Die New Yorker Modewoche findet zu sich selbst
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In der umkämpften Welt der globalen Mode stand New York lange Zeit im Schatten ihrer europäischen Pendants. Doch während sich der Staub der New York Fashion Week (NYFW) im September dieses Jahres langsam legt, zeichnet sich ein neues Bild ab: das einer Stadt, die selbstbewusst ihre eigene modische Identität entwickelt.
Sich von europäischen Vergleichen befreien
Seit Jahrzehnten hat die New Yorker Modeszene mit unvorteilhaften Vergleichen zu Paris und Mailand, den traditionellen Bastionen der Haute Couture, zu kämpfen. Kritiker:innen haben das US-amerikanische Angebot auf dem Laufsteg oft als hinter den europäischen Standards zurückbleibend abgetan und ihren Platz im Pantheon der hohen Kunst der Mode in Frage gestellt.
Solche Vergleiche lassen jedoch eine entscheidende Tatsache außer Acht: die schiere wirtschaftliche Macht der US-amerikanischen Modeindustrie. Mit einem geschätzten jährlichen Umsatz von 358,70 Milliarden US-Dollar (etwa 324,36 Milliarden Euro) ist der US-Markt nach Angaben von Uniform Market ein unverzichtbarer Pfeiler der globalen Modewirtschaft. Diese wirtschaftliche Realität unterstreicht eine einfache Wahrheit: Ohne den Absatz in den USA würden viele Marken ums Überleben kämpfen.
Eine unverwechselbare US-amerikanische Ästhetik
Die diesjährige NYFW scheint einen Akkord des Selbstbewusstseins angeschlagen zu haben, denn sie hat sich weder der Kritik gebeugt noch versucht, ihre europäischen Gegenstücke zu imitieren. Stattdessen hat sie ihre einzigartige Position in der Modelandschaft angenommen und eine unverkennbar amerikanische Mischung aus Kommerz und Kreativität präsentiert.
Ralph Lauren: Aufstrebender Luxus
Die Rückkehr von Ralph Lauren auf den NYFW-Kalender war nichts weniger als spektakulär. Mit seiner Show in den Khalily Stables in Bridgehampton entführte Lauren seine Gäste – darunter die First Lady Dr. Jill Biden und die Hollywood-Elite – in eine Welt des aufstrebenden Luxus.
Kritiker:innen mögen einwenden, dass Laurens Vision von Country-Club-Chic mit dem aktuellen politischen Klima nichts mehr zu tun hat. Dies geht jedoch an der Bedeutung der Mode als Medium für Eskapismus und Träume vorbei. Laurens Fähigkeit, eine Geschichte des US-amerikanischen Luxus zu entwerfen, war der Schlüssel zum Aufbau einer Marke mit einer Marktkapitalisierung von fast 11 Milliarden US-Dollar.
Proenza Schouler: Richtungsweisendes Design
Während Ralph Lauren den aufstrebenden Luxus bedient, hat sich Proenza Schouler an der Spitze der richtungsweisenden Mode positioniert. Die Gründer Jack McCollough und Lazaro Hernandez haben seit 2002 die Höhen und Tiefen der Branche überstanden und sind in dieser Saison mit einer Kollektion auf den Markt gekommen, die das Ende des Trends zum „stillen Luxus“ signalisiert.
Ihre Laufstegpräsentationen erinnern daran, dass es in der Mode im Kern um Innovation und das Überschreiten von Grenzen geht. Da die Kund:innen der minimalistischen Garderobe überdrüssig sind, ist Proenza Schouler bereit, der US-amerikanischen Mode wieder neuen Schwung zu verleihen.
Tommy Hilfiger: Die Kunst der Modeunterhaltung
Die Show von Tommy Hilfiger verkörperte das US-amerikanische Geschick, Mode in Unterhaltung zu verwandeln. Indem er eine stillgelegte Fähre in ein US-amerikanisches Spektakel verwandelte, bewies Hilfiger, dass die NYFW das Publikum nicht nur durch die Kleidung fesseln kann.
Dieser Ansatz bringt zwar vielleicht keine erinnerungswürdigen Kleidungsstücke hervor, sorgt aber für eine unschätzbare Medienpräsenz und hält die Marke fest im Blickfeld der Öffentlichkeit. Es ist eine Strategie, die dem US-amerikanischen Verständnis von Mode nicht nur als Kunstform, sondern auch als kommerzielles Unternehmen entspricht.
Alaïa: Die Stärke eines Standorts
Die Entscheidung von Alaïa, einer Marke, die traditionell in Paris beheimatet ist, im ikonischen Guggenheim Museum in New York zu zeigen, war ein Coup für die NYFW. Sie zeigte, dass die Stadt in der Lage ist, internationale Talente anzuziehen und zu präsentieren, und verlieh der Veranstaltung einen Hauch von globalem Prestige.
Die New Yorker Modewoche wird erwachsen
Wenn der Vorhang für die diesjährige NYFW fällt, ist klar, dass die Veranstaltung ihren Platz gefunden hat. Indem New York sich auf seine kommerziellen Wurzeln besinnt und gleichzeitig kreative Talente fördert, hat es eine Modewoche geschaffen, die einzigartig ist.
Die Vielfalt des Angebots - von Ralph Laurens ausgefeiltem Luxus bis zu Proenza Schoulers innovativen Entwürfen, von Tommy Hilfigers publikumswirksamen Spektakeln bis zu Alaïas architektonischen Schaufenstern - zeugt von einem lebendigen und vielfältigen Mode-Ökosystem.
Letztendlich liegt die Stärke der New Yorker Modewoche nicht darin, Paris oder Mailand nachzueifern, sondern darin, dass sie selbstbewusst ihre eigene Vision von dem, was Mode sein kann, präsentiert: eine Mischung aus Kommerz und Kreativität, Unterhaltung und Kunst, alles durchdrungen von dieser unbeschreiblichen Qualität des US-amerikanischen Optimismus.
Dieser übersetzte Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.com