Digitale Mode: Südkorea investiert in Spitzenposition im Metaverse
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Eine Handvoll asiatischer Länder sind bereits dabei, sich als Vorreiterinnen in der virtuellen Welt zu etablieren. Dort treiben junge, digital fortschrittliche Generationen im Vergleich zu anderen Ländern verstärkt neue Online-Kanäle wie Livestreaming und virtuelle Stores an. Dies gilt besonders für Südkorea. Das südkoreanische Ministerium für Wissenschaft und Informations- und Kommunikationstechnik kündigte nun an, dass es fast 200 Millionen US-Dollar in die Schaffung eines komplexen Metaverse-Ökosystems investieren werde. Darüber hinaus hat die Stadtregierung von Seoul den Wunsch geäußert, 2023 ein ‚Metaverse Seoul‘ zu errichten, um den virtuellen Markt zu erobern.
Neben anderen Branchen nimmt die Mode in dieser Bewegung einen prominenten Platz ein und steht im Mittelpunkt koreanischer virtueller Welten wie Zepeto, das bereits Partnerschaften mit einer Reihe globaler Marken wie Nike und Gucci eingegangen ist. Es besitzt ein monatlich aktives Publikum von über 300 Millionen Menschen . „Ich habe den Eindruck, dass viele Metaverse-Plattformen in Korea globale Dienste anbieten und Mode im Metaverse zu einem wichtigen Medium wird, um sich selbst auszudrücken, vor allem bei den digital nativen Generationen“, sagte Rosa Park, Teamdirektorin der Korea Creative Content Agency (KOCCA) im Gespräch mit FashionUnited.
Die staatliche Agentur stand hinter der Gründung des neuen Metaverse Fashion Festival (KMFF), das von Mitte Dezember bis Ende Januar ging. Das KMFF, das gemeinsam mit dem Ministerium für Kultur, Sport und Tourismus entwickelt wurde, will einheimische Modemarken im Metaverse durch die digitale Erweiterung einer traditionellen Showroom-Atmosphäre präsentieren und mehrdimensionale Inhalte anbieten, die den Kontakt zu einer globalen Kundschaft verbessern sollen.
„Globale Modemarken unternehmen verschiedene Versuche auf dem Markt, mit Metaverse-Plattformen zusammenzuarbeiten“, so Park. „Allerdings ist es für unabhängige Modelabels nicht einfach, Marketingstrategien zu entwickeln, um das Metaverse für sich selbst zu nutzen. Deshalb hat KOCCA beschlossen, das Projekt zu lancieren, um Koreas führende Designermarken zu fördern und zu unterstützen.“
„Das Metaversum endet nicht im virtuellen Raum“
Wenn man das KMFF über eine spezielle Website betritt, wird man aufgefordert, eine Spielfigur und das gewünschte Geschlecht auszuwählen und anzugeben, ob der Avatar schwarz oder weiß tragen soll. Sie werden dann in die „Fashion City“ transportiert, eine von drei Themenwelten, in der sie einen Rundgang machen können, der zu den virtuellen Showrooms von 20 teilnehmenden Marken führt.
In diesen Räumen wurden die Kollektionen der einzelnen Brands in einer immersiven Umgebung präsentiert, die ihre gesamte Markenidentität widerspiegelt und die individuelle Ästhetik in einem persönlichen Raum verkörpert. Während das Zimmer von Setsetset die Form eines Hanok, eines traditionellen koreanischen Hauses, hatte, allerdings mit einem leuchtend rosafarbenen Äußeren und herzförmigen Dekorationen, entschied sich Lie für eine avantgardistischere Architektur, um seine Werte eines markanten und strukturierten Designs widerzuspiegeln. Sowohl das Äußere als auch das Innere wurden vom Flagshipstore der Marke im Hotspot Cheongdam-dong, der sich in Seouls Stadtteils Gangnam befindet, inspiriert.
In den Showrooms können Besucher:innen Informationen über die Marke und das Designteam, Lookbooks und Videoclips von Shows sowie digitale Reproduktionen von Kleidungsstücken ansehen. Für Lie gehörten dazu auch Kleidungsstücke, die auf dem letzten Laufsteg der Pariser Modewoche gezeigt wurden. In einem Gespräch mit FashionUnited sagte der Kreativdirektor von Lie, Chung Chung Lee, über die Übertragung der Identität der Marke in die virtuelle Welt: „Der Store zeigt, dass das Metaverse nicht im virtuellen Raum endet, sondern in Verbindung mit der Realität darüber hinaus weitergehen kann. Die gleiche Bedeutung hat auch die Reproduktion der Kleidung. Durch die Verbindung von realem Laufsteg und virtuellem Raum wurden die Kleidungsstücke so gestaltet, dass die Nutzer:innen überall Outfits mit der Identität von Lie tragen können.“
Bei Betreten der Räume erhalten die Besuchenden drei Tickets, die sie sammeln können, um verschiedene digitale Artikel von jeder der Marken zu „kaufen“. Die Stücke können von ihrem Avatar ausgewählt und getragen werden, was den Benutzer:innen einen Anreiz bietet, jeden Bereich zu erkunden. Weitere teilnehmende Marken waren Besfxxk, Bonbom, Ceeann, Seokwoon Yoon, The Studio K, Bemuet(te), Beyond Closet, Ul:kin, Wnderkammer, C-Zanne, Doucan, Dew E Dew E, Kichéleehém Yugadang, Eenk, Greedilous, Open Plan und Nohant.
Derweil wurde die ‚Shopping City‘, ein weiterer Bereich des Festivals, speziell für Einzelhandelsplattformen wie das Kaufhaus The Hyundai Seoul und den Online-Marktplatz EQL konzipiert, wo die Benutzer:innen in einer virtuellen Umgebung einkaufen und sich Modeschauen ansehen konnten. Daneben drehte sich bei ‚Enter City‘ alles um K-Pop, die koreanische Musikrichtung, die weltweit an Popularität zunimmt. An diesem virtuellen Ort konnten Gäste einen Veranstaltungsplan einsehen, darunter eine Modenschau und einen Auftritt der K-Pop-Künstlerin Hyolin.
Das KMFF fand jedoch nicht nur digital statt. Es beinhaltete verschiedene Offline-Events und Pop-ups in Geschäften wie dem Hyundai Seoul und dem Hankyu Osaka Department Store, wo es im Laufe des Monats Januar verschiedene Veranstaltungen abhielt. Dank seiner phygitalen Präsenz konnte das Festival sowohl online als auch offline mit den Menschen in Kontakt treten und seine Reichweite auf weitere Marken und neue Kundschaft ausdehnen.
Dieses Festival unterscheidet sich von anderen Festivals nicht nur dadurch, dass es auf phygitale Veranstaltungen setzt, sondern auch dadurch, dass es sowohl Verbraucher:innen als auch ein Publikum aus der B2B-Sparte anspricht. Neben den Kollektionen bestand ein Großteil des Festivals darin, einen umfassenden Überblick über die Marken zu geben, einschließlich ihrer Geschichte und der Teams, die hinter ihnen stehen. Dies war zwar vielleicht nicht ganz beabsichtigt, ermöglichte es aber einem breiteren Publikum, die Marke in einem einzigartigen Rahmen kennenzulernen, ohne dafür ans andere Ende der Welt reisen zu müssen. Während die Menschen letztlich durch den Wunsch, digitale Kleidung zu kaufen und Auftritte beliebter Sänger:innen zu erleben, von dem Event angezogen wurden, ermöglichte das Multibrand-Setting auch den Zugang zu einem Showroom-Erlebnis und das Kennenlernen der Teilnehmenden auf neue, eindrucksvolle Weise.
Mode und das Metaverse in Südkoreas Zukunft
Mit der starken Unterstützung durch südkoreanische Politik und Unternehmen scheint es, als würde das Metaverse in der Zukunft des Landes eine wichtige Rolle spielen. Das bestätigen auch die Beteiligten von KOCCA und KMFF, für die das Konzept seine Aufgabe erfüllt, indem es Marken und Menschen zahlreiche Möglichkeiten bietet, mit der Modeindustrie in Kontakt zu treten.
Rosa Park von der Organisation sagte über das Festival: „[Designer:innen] können die Konzepte und Produkte ihrer Marken vermitteln, indem sie es potenziellen Kund:innen ermöglichen, sie als Inhalt zu erleben, und nicht durch langwierige Erklärungen oder Anzeigen. Insbesondere die virtuellen Showrooms helfen dem Publikum, das Konzept und das Ambiente der einzelnen Marken zu verstehen, da sie die Vorstellungen der Designer:innen verkörpern, was offline nur schwer möglich ist. Ein solches Erlebnis führt wahrscheinlich dazu, dass die Verbraucher:innen Produkte kaufen, Fans der Marke werden und die Werte der Marke besser verstehen. Einer der Vorteile solcher Veranstaltungen ist also, dass sie treue Kundschaft an sich binden."
Park erläuterte außerdem die Entscheidung von KOCCA, hauptsächlich mit unabhängigen Modelabels zusammenzuarbeiten, die ihrer Meinung nach eine Rolle bei der Steigerung des Mehrwerts der Modeindustrie spielen. Sie fügte hinzu: „Eine der großen Stärken eines unabhängigen Modelabels ist, dass es auf der Grundlage der Kreativität seines Designs eine einzigartige Identität aufbauen und differenzierte Produkte schaffen kann. KOCCA unterstützt und fördert unabhängige Modelabels als Teil der Industrie für kulturelle Inhalte, da sie Produkte auf der Grundlage ihrer Kreativität herstellen.“
Was die teilnehmenden Marken betrifft, so wurden die Bemühungen von KMFF und KOCCA gut aufgenommen, wie sie der Veranstaltung gegenüber äußerten. Jinyoung Kim von der Damenmarke Dew E Dew E erklärte, dass sie Schwierigkeiten hatte, aus eigener Kraft Mittel für die Realisierung eines Metaverse-Showrooms aufzutreiben und dankbar für das unterstützende Projekt sei. Sie fügte hinzu: „Die Welt des Metaversums ist unendlich. Und es ist nur der Anfang und das Ende der Reise, die wir alle nicht kennen. So wie wir uns die heutige Popularität von K-Pop vor zehn Jahren nicht vorstellen konnten, kann die Zukunft der koreanischen Mode im Metaverse jede Menge Einfluss haben. Klar ist jedoch, dass in einer Ära, in der Inhalte wichtig sind, die Modewelt im Metaverse unendlich viele Möglichkeiten findet.“
Jae Hyuk Lim von Besfxxk sieht das Metaversum ebenfalls positiv und glaubt, dass die es in naher Zukunft eine starke Nachfrage auf dem Markt bekommen wird. Die Marke hat die Möglichkeiten, die sich ihr boten, erkannt. Ihr Präsentationsansatz während der Veranstaltung zeigte das, indem ihr Showroom mit einem Unterwasser-Thema den Möglichkeiten der realen Welt trotzte.
Über die Zukunft dieser Plattform sagte Lim: „Die Metaverse-Mode wird als bahnbrechendes System angesehen, das neue Wege für den Kauf und die Bereitstellung von Mode-Content aufzeigen kann. Es scheint nicht überbewertet oder übertrieben, sondern war bereits ziemlich greifbar und aktiv. Wir wollten Teil eines zukunftsträchtigen Projekts sein. Es wird für das Metaverse in naher Zukunft eine starke Nachfrage auf dem Markt geben. Südkorea ist für sein schnelles Wachstum im Bereich der Digitalisierung bekannt, und die digitale Gesellschaft und Mode sind den meisten Menschen vertraut.“
In der Zwischenzeit planen andere Marken, wie Wnderkammer, das Metaverse in ihr eigenes Business zu integrieren. HyeYoung Shin sagte, dass zwar noch keine offiziellen Pläne beschlossen seien, die Präsentation der zukünftigen Kollektion der Marke aber wahrscheinlich sowohl offline als auch im Metaverse stattfinden werde. Über das Konzept als Ganzes sagte Shin: „[Das Metaversum] ist nicht die Zukunft, es ist die Gegenwart. Wenn man Zeit und Raum überschreitet und sich frei zwischen Realität und Virtualität bewegt, kann man die Produkte eines Labels auf vielfältige Weise erleben. Ich denke, das ist die Gegenwart und Zukunft nicht nur Koreas, sondern aller Kreativer auf der Welt.“
Angesichts solch positiver Aussichten für Labels scheint das Metaversum in Südkorea wirklich einen festen Platz in der Gegenwart und Zukunft zu haben. Für die Korea Creative Content Agency KOCCA bedeutet das, dass sie die einheimischen Designer:innen, die in den digitalen Bereich einsteigen wollen, weiter unterstützen und ihnen und dem Rest der Welt das Konzept näher bringen muss. Obwohl der Zeitplan für dieses Vorhaben derzeit noch nicht feststeht, sagte Park, dass sie damit rechne, mögliche Vorschläge gegen Ende 2023 umzusetzen.
Dieser Artikel wurde ähnlich auf FashionUnited.uk veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ.