dass ich nicht hier bin, um nur in Schönheit zu schwelgen, und dann komme ich in den Rhythmus. Gegen Ende wird es sehr pragmatisch: Man sieht die Skizzen durch, sie werden eingesammelt, es geht ums Geschäftliche.
Was passiert mit den Skizzen, die Sie erstellen?
Das kommt darauf an. Manche Presse- und PR-Agenturen nehmen sie und behalten sie für die Marke, manche Marken verschenken sie an die Kund:innen, die die Kleider kaufen, weil sie auch einzigartig sind. Einige verwenden sie für die sozialen Medien. Es kommt auf das Unternehmen an.
Warum werden Sie bei Couture-Shows eher akzeptiert als in der Konfektionsmode?
Ich glaube, dass viele Couture-Unternehmen versuchen, neue Wege zu gehen, während bei der Ready-to-Wear alle den gleichen Trends folgen. In der Couture-Welt gibt es große künstlerische Ideen und Konzepte, die sich von Saison zu Saison ändern. Aber ich arbeite gerne mit Unternehmen zusammen, die Elemente aus dem Kostümbild einbeziehen, etwas wirklich Ungewöhnliches, das ist es, wofür mein Herz schlägt.
Da die Couture-Shows oft Prominente anziehen, zeichnen Sie auch diese?
Ich sehe sie eher am Rande. Ich bin bei den Fotograf:innen, sodass ich einige der chaotischen Szenen aus der ersten Reihe mitbekomme, aber ich bin nicht mittendrin im Geschehen. Diesmal hatte ich das Vergnügen, Rossy de Palma zu skizzieren, die für mich schon immer eine große Mode-Ikone war, und sie war danach so freundlich, meine Arbeit zu teilen und mir Komplimente zu machen. Das hat mir sehr gefallen.
Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.uk veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ.