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Ein Jahr studieren im Lockdown an der AMD: „Das Digitale ersetzt das Leben nicht”

Von Ole Spötter

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Mode|INTERVIEW

Nicht nur die Modeindustrie ist seit einem Jahr abhängig von den Veränderungen, die die Corona-Pandemie mit sich bringt. Auch Modestudenten sind davon betroffen und springen zwischen ‘Homeschooling’ und hybridem Unterricht hin und her – je nach den aktuellen Corona-Bestimmungen von Bund und Ländern.

Sabine Resch, Studiendekanin für „Fashion Journalism and Communication (B.A)“ an der Akademie Mode & Design (AMD) München, kann davon ein Lied singen. Zusammen mit ihren Studierenden blickt die Journalistin auf ein Jahr studieren während der Pandemie zurück.

Der Startschuss dafür fiel mit dem Sommersemester 2020, welches die AMD digital startete. Erst im Juni konnten einige fachpraktische Fächer – wie Schnitttechnik und Aktzeichnen bei Modedesign oder Modeinszenierung und -fotografie bei Modejournalismus – wieder in den Schulräumen gelehrt werden. Bei anderen Fächern wurden die Klassen aufgeteilt und jeweils eine Hälfte live und die andere digital unterrichtet. Um die maximale Auslastung der Unterrichtsräume nicht zu überschreiten, gab es an jeder Hörsaal-Tür QR-Codes, mit denen sich die Studierenden anmelden mussten.

Der hybride Unterricht war zu Beginn des Wintersemesters 2020/21 noch möglich, wurde dann mit dem zweiten Lockdown aber wieder komplett digital. „Es lief natürlich nicht immer alles glatt, aber die Hochschule hat schnell und effektiv reagiert, damit alle Semester durchgeführt werden konnten und keiner ein Nullsemester in Kauf nehmen musste”, fasst Resch zusammen.

Foto: Sebastian Schulz | Produktion und Styling: Ornella Sonderegger

Frau Resch, wie lautet Ihre Erkenntnis nach fast einem Jahr unterrichten in der Pandemie?

Es ist gut und mehr als hilfreich, die Option des Virtual Classrooms zu haben, nicht nur in so extremen Situationen wie in einer Pandemie. Der direkte Austausch, der lebendige Diskurs, die Gespräche in der Mensa oder auf dem Campus fehlen allerdings. Digitales Unterrichten allein macht kein richtiges studentisches Leben aus. Wie wir es in vielen Dingen des Lebens gerade feststellen: Das Digitale ersetzt das Leben nicht.

Wie war diese Umstellung für Ihre Studierenden?

Am Anfang waren alle Kameras und Mikrophone von den Studierenden an. Alle waren ja neugierig. Je länger das Semester wurde, desto weniger Kameras waren eingeschaltet. Da kam dann das Argument, das Wlan sei gerade nicht so gut oder man hörte, wie jemand nachdem die Person aufgerufen wurde, zum Computer stürzte und es dann hieß: „Ich musste nur eben schnell einen Kaffee holen.” Das sind natürlich Situationen, die im Live-Unterricht so nicht passieren.

Was waren Ihre skurrilsten Situationen während einer digitalen Unterrichtsstunde?

Witzig war eine Situation, in der nach Aufruf, die Kamera zu öffnen, der Student mit Geschichtsmaske da stand. Warum auch nicht? Mit einer Beauty-Pflege im Gesicht kann man ja auch unterrichtet werden. Skurril war auch eine Studentin, die nicht auf ihrem Sofa saß, sondern tatsächlich in ihrem Bett lag und zugedeckt war. Das fand ich dann schon sehr neu und erst mal schräg, wenn man die Menschen im Bett unterrichtet. Aber es zählt die Anwesenheit.

Das klingt alles witzig, hört sich aber auch anstrengend sein. Wie gingen Sie als Dozentin mit diesen unfreiwilligen ‘Homeschooling’-Momenten um?

Ich würde gerne mal eine Dokumentation über die Hintergründe der Zoom-Chats machen, weil Hintergründe schon wahnsinnig interessant sind: Lümmeln sie auf dem Sofa, sind aber trotzdem aktiv mit dabei? Wo ist das Wlan am besten, im Bad?

Erst wollte ich mich innerlich aufregen, weil ich so private Situationen auf dem Sofa gesehen habe und habe dann aber gemerkt, dass das doch wunderbar ist: Die Studierenden machen es sich bequem, sind aber aktiv dabei. Selbst auf Zugfahrten haben sich Studierende eingewählt, die sonst gar keine Zeit gehabt hätten.

Technik und Digitalisierung spielen eine große Rolle, egal ob nun Homeoffice oder -schooling. Welche Möglichkeiten hatte die AMD?

Wir haben mittlerweile konkrete Online-Unterrichtsräume, mit denen wir alles übertragen können, so etwa unser Broadcast-Room: Während ein Teil der Klasse live unterrichtet wird, weil die Klasse zu groß ist, wird der andere Teil in einem anderen Raum digital unterrichtet. Dafür ist eine Kamera samt hocheffizienter Mikros an Wand und Decke angebracht. Die Kamera folgt den Dozierenden, wenn sie durch den Raum gehen, damit die Übertragung auch für die Studierenden zu Hause optimal übertragen wird.

Wie haben Sie sich als Lehrkraft auf den digitalen Unterricht vorbereitet?

Ich persönlich hatte kaum Erfahrungen mit digitalem Unterrichten gehabt. Das gesamte Professoren- und Dozenten-Team wurde intern von unseren Instructional-Designern vorbereitet und bekam spezielle Workshops. Es gab diverse Infoveranstaltungen und Lerntools.

Fachpraktische Fächer als Teil des Modejournalismus-Studiengangs wurden teilweise physisch unterrichtet. Wie sah das Ganze in der Praxis aus?

Bei Modejournalismus in München haben wir eine Lehrredaktion, bei der wir bereits existierende Magazine produzieren, damit Studierende lernen, wie überhaupt ein Magazin entsteht. Konkret heißt das: Eine Vogue lesen und eine Vogue machen, ist ein Unterschied. Das haben wir mit unserem zweiten Semester ‘Fashion Journalism and Communication’ aber in der Tat im Lockdown-Semester Sommer 2020 durchgeführt: Zu 80 Prozent im digitalen Unterricht – die Textredaktion, die Chefredaktion, die Schlussredaktion, die Onlineredaktion. Das Briefing der Vogue-Redaktion mit uns lief über einen virtuellen Classroom. Die Chefredaktion – damals noch mit Christiane Arp – war so zu Gast bei uns im GoToMeeting der Lehrredaktion. Wir planten dazu ein Männer-Shooting in der Aula – unserem vergrößerten Fotostudio – und haben bewusst Models, die zusammen wohnen, gebucht. Am Vortag sagte uns eines der Models aber ab. Deshalb mussten wir ein anderes Model engagieren und haben dann in dieses Shooting Bilder mit Masken und Visieren integriert, weil die Models nur so direkt nebeneinander fotografiert werden konnten.

Bewegen Sie Ihre Maus über das Bild und klicken Sie für Kommentare der Studierenden und mehr Informationen auf die Symbole.

Foto: Screenshot von Call mit Vogue-Redaktion via Sabine Resch

Wurden während der aktuellen Situation neue Kurse oder Veranstaltungen eingeführt?

Ja, und zwar genau, weil wir digital unterwegs waren. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und eine neue Reihe mit Branchen-Experten “Zehn Fragen an” eingeführt. Diesen Experten stellen wir vorab zehn Fragen, und im Zoom-Meeting wurden diese – vor fast hundert Studierenden aus allen Standorten und Studiengängen – beantwortet. Das hatten wir zum Beispiel in diesem Semester mit der wunderbaren Modetheoretikerin Valerie Steele aus New York. Sie hätten wir früher extra dafür einfliegen lassen müssen. Über den Zoom-Chat ging das alles mit viel weniger Aufwand. Unter anderem auch mit dabei war Serhat Isik, einer der Gründer des Berliner Fashion Labels GmbH. Diese Reihe werden wir jetzt weiterführen und Leute unseren Studierenden zur Verfügung stellen, die sonst nicht möglich gewesen wären.

Im Sommer konnten die Prüfungen noch physisch abgehalten werden, im Winter nicht mehr. Wie wurden die Prüfungen digital durchgeführt?

Klausuren in Form der sogenannten Open Book oder Take-Home-Form. Das heißt, die Aufgaben der Klausuren wurden so gestellt, dass im Zeitraum der Klausur alle Hilfsmittel benutzen werden durften, die Art der Aufgabenstellung wurde entsprechend geändert.

Für Studierende ist es ein immenser Unterschied, ob du einfach nur aktiv am Unterricht teilnimmst, oder ob du deine Abschlussarbeitn – dein Herzblut – das du aus dreieinhalb Jahren Studium vorbereitest, digital halten musst. Digitales Präsentieren ist ein großer Unterschied zur Live-Präsentation, vor allem was die Präsenz auf dem Bildschirm angeht.

Außerdem mussten wir erstmals auch die Abschlusskolloquien – der Absolventen aller Studiengänge – digital halten lassen. Wir haben das reale Live schon vermisst. Aber das Normal der Prä-Pandemiezeit gibt es nicht mehr. Und zum New Normal gehörten auch die digitalen Kolloquien. So war auch der Prosecco beim Anstoßen vor dem Bildschirm digital. Dafür, dass das alles in Zeiten der Pandemie stattfand, können alle stolz sein, die Studierenden und die Lehrenden.

Danach kommt ja eigentlich die Abschlusspräsentation, wie fiel diese aus?

Gott sei Dank nicht. Wir haben am Samstag, den 27. Februar, unsere erste deutschlandweite digitale Werkschau der AMD “W.21” gezeigt. Wir sind stolz auf unsere Absolventen, die Pandemie als Chance genutzt zu haben. Mit der W.21 haben wir den Absolventen eine Bühne für Ihre Abschlussarbeiten geboten.

Am 29. März folgt dann noch unsere erste digitale “AMDstage”, das erste digitale Graduate Event der AMD, bei dem die besten Graduates aller Studiengänge und aller AMD Standorte mit hochkarätigen Jurys gewählt werden.

Fotos: Arabella Romen – Foto by Rianon Vran | Paul Kadjo (von links nach rechts)

Titelbild: Rianon Vran

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