Die Trends im Onlinehandel
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Das Tempo im Onlinehandel ist rasant. Die Zyklen, in denen Neuerungen präsentiert und eingefordert werden, sind immer kürzer. Viele Saisons hat die Branche den Multichannel-Vertrieb gepriesen, aber das ist schon Schnee von gestern. Jetzt stellt sich die Branche neuen Aufgaben. Daniela Zimmer, eine von Deutschlands Top-Expertinnen für E-Commerce und verantwortlich für die Programmplanung des Internet World Kongresses, der am 1. März in München startet, erklärt, welche das sind.
Bisher gab es zur Internet World Messe immer ein großes Thema, das die ganze Branche umtrieb - mal waren es Beacons, mal Local Shopping. Was ist es in diesem Jahr?
Daniela Zimmer: Customer Experience. Bei der Auswahl der Kandidaten für unseren Internet World Business Shop Award haben wir uns 281 Internet-Shops angesehen. Dabei fiel auf, dass alle gleich aussehen - ganz egal ob Pure Player oder Markenshop. Alle funktionieren und sind gut, aber es gibt kein unverwechselbares Feature, das den einen Shop vom anderen unterscheiden würde. In dem Bereich müsste also dringend etwas getan werden. Das wäre das eine. Zum Thema Customer Experience gehört aber natürlich auch, dass die Kanäle immer mehr miteinander vernetzt werden, also Onlinekäufe in der Filiale wieder zurückgegeben werden können und Kundenkarten online und stationär nutzbar sind. Aber daran arbeiten bereits einige.
Warum ist Customer Experience wichtig?
Das übergeordnete Ziel im Onlinehandel lautet: Von der Bedarfsdeckung zur Bedarfsweckung. Onlineshopping muss für den Nutzer bequemer und unterhaltsamer werden. Viele gehen immer noch zu sehr vom Warenkatalog aus, aber das reicht nicht. Die Kunden wollen ein kuratiertes Sortiment und Entertainment. Einige Firmen spielen auf ihrer Seite deshalb redaktionelle Inhalte, bringen eigene Magazine raus, präsentieren neue Trends etc. Früher gab es auf der einen Seite die Shop-Software und auf der anderen Seite das Content Management. Heute verschmilzt alles immer mehr, so dass man z.B. aus dem redaktionellen Content heraus auch kaufen kann.
Welche Trends sehen Sie in dem Zusammenhang noch?
Ein weiteres Thema aus dem Bereich der Customer Experience ist die Logistik. Dort sehen wir in naher Zukunft wohl die größten Neuerungen. Denn das Nervigste am Onlinehandel ist ja, wenn das Paket nach Hause kommt. Die Zustellung muss angenehmer werden. Wir werden in Zukunft immer mehr Paketboxen haben und spezielle Pick-up Geschäfte. Auch die Lieferdienste werden stärker als bisher präzise Zeitfenster für die Zustellung anbieten, und auch die Feierabendzustellung wird kommen. Der Zustellprozess wird also immer individualisierbarer, auch noch während der Zustellung. Darauf richten sich die Logistiker derzeit ein. Außerdem werden bei den Retouren Möglichkeiten getestet, wie der Kunde die Retoure angenehmer abwickeln kann. Zalando testet gerade im städtischen Raum, die Retoure selbst abzuholen, Outfittery macht das auch. Damit muss der Kunde nicht mehr selbst zum Paketshop gehen.
Thema stationärer Handel: Wo sehen Sie Möglichkeiten bei der Verbesserung von Onlineshops von stationären Händlern?
Ich würde die Warenverfügbarkeit ins Netz stellen. Die sofortige Verfügbarkeit gehört zu den großen Wettbewerbsvorteilen gegenüber dem Onlinehandel - noch, muss man allerdings dazu sagen, denn Same-Day-Delivery wird ja bereits von einigen getestet. Auch das Thema Sortimentsgestaltung, also die Kernkompetenz des Handels, wird angesichts des Preisdrucks im Internet immer wichtiger. Daran müssen alle arbeiten. Sinnvolle andere Services für den Bereich Mode sind z.B. die Möglichkeit, sich die Einkäufe nachhause schicken zu lassen, dass man Artikel online reservieren und vor Ort abholen kann oder auch ein Personal Shopping Angebot. Der Punkt ist ja: Wir waren zu Zeiten von Tante Emma mal viel besser. Schließlich gab es all diese Services schon mal, z.B. dass die Sachen nach Hause gebracht oder z.B. elektronische Geräte gleich angeschlossen wurden. Damals kannte der Verkäufer seine Kunden und deren Bedürfnisse genau. Noch vor fünf Jahren wäre es dagegen undenkbar gewesen, dass ein Elektrofachhändler die Geräte anschließt, und wenn dann nur für viel Geld. Heute ändert sich das langsam wieder.
Das Tempo in der Branche ist gewaltig und ständig werden neue technische Lösungen angepriesen. Dabei funktioniert vieles in der Praxis nicht, beispielsweise Beacons, Magic Mirrors oder Tablets im Verkaufsraum. Was funktioniert wirklich?
Zu Beacons habe ich eine sehr persönliche Meinung: Mir ist bislang keine Beacon Kampagne aufgefallen, bei der es nicht genervt hat, dass das Handy vibriert. Dem Handel fallen bei dem Thema nur Rabatte ein. Der Händler muss noch lernen, was ein Kunde in einer bestimmten Situation tatsächlich will. Erst dann macht die Technologie auch Sinn. Und beim Thema Tablets gibt es auch Erfolgsgeschichten. Douglas z.B. hat vor dem Weihnachtsgeschäft alle Filialen mit Tablets ausgestattet und damit signifikant höhere Umsätze generiert. Das Entscheidende war, dass die Verkäuferin mit dem Kunden zusammen damit gearbeitet hat, z.B. wenn es darum ging, ein nicht vorrätiges Produkt zu bestellen. Aber als Kiosk-Terminal für den Kunden allein funktioniert es wirklich nicht.
Wie sehen Sie das Thema Internet of Things, also wenn sich die kaputte Glühbirne selbst nachbestellt?
Das Internet of Things wird sicher noch viel ändern. Vor allem im Bereich der Kundenbindung, weil ich natürlich dann nur noch dort einkaufe, wo ich bloß noch einen Knopfdruck machen muss. Die Frage ist aber, wie geht man mit den Mini-Warenkörben um? Wird dann wirklich nur eine Glühbirne verschickt, oder muss ich warten, bis eine bestimmte Menge zusammen gekommen ist? Es weiß noch keiner, wie da rentable Geschäftsmodelle aussehen.
Ist es als kleiner Händler überhaupt noch sinnvoll in den Onlinehandel einzusteigen?
Wenn man sehr speziell ist lohnt sich das auf jeden Fall. Wenn man kein besonderes Produkt anbieten kann funktioniert ein eigener Shop nur, wenn man bei Google auf die erste Seite kommt, und das ist bei der Wettbewerbsintensität im Netz nicht zu schaffen. Deshalb wäre vielleicht nicht unbedingt ein eigener Shop zu empfehlen, sondern man steigt über einen Marktplatz ein, wie z.B. Amazon oder Ebay, oder auch über lokale Shoppingmarktplätze. Das Problem in der Startphase des Onlinehandels war, dass die stationären Händler mit viel zu hohen Erwartungen an das Thema rangegangen sind. Damals war von Umsatzanteilen von bis zu 40 Prozent die Rede und so wurde die Investition kalkuliert. Die meisten liegen heute immer noch weit unter 10 Prozent.
Eine Vision des Onlinehandels war es, dass mit Big Data individualisierte Preise möglich werden. Jetzt hat die Politik reagiert und will diese Praxis rechtlich prüfen. Wie weit sind wir überhaupt mit den individualisierten Preisen?
Die Preise ändern sich im Tagesverlauf und von Saison zu Saison sowieso. Aber in der Regel werden sie angepasst auf die aktuelle Wettbewerbssituation, nicht auf die Nutzer. Die Vorstellung, dass ein iPhone-Besitzer höhere Preise angezeigt bekommt als ein Android-Nutzer halte ich für überzogen. Ich glaube, so weit sind wir noch lange nicht.
Als nächstes großes Wachstumsfeld im E-Commerce wird der Bereich B2B abgesehen. Wie weit ist man da?
B2B wächst und zwar deshalb, weil B2B User natürlich auch B2C User sind. Darauf stürzen sich gerade alle. Es geht darum, den Außendienst zu entlasten und Zeit einzusparen.
Zalando will in diesem Jahr erstmals die Bread&Butter veranstalten. Wie beurteilen Sie das Konzept, als Online-Händler Events zu organisieren?
Das Konzept ist clever und sicher gut fürs Image. Zalando will immerhin die Mode demokratisieren, also Modeschauen für alle. Damit steigert Zalando einerseits die Bindung zur Zielgruppe aber bestimmt auch zu seinen Lieferanten. Sicher ein cleverer Schachzug.
Fotos: Internet World / Internet World Business